Kapitel 29

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Ich weiß nicht, wann ich dieses Geräusch das letzte Mal gehört habe. Als ich noch in Los Angeles gelebt habe, gab es Schnee nicht oft und in England hat es eher geregnet. Kennt ihr das? Dieses Geräusch, wenn der Schnee unter euren Fußsohlen knirscht? Manche Leute mögen das nicht, aber ich liebe es. Mit einem warmen Becher Kaffee in der Hand überquere ich die letzte Straße und betrete einen Moment später die Firma. Ich muss die letzten Vorbereitungen treffen und die letzten Kontrollen durchführen, bevor ich mir sicher sein kann, dass morgen bei der Weihnachtsfeier nichts schief geht. Erich verlässt sich auf mich. Apropos, ihm geht es soweit gut. Dass Warren Daniels zugestimmt hat, ihn bei dem Fall zu verteidigen, hat seine Laune wieder deutlich gehoben. Er ist nicht mehr ganz so angespannt und kann sich wieder mehr auf seine Arbeit konzentrieren. "Courtney, da bist du ja, ich hatte schon Angst, dass die Bahn aufgrund des Schnees ausgefallen sein könnte. Komm, dir muss doch kalt sein!" Ivana, die inzwischen meine beste Freundin geworden ist und mir in der letzten Zeit oft zur Seite gestanden hat, kommt lächelnd auf mich zu und umarmt mich.
"Und? Was steht heute auf dem Plan? Was fehlt noch?"
Ich denke für einen Moment nach.
"Ich muss nochmal klären, ob wegen dem Nachtisch morgen alles funktioniert, ich meine, so viele weihnachtliche Cupcakes lassen sich nicht einfach herzaubern."
Ivana legt den Kopf schief.
"Denkst du nicht, dass du ein wenig übertreibst, Schätzchen? Du hast doch alles schon doppelt und dreifach kontrolliert."
Ich seufze und hole mein Handy aus meiner Manteltasche, damit ich gleich anrufen kann.
"Erich zählt auf mich, Ivana. Ich kann ihn nicht hängen lassen."
"Ach Court, du hast die letzten Wochen nur gearbeitet. Erich hat mir erzählt, dass du selbst arbeitest, wenn du bei ihm bist. Du hast alles so gut gemacht und hast dir von sämtlichen Firmen ihr Ehrenwort geben lassen."
Sie nimmt mir das Handy aus der Hand.
"Jetzt geh zu ihm, er ist in seinem Büro. Ich weiß ja nicht, wie du das siehst und ich möchte die momentan positive Stimmung nicht kaputt machen, aber du weißt, dass jeder gute Tag der vorerst letzte Gute sein kann. Sobald der Prozess anfängt, wird dich das einige Nerven kosten und ihn erst recht. Also bitte genieße das noch ein bisschen."
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich weiß ja, dass sie recht hat, aber es gibt noch so viel zu erledigen...
"Courtney bitte, euch bleibt nicht mehr viel Zeit. Geh zu ihm, er wird das brauchen. Wirklich."
Ich kneife die Augen zusammen und gebe ihr mein Handy.
"In Ordnung, ich halte mich eine Weile davon fern. Aber nach dem Mittagessen gibst du es mir bitte wieder."
Sie nickt und umarmt mich.
"Du triffst eine sehr gute Entscheidung, Kleines. Er wird sich freuen. Jetzt geh endlich."
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen gehe ich den langen Flur hinunter, um meinen Freund zu sehen.

Als ich an seine Tür klopfe, warte ich nicht auf eine Antwort und gehe hinein. Der Anblick ist mir nur zu gut bekannt: Erich zwischen ganz vielen Papieren. Es ist einfach immer wieder amüsant anzusehen. Er ist so in einen seiner Pläne vertieft, dass er mich gar nicht bemerkt. Erst als ich hinter ihn trete und ihn umarme, sieht er lächelnd auf.
"Na welch seltener Gast kommt mich denn da besuchen? Ohne Handy am Ohr? Ich bin begeistert!"
Erich dreht sich in seinem Stuhl zu mir um und grinst mit erhobener Augenbraue. Ich sehe nur betreten zu Boden. Ivana hatte recht. Ich habe wirklich sehr viel gearbeitet und es noch nicht einmal bemerkt.
"Hör zu, es tut mir wirklich leid. Ich habe dich in letzter Zeit sehr vernachlässigt. Das auch noch in so schwierigen Wochen."
Mein Freund legt mir die Finger unters Kinn und hebt es an.
"Court, es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen, es ist wirklich alles okay. Ich hätte dich nicht mit dieser Aufgabe konfrontiert, wenn ich dir nicht vertrauen würde. Ich weiß doch, dass du eine kleine Perfektionistin bist, mein Engel. Die Feier ist morgen und es wird alles toll werden, dessen bin ich mir sicher."
Ich muss lächeln und beuge mich für einen federleichten Kuss zu ihm herunter, den er auch sanft erwidert.
"Hast du jetzt ein bisschen Zeit oder drängt dieser Plan sehr?"
Erich sieht mich an und mir ist klar, dass er versucht, etwas in meinem Gesicht zu finden. Etwas, das auf meine jetzige Stimmung hinweisen könnte.
"Kommt drauf an, was hast du denn vor?" Ich ziehe ihn an der Hand nach oben und schlinge meine Arme um seinen Nacken.
"Ich dachte, wir könnten ein bisschen rausgehen. In den Park oder so."
Er sah an mir vorbei aus dem Fenster. "Das ist vielleicht keine schlechte Idee, es schneit immerhin gerade nicht. Es wird dein erstes Weihnachten in San Francisco sein, ich könnte dir ein wenig was zeigen, wenn du das willst."
Wieder küsse ich ihn vorsichtig.
"Das wäre unglaublich toll. Los, lass uns gehen."
Erich öffnet mir die Tür und nimmt unsere Jacken, die er mir dann auch anzuziehen hilft. Ich lächle ihn nur an und ziehe ihn an der Hand mit auf den Flur, wo er mich erst einmal unter seinem Arm dreht. Ivana kommt an uns vorbei und beobachtet die Szene. Vermutlich will sie gerade zur Entwicklungsabteilung. Als sie an mir vorbeigeht, höre ich nur ein leises "Habe ich doch gesagt", bis sie um die Ecke verschwindet.
"Nun komm schon, ich will raus!", rufe ich und renne lachend vor meinem Freund davon. Doch natürlich bin ich tollpatschig und stolpere über meine eigenen Füße und lande auf dem Boden. Naja, fast jedenfalls. Denn ehe ich mich versehe, finde ich mich in den Armen von Gus wieder, der mich gekonnt aufgefangen hat.
"Verdammt Courtney, geht's dir gut? Nicht, dass du dir noch etwas brichst!"
Für einen Moment bin ich wie erstarrt und sehe zu meinem Ex hoch, der mich besorgt und gleichzeitig erschrocken mustert. Diese Wangenknochen... Ich hatte schon fast vergessen wie definiert sie sind. Diese braunen Augen, die im kompletten Kontrast zu denen von Erich stehen. Komisch, in den letzten Wochen hat Augustus mich immer nur wie Luft behandelt und wenn er dann mal mit mir geredet hat, ist er distanziert gewesen. Jetzt studiert er mein Gesicht. Klar, kann vielleicht auch daran liegen, dass ich ihm gerade mitten in die Arme gefallen bin und trotzdem wundert mich etwas. Seine Augen sind wieder von dieser Wärme erfüllt, wenn er mich ansieht. Da ist nicht dieses Kalte, was ihn in letzter Zeit in meiner Gegenwart umgeben hat. Dieses kleine Lächeln, das nun seine ernste Miene ersetzt hat, habe ich lange nicht mehr gesehen. Gus zieht mich leicht nach oben und erst als Erich an meiner Seite erscheint, lässt er meine Hand los. Kaum zu glauben, dass nur ein paar Sekunden vergangen sind.
"Baby, du musst ein bisschen auf dich aufpassen, meine Güte!"
An seinem Ton merke ich, dass er es trotzdem amüsant gefunden hat. "Danke", sage ich schnell und trete einen Schritt zurück, damit ich der Nähe von Gus entkomme. Nun, da Erich neben mir steht und den Arm um mich gelegt hat, sind seine Gesichtszüge wieder deutlich angespannter. Seine Hände verschwinden in den Taschen seiner Jeans, sodass mir seine Armmuskeln noch ein bisschen mehr auffallen.
"Tja, ich glaube, ich muss jetzt weiter. Schön, dass ihr mal wieder ein wenig Zeit miteinander verbringt. Habe ich lange nicht mehr beobachten dürfen."
Gott, ich habe nicht gewusst, dass er so ein schlechter Lügner ist. Bevor einer von uns jedoch antworten kann, geht Augustus Jackson den Gang hinunter. Kalt und mysteriös. Wie so oft in letzter Zeit. 

"Weißt du, ich würde es ja eigentlich nie zugeben, aber ich habe dich vermisst, Süße. Ich habe das hier vermisst."
Bei diesen Worten drückt Erich meine Hand und ich muss lächeln. Wir laufen die Hauptstraße entlang. Auch wenn es noch nicht dunkel genug ist, um die ganzen Lichterketten einzuschalten, merkt man dennoch, dass Weihnachten nah ist.
"Ich habe das auch vermisst, Erich. Wenn die Weihnachtsfeier morgen vorbei ist, werde ich so viel Zeit für dich haben wie du willst."
"Wenn danach noch Zeit bleibt, ja."
Ich will was sagen, doch weiß nicht was. Wir beide kennen den Grund.
"Courtney, ich weiß, dass viel vor uns liegt. Aber ich möchte nicht, dass du jemals vergisst, dass ich dich liebe, okay? Niemals."
Dann nimmt er meine Hände in seine und küsst sie.
Dies ist wieder einer dieser Momente, in denen ich alles um mich herum vergesse. Nur Erich ist bei mir und ich kann spüren, dass alles gut werden wird. Wir werden das alles schaffen und ich werde nicht von seiner Seite weichen. Wisst ihr, er hat mir in der kurzen Zeit gezeigt, wie sich Liebe anfühlt. Wirkliche Liebe, meine ich. Immer wieder macht mein Herz einen Sprung, wenn er lacht. Ich möchte innerlich explodieren, wenn er dieses süße Lächeln auf seinen Lippen hat. Jeder Kuss, den er mir schenkt, lässt mich spüren, dass ich am Leben bin. Dieser Mann liebt mich mit all meinen Fehlern, mit allem, was ich in meiner Vergangenheit habe durchmachen müssen. Jedes kleine bisschen, das ich mit ihm verbringen kann, erinnert mich daran, dass ein Zuhause nicht immer aus vier Wänden besteht, sondern es sich dabei, wie in meinem Fall, auch einfach um einen einzigen Menschen handeln kann. Jede kleine Berührung sorgt für Schmetterlinge in meinem Bauch. Und jetzt, wie er hier so vor mir steht, schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und küsse ihn zärtlich.
"Ich liebe dich, Erich." 

COOKIES! ♥️♥️♥️
ICH LEBE NOCH!
Es tut mir so leid, dass über Monate nichts kam, aber momentan ist einfach so viel los!
Abi, mein Freund, ich selbst, meine Zukunft. Das Schreiben kam einfach zu kurz, aber ich hoffe, dass ihr das versteht und trotzdem hinter mir bleibt :(
Naja, ich hoffe, dass es euch gefallen hat. Lasst doch bitte ein Feedback da :)
Read you next time ;*
Momofelton ♥️♥️♥️

Dark Secrets ✅Where stories live. Discover now