Kapitel 16

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~Erich~
Noch immer halte ich Court in meinen Armen. Alles um mich herum scheint langsamer zu verlaufen als gewöhnlich. Was um Himmels Willen ist bei mir nicht in Ordnung? Die Mutter meines Kindes und mein Kind selbst sind brutal ermordet worden und was ist mit mir? Ich habe ein Herz, das in ihrer Gegenwart viel zu schnell schlägt. Ein Herz, das sich bei dem Gedanken an sie und Gus schmerzhaft zusammenzieht. Und trotzdem hat sie mir all das anvertraut. Ihre Geschichte, ihre wirklich schreckliche Geschichte. Sollte mir dieser Timothy Williams eines Tages über den Weg laufen, wird er sich wünschen, er wäre nie geboren worden. Kaum verschwende ich einen Gedanken an diesen Typen, balle ich automatisch meine Fäuste, was sie natürlich bemerkt. Meine Assistentin löst sich von mir, richtet sich wieder auf und wendet sich nun ihrem Freund zu, der sie sofort genauso fest in den Arm nimmt, wie ich es getan habe. Um ehrlich zu sein, bewundere ich sie so sehr. Habe ich vorher schon, aber nun hat sich das noch einmal gesteigert. Die Art und Weise wie sie ihre Geschichte erzählt hat... In diesem Moment habe ich verstanden, dass es in der schlimmen Vergangenheit eines Menschen nicht darum ging, bemitleidet zu werden, sondern als der Mensch akzeptiert, wenn nicht sogar geliebt zu werden, der man aufgrund seiner Vergangenheit geworden ist. Ich muss zugeben, dass ich es von diesem Standpunkt aus leichter betrachten kann. Vielleicht wird diese Wunde, die mir mit Cindys Tod zugefügt worden ist, irgendwann heilen und eine Narbe hinterlassen, mit der es sich gut leben lässt. Schließlich hat Courtney das auch geschafft und sie hat eine durchaus schlimmere Vergangenheit, als ich sie jemals gehabt habe. Ich sehe sie an und mir wird in diesem einen Moment klar, dass ich sie immer beschützen werde, egal was ich dafür aufbringen müsste.

Ich ziehe meine Freunde in meine Arme, als es Zeit für sie wird zu gehen. Courtney halte ich eng bei mir, ziehe den Duft ihres Shampoos ein und versuche mir zu sagen, dass bald alles wieder gut werden wird. Sie lächelt mich an und berührt meine Wange noch kurz mit ihren Fingerspitzen, bevor sie die Hand meines besten Freundes nimmt, mir eine gute Nacht wünscht und mit ihm geht. Schließlich ist nur noch Ivana da und lehnt an der Wand.
"Du hast das ja alles besser aufgenommen, als ich erwartet habe."
Ich seufze.
"Dachtest du wirklich, dass ich auf den Tod meines eigenen Kindes milder reagieren würde?"
Sie schüttelt den Kopf und kommt einen Schritt näher.
"Ich meine nicht die Sache mit deinem Kind, Erich. Ich meine die Sache zwischen ihr und Gus. Wieso bist du nicht dabei, alles um dich herum kaputt zu schlagen? Das tust doch sonst immer recht schnell."
Ich schließe die Augen und atme tief durch. Sie hat ja recht, aber nicht dieses Mal. Dieses Mal wird alles anders. Dieses Mal lasse ich Court die Zeit, um sich zu entscheiden. Wenn sie sich mit Gus wohler fühlt, dann soll sie es tun. Wenn sie allerdings merkt, wie gut wir miteinander funktionieren, dann werde ich all das nicht ablehnen.
"Du kaust schon wieder auf deiner Unterlippe herum, Schätzchen. Entspann' dich."
Wieder kommt Ivana einen kleinen Schritt näher und ich spüre ihre Hand auf meiner Brust. Spüre, wie ihre Fingerspitzen über den Stoff meines Hemdes fahren.
"Iva, bei aller Liebe, ich halte das nicht für sehr klug von dir."
Ich gehe einen Schritt zurück, doch sie folgt mir und das Verlangen in ihren Augen ist nicht zu übersehen.
"Oh Erich, als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben, hattest du auch nichts dagegen. Und die vielen weiteren Male, die wir Sex hatten, hast du auch genossen..."
Sie schnurrt mir diese Worte förmlich ins Ohr.
"Ivana, das ist über ein Jahr her. Komm schon, werd' erwachsen."
"Oh, kommen werde ich, aber keineswegs erwachsen..."
Ich halte sie an den Schultern fest, um sie von mir zu schieben.
"Ivana, jetzt mach' aber mal bitte halblang, klar? Ich möchte das, was wir uns aufgebaut haben, nicht in einer einzigen Nacht zerstören. Wir haben Sex gehabt, das ist wahr, allerdings war ich zu dieser Zeit noch schlimmer als sonst. Ich kann das nicht, Ivana. Nicht noch einmal."
Plötzlich tut meine Kollegin etwas, mit was ich keineswegs gerechnet hätte: Sie lächelt. Sie lächelt mich an wie eine stolze Mutter, deren Kind gerade gelernt hatte, ohne Stützräder Fahrrad zu fahren.
"Erich Maxwell Blunt, dass ich dich einmal in meinem Leben ernsthaft verliebt erleben würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Du scheinst Court wirklich unfassbar zu mögen. Wenn du es nicht tun würdest, wärst du jetzt hundertprozentig mit mir ins Bett gegangen."
Ich kann sie nur mit leicht geöffnetem Mund anstarren.
"Das war ein Test?!"
Ivana lacht.
"Natürlich, oder glaubst du tatsächlich, dass ich noch einmal freiwillig Sex mit dir gehabt hätte? Nichts für ungut, Schätzchen."
Autsch, der hat wirklich gesessen.
"Könntest du deine Tests zukünftig in einer anderen Art und Weise durchführen?"
"Vergiss es, sonst würden sie auf gar keinen Fall so gut funktionieren. Außerdem könnte ich mich dann nicht so köstlich über dein Gesicht amüsieren", sagt sie grinsend.
"Du bist eine schreckliche Frau, Ivana West."
"Und du bist ein Idiot, Erich Blunt. Wir sehen uns in der Firma."
Damit gibt sie mir einen Kuss auf die Wange und verlässt mein Apartment.

Als ich am Montagmorgen mein Büro betrete, bin ich irritiert von meinen aufgeräumten Ordnern und der dampfenden Tasse Kaffee, die bereits auf meinem Tisch steht. Daneben liegt ein Zettel.

Ich dachte mir, dass er dir ganz gut tun würde, wenn du mit jemandem frühstücken würdest.
Gus habe ich auch gefragt, aber er hat jetzt wohl endlich eine Idee für das Design des neuen Prototyps und du weißt wie er ist, wenn er neue Ideen hat.
Ich hole uns etwas Kleines zu essen, ich bin gleich wieder da.
C <3

Unwillkürlich beginne ich zu lächeln. Wie konnte diese junge Frau nur wissen, wenn ich sie brauchte?
Ich sehe mich in meinem Büro um, obwohl ich weiß, dass niemand hier ist und stecke mir den kleinen Zettel in die Hosentasche.
Ich will gerade anfangen, mir meine Termine für heute anzusehen, als sich die Tür öffnet und Courtney mit einer Tüte in der Hand herein kommt.
"Guten Morgen, Erich!", sagt sie fröhlich und ich nehme ihr unser Frühstück, in Form von zwei belegten Brötchen, ab.
"Court", antworte ich einfach nur und versuche mein schnell klopfendes Herz zu ignorieren.
Kaum sitzen wir auf meinem kleinen Sofa, betrachtet sie aufmerksam mein Gesicht.
"Wie geht es dir?"
Ich beiße von meinem Brötchen mit Käse ab.
"Besser als vorgestern auf jeden Fall. Nicht gut, aber besser."
Sie nickt und für ein paar Momente essen wir schweigend, bis sie plötzlich leise zu lachen beginnt.
"Was ist?", frage ich lächelnd. Mich fasziniert es, wie ein Mensch plötzlich aus dem Nichts so glücklich zu sein scheint.
"Als ich das letzte Mal mit jemandem so gefrühstückt habe, war ich noch mit Patrick auf der High School."
Als ich nur verwirrt drein blicke, wird ihr Lächeln noch breiter und wieder klopft mein Herz viel zu schnell.
"Stimmt ja, du hast Patrick ja noch nicht kennengelernt."
Dann erzählt sie mir von einem jungen Mann, dem sie auf der High School zum ersten Mal begegnet war. Sie erzählt mir von den vielen Erlebnissen mit ihm. Sie erzählt mir von dem Wochenende, als Patrick ihr sagte, dass er homosexuell sei und sie erzählt mir, wie er ihr geholfen habe, als sie sich für Oxford bewerben wollte.
Die ganze Zeit leuchten ihre Augen dabei und jedes Mal, wenn sie lacht, wird mir warm ums Herz.
Oh Mann, hör endlich auf dich in sie zu verlieben, Erich!

Tadaaa Cookies! ❤️
Dass dieses Kapitel heute schon kommt, war eigentlich nicht geplant, aber ich war wohl ganz schön schnell diesmal :)
Was sagt ihr dazu?
Ich freue mich auf euer Feedback ;)
Read you next time ;*
Momofelton ❤️

Dark Secrets ✅Where stories live. Discover now