Epilog

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„Meine Güte, du bist wirklich schlimmer als meine Mum! Erich, wenn ich etwas vergesse, kannst du es mir nachschicken oder mitbringen, immerhin kommst du mich ja besuchen!"
Kopf schüttelnd trage ich den letzten Karton die Treppe hinunter und stelle ihn in das neue Auto meines Freundes.
Bitte fragt mich nicht, was es für eins ist, ich kenne mich damit überhaupt nicht aus.
Mittlerweile haben wir Ende August.
Was ich die ganze Zeit getrieben hätte, seitdem ich aus dem Koma aufgewacht bin?
Vier Monate lang hatte ich eine Reha absolviert, da ich so gut wie alles wieder neu habe lernen müssen. Die letzten zwei Monate habe ich allerdings noch bei Erich, Iva und Jasper in der Firma verbracht.
Erich hatte ein sehr gutes Auge, als er Jasper einstellte, der Junge ist wirklich phänomenal! Ein atemberaubend heller Stern am IT-Himmel! Und zu allem Überfluss ist er auch noch unglaublich bodenständig und nett! Außerdem ist er genauso literaturbegeistert wie ich!
Nein, jetzt denkt bloß nicht, dass ich etwas von ihm will, er hat eine wirklich wundervolle Freundin.
Ich habe Erich und kann mir keinen besseren Freund vorstellen.
In den letzten Monaten ist er mir eine unglaubliche Stütze gewesen und ich konnte mich immer jederzeit auf ihn verlassen.
Ich muss zugeben, ich habe auch die Zeit in der Firma genossen, zumal es vorerst das letzte Mal gewesen war.
Denn trotz der ganzen Schwierigkeiten, die ich seit einem knappen Jahr gehabt habe, bin ich an der Columbia University angenommen worden! Sogar mit einem Stipendium! Aus diesem Grund habe ich auch einige Kartons nach unten getragen. Heute würde ich nach New York ziehen!
Erich hatte mir zwar eine Wohnung besorgen wollen, doch ich habe dankend abgelehnt. Lieber wohne ich im Wohnheim und habe das Gefühl, wieder ein normales Leben zu führen. Ein Leben, das genauso normal sein würde, wie vor der Geschichte in Oxford.
„Ich weiß, dass ich dir das problemlos hinterherschicken kann, aber es ist mir lieber, wenn du alles Wichtige hast."
Mein Freund kommt zu mir und küsst mich sanft. Ich bin mittlerweile nichts Anderes mehr von ihm gewöhnt, doch ich kann es verstehen, schließlich wäre ich beinah gestorben.
„Das ist sehr löblich von dir, dass du dich so um mich sorgst, aber es geht nicht die Welt unter, wenn ich etwas vergessen haben sollte, okay? Ich bin ein großes Mädchen und kann mir zur Not auch etwas einfallen lassen."
Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und grinse ihn an.
„Ich weiß, ich mache mir zu viele Sorgen. Aber meine Freundin zieht halt nicht alle Tage nach New York."
Ich küsse ihn noch einmal kurz und schaue dann auf mein Handy.
„Apropos, wir sollten langsam los. Auch wenn wir in deinem Jet hinfliegen, möchte ich trotzdem pünktlich da sein. Du weißt nicht, wie der Verkehr in der Innenstadt sein wird und ich habe echt keine Lust zu spät zu kommen."
Sein Blick verrät mir, dass sich Erich einen Kommentar verkneifen muss, aber er hält brav die Klappe und setzt sich dann neben mich ans Steuer.

„Und? Wie fühlst du dich?", fragt Ivana, kaum bin ich aus dem Wagen meines Freundes gestiegen.
Sie und Jasper sind so nett, um uns dabei zu helfen, alles Nötige in den Jet zu laden.
„Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich kein bisschen aufgeregt bin. Aber gleichzeitig freue ich mich unheimlich darauf!"
Meine beste Freundin umarmt mich und danach kommt auch Jasper auf mich zu. Seine Haare sind dieses Mal regenbogenfarben gemacht worden und ich muss sagen, es steht ihm unglaublich gut. Seine blauen Augen strahlen, als er mich sieht und er umarmt mich fest.
„Unsere kleine Studentin zieht heute tatsächlich nach New York und studiert dann an der Columbia University. Auf den Spuren von Allen Ginsberg, Lucien Carr und Co! Ich bin begeistert und zugegeben auch etwas neidisch. Immerhin gehst du auf die Uni, auf der die Beats ihren Ursprung hatten!"
„Ich will eure wissenschaftliche Diskussion nun wirklich nicht unterbrechen, aber mal davon abgesehen, dass ich kein bisschen davon verstehe, müssen wir jetzt nun echt langsam los", meint Erich und somit fangen wir an, alle Kartons im Jet zu verstauen. Die großen Dinge wie Schrank und Bett würde Erich weiterverkaufen, da ich das alles im Wohnheim haben würde.

„Du wirst uns furchtbar fehlen, das weißt du doch hoffentlich, oder?", sagt Ivana und umarmt mich zum dritten Mal.
So viele Emotionen bin ich von ihr überhaupt nicht gewohnt.
„Mach dir bitte keine Sorgen, ich bekomme das schon alles hin. Das ist schließlich nicht mein erstes Mal. Außerdem habe ich schon Schlimmeres überstanden, als einen Umzug und einen Neuanfang an der Uni. Das wird alles gut gehen, das verspreche ich dir. Ich rufe dich an, sobald ich eingezogen bin, das schwöre ich."
Ein letztes Mal umarmt sie mich, bevor sie loslässt und ich mich noch einmal Jasper zuwenden kann.
„Du hast bitte ein Auge auf diese Chaoten, solange ich weg bin, klar? Ich möchte über alle besonderen Vorkommnisse informiert werden, hast du das verstanden?"
Mein Kollege nickt lachend.
„Natürlich, das wird gemacht. Obwohl ich auf Erich ja kein Auge haben muss, schließlich wird er trotzdem eine sehr lange Zeit bei dir verbringen. Es passiert ja nicht alle Tage, dass APPLSN expandiert, nicht wahr? Ich meine, eine eigene Niederlassung in New York City? Das ist Wahnsinn! Riesiger, unfassbarer Wahnsinn!"
„Was du nicht sagst. Ich glaube, keiner von uns hätte auch nur ansatzweise damit gerechnet, dass die Firma jemals in eine andere Stadt ziehen würde."
Jasper nimmt mich in den Arm.
„Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um dich. Du schaukelst das alles sicherlich mit Perfektion. Keine Angst, ich werde aufpassen, dass dir Iva nicht allzu oft schreibt und wissen will, wie du dich machst. Zieh dein Ding einfach durch, der Rest kommt dann von selbst. Weißt du, wir kennen uns erst seit circa zwei Monaten, aber ich bin echt froh darüber, dass ich deine Bekanntschaft machen durfte. Denk daran, auch wenn der Anfang schwer werden könnte, du findest einen Weg, das hast du bis jetzt immer getan. Ich denke nicht, dass ich dir sagen muss, dass ich unfassbar stolz auf dich bin. Denn das bin ich wirklich, mehr als nur stolz. Klingt das sehr seltsam, wenn ich dir das sage? Gott, das ist bestimmt richtig weird!"
Ich nehme Jasper nur noch fester in den Arm, damit sein Redeschwall endlich aufhört und küsse ihn dann auf die Wange.
„Denk bitte auch manchmal an mich, wenn du Allen Ginsberg liest, okay?"
„Natürlich Courtney, das steht außer Frage."
Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter und drehe mich mit strahlenden Augen zu meinem Freund um.
„Wir sollten langsam los, Court. Ich denke nicht, dass du zu spät kommen möchtest, oder?"

Dark Secrets ✅Where stories live. Discover now