#11 ☆ Angst vor dem ersten Schritt ☆

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Nichts muss so sein, nur weil es immer so gewesen ist.

~ Unbekannt

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"Ich töte sie...", grummelt Sasori leise vor sich hin während sich sein Blick in den Rücken des Mädchens bohrt, welches sich nach ihrer beleidigenden Rede umgedreht hat und nun davon stampft.
Wie kann sie es nur wagen so mit ihm zu reden?
Wie kann sie es nur wagen solche Annahmen zu stellen?
Er ist auf dem besten Weg zur Perfektion, ist dem Ziel schon so nah...

Plötzliches lautes Lachen lässt Sasori die Augen schließen und leise seufzen.
Er muss sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Deidara noch immer lachend und sich den Bauch haltend auf ihn zu kommt. Es wundert ihn nicht, dass er sie belauscht hat anstatt dazu zu kommen, denn anscheinend hat das "Gespräch" ziemlich zu seiner Belustigung beigetragen.
Und diese Tatsache gefällt Sasori kein bisschen.
Nicht, dass er selbst zu dessen Vergnügen beigetragen und auch nicht, dass das Mädchen ihn vor dem Balg so bloßgestellt hat.
Es macht ihn wütend, milde ausgedrückt.
Er hat das Gefühl als würde er jeden Moment explodieren, was seinem Teampartner wahrscheinlich noch besser gefallen würde.
"Die Kleine hat es dir ganz schön gegeben, Sasori no danna.", bringt der Blonde hervor bevor er bei dem Anblick seines zornigen Partners erneut laut losprustet.
Zur Abwechslung mal eine deutliche Emotion bei ihm zu sehen findet Deidara nicht nur absolut faszinierend und auch ein wenig gewöhnungsbedürftig, sondern vor allem amüsant. Zwar ist Sasori unglaublich stur sowie unfassbar ungeduldig und Deidara hat seine Nerven mit seinen Sticheleien schon sehr oft furchtbar strapaziert, doch diese brennende Wut, die gerade jetzt mehr als deutlich in den sonst so ruhigen Augen des Puppenspielers funkelt, ist etwas, was sein Partner noch nie geschafft hat hervorzulocken.

Er nicht und auch sonst kein anderer Mensch.

"Halt den Mund, Balg. Sie ist genau wie du. Frech, vorlaut, viel zu sehr von sich selbst überzeugt und dabei doch nur ein Mensch."
"Ach komm. Du magst mich doch, un."
"Tse."
"Aber eines muss man ihr lassen, un. Sie hat ganz schön Mut, dir solche Sachen an den Kopf zu werfen."
Tief atmet Sasori durch, um sich ein wenig zu beruhigen. Er kann es sich nicht erlauben die Fassung zu verlieren, Emotionen zu zeigen.
Dennoch zählt Wut als Gefühl und momentan ist er völlig von ihr eingenommen, was ihn nur noch wütender macht. Fest beißt Sasori die Zähne zusammen, ballt die Hände zu Fäusten.
"Das ist nicht mutig. Es ist dumm.", zischt er beherrscht, berichtigt Deidara, welcher grinsend mit den Schultern zuckt.
"Nenn' es wie du willst. Sie hat definitiv Mumm, un."
Darauf antwortet der Rotschopf nichts, wendet seinen Blick nur auf die klare Wasseroberfläche, während sein Kiefer noch immer angespannt ist.

Genervt stöhnt er auf, schüttelt den Kopf.
Dieser Anblick soll perfekt sein?
Ist er nicht.
Dennoch...
"Ich kann sie nicht töten...", murmelt Sasori leise vor sich hin, runzelt die Stirn ein wenig.
Wenn er das Mädchen verletzt, dann bedeutet das, dass er seiner Wut nachgegeben hat.
Dass er einem Gefühl nachgegeben hat.
Das wäre ein Fehler, ein Schritt zurück auf seinem Weg zur Perfektion.
Einen Rückschlag will Sasori nun wirklich nicht in Kauf nehmen. Kann er nicht in Kauf nehmen.
Und das wird er nicht.
Was kümmert ihn überhaupt die subjektive Meinung eines einzelnen Mädchens aus einem Dorf am Rand der Welt?
Was interessieren ihn ihre Ansichten und Überzeugungen?
Nichts.
Es ist ihm egal.

Kazumi ist ihm egal.

Das versucht er sich zumindest einzureden...



"Dieser ignorante, selbstgefällige... Aarrgh!"
Kräftig tritt Kazumi einen kleinen Stein vor ihr auf dem Weg fort, während sie durch das Dorf läuft, bevor sie eines der grünen Grasfelder um die Häuser herum betritt, um den Blicken der anderen Bewohner zu entgehen, welche sie bereits wieder argwöhnisch oder verwirrt begleiten.
Kazumi ist wütend.
Wütend auf Sasori, seine engstirnige Sicht der Dinge, sein fehlendes Verständnis, seine fanatische Suche nach Perfektion, seinen blinden Ehrgeiz...
Doch sie ist nicht nur wütend auf den Fremden, sondern auch auf sich selbst.
Vor allem auf sich selbst.
Seufzend bleibt sie stehen, lässt sich in die Wiese sinken und verschränkt die Arme hinter ihrem Kopf, um etwas bequemer zu liegen.
Nur das leise Zwitschern der Vögel ist zu hören, während die warmen Sonnenstrahlen ihr Gesicht küssen und eine sanfte Brise das hohe Gras um sie herum sacht bewegt.
Fest beißt sie die Zähne zusammen, schüttelt kräftig den Kopf.
Sie hatte kein Recht ihn so zurecht zu weisen...
Dass sie es dennoch getan hat, sich so hat mitreißen lassen, macht Kazumi unglaublich wütend.
Sie wollte doch anders sein als die andern.
Freundlich, zuvorkommend, unbefangen und ohne Vorurteile.
Doch stattdessen war sie frech, verurteilend und auch ein wenig eingebildet.
Anstatt Sasori' s Ansichten einfach zu akzeptieren hat sie versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
Vielleicht, weil er sich so vehement dagegen wert, ihre Sicht zu akzeptieren.
Weil er sich so sehr dagegen wehrt, sie zu verstehen.
Tief seufzt Kazumi, setzt sich auf.

Perfektion...

Was ist schon perfekt?
Für Kazumi? Für Sasori?
Ewige Schönheit.
Doch beide haben ein anderes Verständnis von Schönheit, eine andere Sicht der Ewigkeit. Während der Rotschopf offensichtlich versucht seinen Körper und sich selbst zu erhalten möchte Kazumi mit ihren Taten unsterblich werden.
Sie will etwas bewegen, in den Erinnerungen der Menschen bleiben, denen sie etwas bedeutet und denen sie geholfen hat. Doch dafür müsste sie raus aus diesem Dorf und rein in die Welt.
Und davor hat Kazumi unglaubliche Angst.

Angst vor dem ersten Schritt.

Der restliche Nachmittag vergeht schnell. In Gedanken versunken vergisst Kazumi die Zeit und merkt erst als die Sonne bereits tiefer sinkt, dass sie den ganzen Tag unterwegs war.
Erschrocken richtet sie sich auf und erhebt sich von der Wiese, bevor sie eilig durch das Dorf rennt.
Ihr Vater wird sicher bemerkt haben, dass sie fort ist. Er ist zwar betrunken aber weder dumm noch blind.

Er wird wütend sein...

Zögernd verlangsamt sie ihre Schritte, als ihr Elternhaus in Sicht kommt.

Jeden Tag fällt es ihr noch schwerer über die Türschwelle zu treten und ihren Vater anzusehen.
Oder das, was aus ihm geworden ist.
Jeden Tag fällt es ihr noch schwerer so zu tun, als würde es ihr gut gehen und der ständige Alkoholkonsum ihres Vaters ihr nichts ausmachen.
Jeden Tag wünscht sie sich ein wenig mehr den Mut den sie bräuchte, um endlich den ersten Schritt zu tun auf ihrem ganz persönlichen Weg zur Perfektion und damit weg von hier.

Und wie jeden Tag ist es auch jetzt noch nicht genug, damit sie wirklich geht.

Leise öffnet Kazumi die Haustüre und betritt vorsichtig das Haus.
Erleichtert atmet sie aus, als sie niemanden sieht, doch diese Erleichterung hält nicht lang.
"Kazumi!"
Die laute Stimme ihres Vaters aus dem Wohnzimmer klingt zornig und sofort zuckt das Mädchen zusammen.
Ihr Herz pocht schnell in ihrer Brust und ihre Nervosität schnürt ihr die Kehle zu. Am liebsten würde sie wegrennen, doch ihre Beine gehorchen ihr nicht.
Auch nicht, als ihr Vater in der offenen Wohnzimmertür erscheint, ein wütendes Funkeln in den vom Alkohol glasigen Augen, der Kopf bereits rot vor Zorn.
"Wo zum Teufel warst du!?", brüllt er laut.
Langsam öffnet Kazumi ihren Mund, schließt ihn jedoch ohne etwas zu sagen. Sie bekommt keinen Ton heraus, nicht einmal eine Entschuldigung schafft sie über ihre Lippen zu bringen.
Wütend stampft ihr Vater näher, baut sich bedrohlich vor ihr auf wobei er leicht schwankt. Der beißende Geruch seines Lieblingsgetränks sorgt sofort dafür, dass dem Mädchen übel wird.
"Verdammt, Kazumi! Ich habe dich was gefragt! Bist du schwerhörig oder einfach nur dämlich?"
"I-ich... Es...", stammelt Kazumi leise, unfähig einen ganzen Satz zu formulieren.
"Ich habe dir verboten draußen herum zu laufen!", schimpft er weiter und packt das Mädchen fest am Arm.
Kurz keucht Kazumi erschrocken auf, bevor sie vor Schmerz das Gesicht verzieht. Ohne seine Tochter zu beachten zieht er sie hinter sich her die Treppen hinauf, reißt sie grob nach oben, als sie stolpert.
"P-Papa... Du tust mir weh.", haucht sie leise.
Der Mann hört sie nicht oder will sie nicht hören. Da ist sich Kazumi nicht ganz sicher und ihr bleibt auch keine Zeit darüber nachzudenken, da ihr Vater sie in ihr Zimmer stößt. Das Mädchen stolpert, stützt sich mit ihren Armen an der Bettkante auf, um nicht hin zu fallen.
"Hier bleibst du. Wage es nicht dich jemals wieder raus zu schleichen.", lässt ihr Vater sie wissen und Kazumi richtet sich auf, als er aus dem Raum geht.
Obwohl ihr Arm schmerzt, ihr Herz vor Angst rast und ihr noch immer übel ist folgt sie ihm eilig zur Tür. Bevor er sie schließen kann lehnt sie sich dagegen, hält sie so offen.
"Papa! Jetzt warte doch! Ich... es tut mir leid. Ich-"

Ein lautes Klatschen und brennender Schmerz auf ihrer Wange lässt Kazumi verstummen und einen Schritt zurück stolpern. Mit großen Augen begegnet sie dem wutentbrannten Blick ihres Vaters, der noch immer mit erhobener Hand vor ihr steht. Kurz scheint so etwas wie Reue in die Augen des Mannes zu treten bevor sie kalt und undurchschaubar werden. Ohne ein weiteres Wort legt er seine Hand an die Türklinke und schließt die Türe. Ein leises Klicken ist zu hören, als sich der Schlüssel von außen im Schloss dreht.

Doch Kazumi nimmt das nur am Rande war. Zitternd wandert ihre Hand an ihre Wange, streicht vorsichtig über die gerötete Haut, während Tränen ihr die Sicht trüben.

Noch nie zuvor hat er sie geschlagen.
Was ist nur aus ihm geworden?

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now