Kapitel 6

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"Courtney, wach auf! Hey, es ist alles gut! Wach auf!"
Ich reiße die Augen auf und merke augenblicklich wie verschwitzt ich bin, bevor ich Gus wahrnehme. Nicht schon wieder...
"Court, beruhige dich, es ist alles okay. Du musst ganz ruhig atmen, hörst du?"
Ich versuche mich auf Augustus, der mit sehr verwuschelten Locken auf meinem Bett sitzt, zu konzentrieren. Er hält meine zitternden Hände fest und ist unglaublich ruhig, obwohl ich bis vor ein paar Sekunden wahrscheinlich noch das ganze Zimmer zusammen geschrien habe.
"Gus, es... es tut mir leid... Ich wollte nicht, dass... dass du das jemals sehen beziehungsweise hören musst..."
Er lächelt. Er lächelt wirklich.
"Court, beruhige dich, es ist alles gut. Du musst dich für rein gar nichts entschuldigen."
Vorsichtig nimmt er mich in den Arm, sodass ich mich erstmal ein wenig beruhigen kann.
"Willst du mir erzählen, was das war?"
Ich schüttele den Kopf.
"Nein Gus, ich kann das nicht. Noch nicht. Dafür kenne ich dich einfach noch zu wenig... Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertrauen würde, es ist nur, dass ich nicht will, dass du... dass du das jetzt schon von mir erfährst..."
Er nickt.
"Natürlich, das verstehe ich...  Aber du musst wissen, dass du immer mit mir reden kannst, in Ordnung?"
Ich nicke und schiebe ihn dann ein Stückchen zurück.
"Danke, dass du mich geweckt hast..."
"Das musste ich, ich dachte, du würdest gleich sterben oder so."
Ich klemme mir die Haare hinter die Ohren.
"Ich glaube nicht, dass ich noch schlafen kann. Ich gehe ein wenig an die Luft. Außerdem ist es gleich fünf und ich sehe die Sonne so gern aufgehen."
Augustus sieht aus, als wolle er mir etwas sagen, schließt den Mund dann aber wieder und lässt mich ins Bad.

Die kühle Luft, die mir augenblicklich ins Gesicht schlägt, tut unglaublich gut und hilft mir dabei, den Kopf frei zu bekommen. Ich könnte Gus nichts davon erzählen, er würde sonst alles anzweifeln, was ich mir gerade aufzubauen versuche. Ich habe die Augen geschlossen. Nein, es würde keine Kontrolle über mich haben. Nicht noch einmal. Ich balle die Hände zu Fäusten und verbanne all diese Gedanken aus meinem Kopf. Dann sehe ich den Sonnenstrahlen zu, die sich langsam über Los Angeles ausbreiten. Ich würde mein jetziges Leben nicht von der Vergangenheit kaputt machen lassen. Das ist mein Weg und niemand würde ihn mir versperren. Nichts und niemand.

Als ich den Saal zum Frühstück betrete, ist Gus wieder die erste Person, die an meiner Seite steht. "Geht es dir besser?"
Er spricht so leise und sanft zugleich, dass ich einfach nur lächeln kann.
"Ja, viel besser. Aber jetzt habe ich Hunger. Komm, lass uns zum Buffet gehen."
Er lächelt genauso und als wir uns mit beladenen Tellern zu den anderen an den Tisch setzen, spüre ich Erichs Blick auf mir. Ich brauche ihn nur einmal anzusehen, schon weiß ich, wie angespannt er ist. Unser Chef versucht mich anzulächeln, aber es misslingt ihm total. Ich seufze.
"Erich, es wird alles gut werden. Was kann groß passieren?"
An Augustus' Reaktion merke ich sofort, dass ich das nicht hätte fragen dürfen, aber zu der Überraschung von uns allen, lächelt unser Chef plötzlich.
"Du hast recht. Natürlich ist das alles beschissen, aber so schlecht stehen unsere Chancen gar nicht."
Gus atmet wieder aus und macht sich über sein Frühstück her, während Cindy mich ansieht, als hätte ich einen riesigen Pickel direkt auf meiner Nase. Ich ignoriere sie und wende mich an Ivana, die mich gerade nach meiner Nacht gefragt hat. Ich lüge perfekt und auch Gus bleibt still.
"Nach dem Frühstück solltest du mit zu mir ins Zimmer kommen, dann können wir uns umziehen. Du hast doch an die Klamotten gedacht, nicht wahr?"
Ich nicke und frage mich insgeheim, warum sie jetzt so persönlich zu mir ist. Je näher das Ende des Frühstücks rückt, desto angespannter wird die Stimmung am Tisch. Es kommt sogar so weit, dass Erich sich nach einer Weile entschuldigt und geht. Cindy schmachtet ihm so offensichtlich hinterher, dass Gus ein gespieltes, kaum hörbares Würggeräusch von sich gibt und Ivana sich das Lachen verkneifen muss.

Ich bin gerade in unserem Zimmer gewesen, um mein Kleid zu holen, als ich fast in Erich hinein laufe.
"Sorry Court, ich bin nicht ganz bei mir..."
Er sieht blass aus und ich kann mir kaum vorstellen, dass er tatsächlich so nervös ist, immerhin ist das nicht das erste Mal, dass er sich mit irgendwelchen Leuten anlegen muss.
"Ist schon gut, aber bitte versuch dich zu beruhigen, hörst du? Meine Mum hat immer gesagt, dass man Angst haben, aber sie nicht vor dem Feind zeigen darf. Das macht sie nur stärker."
Erich lächelt ein bisschen.
"Ich versuche mich daran zu erinnern. Danke."
Er wirft einen Blick auf mein Kleid.
"Du siehst bestimmt toll darin aus."
Meine Wangen röten sich ein wenig.
"Danke dir. Ich sollte mal zu Ivana, damit sie mir damit hilft."
Mein Chef legt mir kurz eine Hand auf die Schulter.
"Ich bin echt froh, dass du dabei bist, Courtney. Ich weiß nicht warum, aber ich bin froh darüber."
Mit diesen Worten lässt er mich stehen und geht den Gang hinunter.

"Erich ist unberechenbar. Wie eine Frau in ihrer Periode. Er scheint zwar in solchen Situationen sehr gruselig, aber bellende Hunde beißen nicht. Selbst er nicht. Von daher mach dir keine Sorgen, wenn er nachher eine komplett andere Seite von sich zeigt." Ich lächle und bin immer noch ein wenig irritiert darüber, dass Ivana auf einmal so die Nähe zu mir sucht. "Gus hat mich schon gewarnt, aber er meinte, ich solle mich auch nicht scheuen, ihm die Meinung zu geigen." "Da hat er recht. Ach Augustus. Er ist so eine gute Seele und hat schon so viel durch in seinem Alter."
Ich hebe den Kopf.
"Wieso? Gut, es geht mich nichts an, aber was ist denn mit ihm? Er wirkt so unschuldig."
Ivana seufzt.
"Er ist auch unschuldig, aber seine Eltern verlangen immer noch so wahnsinnig viel von ihm. Sie-"
Weiter kommt sie nicht, denn es klopft an der Tür.
"Seid ihr fertig, Ladies? Ich glaube, dass Erich gleich durchdreht."
"Wir kommen gleich, versuch ihn noch ein wenig abzulenken!"
Ivana bittet mich, ihr Kleid zu schließen, dann sieht sie ernst aus. "Versuch so viel Prinzessin wie nur möglich von dir zu geben, wie du kannst. Umso ruhiger ist Erich dann, wenn etwas nicht seinen Vorstellungen entspricht."
Ich nicke und sehe mich noch ein letztes Mal im Spiegel an, bevor wir den Raum verlassen.

Gus wirft mir immer wieder einen Blick zu, während Erich im Raum auf und ab geht. Jeremy Lennard ist noch nicht aufgetaucht und irgendwie macht mir mein Chef ein wenig Angst. Keiner von uns dreien sagt was zu ihm. Ivanas Gesicht ist wie versteinert und Augustus sieht in seinem Anzug so sexy aus, wie ein englischer Privatschüler, um das jetzt mal so zu formulieren. Ich schaue wieder zu Erich und als sich die Tür öffnet, habe ich schon Angst, dass er an die Decke geht. Ein junger Mann, den man so oder so als Nerd abgestempelt hätte, betritt den Raum.
Er wirft uns einen Blick zu und ich merke, dass er mich förmlich scannt.
"Pünktlichkeit ist ein Fremdwort für dich, kann das sein, Lennard?"
Ich bemühe mich, keinerlei Gefühle zu zeigen, aber Erich so sprechen zu hören, ist leicht beängstigend. Gus sieht mich aus dem Augenwinkel an, tastet nach meiner Hand und drückt sie kurz.
"Manche Menschen müssen mit anderen Mitteln anreisen. Es haben nicht alle ein Privatjet, um den Stau zu vermeiden, Blunt."
Die Spannung in der Luft ist schon fast greifbar. Wir drei stehen mit David hinter Erich und irgendwie fühle ich mich leicht unwohl. Mir ist klar gewesen, dass es heftig werden könnte, aber dass es jetzt tatsächlich so kommt, finde ich schon eine Spur zu hart.

Beide streiten sich seit gefühlten zwei Stunden über Rechte und angebliche zustehende Marktanteile. Ihr Umgangston ist nicht wirklich brillant und Augustus wirft mir immer wieder einen Blick zu. Er scheint ganz genau zu wissen, dass das alles nicht unbedingt einfach für mich ist. Als Erich plötzlich aufspringt und seinen ehemaligen Geschäftspartner an der Jacke packt, zucke ich so heftig zusammen, dass sich dessen Blick auf mich richtet.
"Du bist schon so weit unten, dass du dir ein weiteres Mäuschen suchen musstest, um dein riesiges Ego zu befriedigen. Wetten, sie befriedigt dich genauso und lutscht jede Nacht an deinem viel zu kleinen Schwanz herum?"
"Jeremy, das reicht jetzt, Mann!"
Gus so wütend zu sehen, hätte ich auch niemals erwartet.
"Rammt euch von mir aus die Köpfe ein, aber lasst uns und vor allem Courtney da raus, klar?"
Erich kommt ganz dicht an Jeremys Gesicht.
"Ich werde dich vor Gericht bringen. Ich werde dafür sorgen, dass du ins Grab kommst, das ich vorher persönlich für dich gegraben hat, Lennard..."
"Mein Gott, ihr seid schlimmer als im Kindergarten!"
David und Ivana starren mich an, Gus verkneift sich das Lachen. Mir reicht es. Sie benehmen sich beide unglaublich kindisch. Erich atmet tief durch, lässt Jeremy los, geht ohne ein Wort an uns vorbei und verlässt den Raum.
"Findet du nicht auch, dass es hier unglaublich nach Testosteron stinkt?"
Jetzt muss auch Ivana lachen.

So Cookies, da bin ich wieder mit meinem Lieblingstrio ❤
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen :)
Wie wird es weitergehen? Was glaubt ihr? Was hat es mit Courts Verhalten am Anfang des Kapitels auf sich und wie wird sich die Beziehung zwischen dem Trio entwickeln?
Ich freue mich auf eure Vermutungen ;)
Read you next time ;*
Momofelton ❤

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