Kapitel 39

1.3K 50 3
                                    

~Erich~

Seit dem Unfall meiner Freundin sind ganze sechs Monate vergangen.
Seit verdammten sechs Monaten liegt sie nun schon im Koma.
Die Ärzte sagen zwar, sie wäre eine Kämpferin, aber ehrlich gesagt habe ich nicht wirklich die Hoffnung, dass sie wieder wach wird.
Wie die letzten sechs Monate auch, komme ich am Nachmittag nach der Arbeit wieder ins Krankenhaus und setze mich zu meiner Freundin ans Bett, um ihr von meinem Tag zu erzählen.
Nach all der Zeit erschreckt mich ihr Anblick nicht mehr so sehr, wenn ich ehrlich bin.
Klar, es mag für jeden Außenstehenden komisch sein, wenn eine junge Frau vor dir im Krankenbett liegt und sich nicht rührt, während einige Schläuche von danebenstehenden Maschinen an ihr befestigt sind.
„Hallo Schönheit. Ich habe dir deine Lieblingsblumen mitgebracht und sie gegen die Alten deiner Eltern ausgetauscht, die waren schon verwelkt. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich."
Ich greife wie jeden Tag nach ihrer schon deutlich dünner gewordenen Hand und halte sie sanft fest.
Natürlich wird meine Freundin maschinell ernährt, aber wie ihr euch denken könnt, ist es nicht mit einer normalen Ernährung zu vergleichen.
„Ich wünschte, du hättest heute dabei sein können, Court. Ich habe dir ja erzählt, dass Ivana am Wochenende Geburtstag hatte und heute hat sie der ganzen Firma einen riesigen Kuchen mitgebracht. Du wirst es nicht glauben, aber sie ist eine wirklich begnadete Bäckerin. Du hättest es sehen müssen, Jasper hat fast eine Kuchenschlacht veranstaltet. Ich meine, der Junge ist ein Genie und eine große Bereicherung für die Firma, das steht ganz klar außer Frage, aber trotzdem benimmt er sich manchmal wie ein kleines Kind. Vermutlich ist das der Grund, weshalb er so gut in unser Kollegium passt. Heute hatte er sogar einen Gedichtband von Allen Ginsberg dabei, da musste ich sofort an dich denken. Ich bin mir sicher, Jasper und du würdet euch mehr als prächtig verstehen."
Ich erhalte keine Antwort, es ist komplette Stille. Naja, nicht ganz. Das Brummen und vereinzelte Piepen der Geräte unterbricht das belastende Schweigen im Krankenzimmer.
Sicherlich fragt ihr euch jetzt wer Jasper ist, nicht wahr?
Jasper Smith ist der Nachfolger von Gus.
Wie bitte? Wo Augustus ist und warum er nicht mehr bei APPLSN arbeitet?
Ganz einfach, der kleine Bastard ist jetzt da, wo er hingehört. Lebenslänglich hinter Gittern.
Oh Moment, ihr könnt ja unmöglich wissen, was passiert ist! Tut mir leid, da war ich wohl zu schnell und habe wichtige Dinge ausgelassen. Courtney hat mir das auch immer vorgeworfen, ich sollte diesbezüglich wohl wirklich an mir arbeiten.
Nach dem Unfall, ist mein Wagen selbstverständlich zur Kontrolle gekommen, um abzuschätzen, ob ich für diesen Schaden noch etwas von der Versicherung bekomme oder nicht. Während der gründlichen Untersuchung meines Autos ist aufgefallen, dass nicht nur die Bremsen sabotiert worden waren, sondern auch das elektrische Innenleben.
Was heißt das jetzt?
Sobald der Fahrer eine Geschwindigkeitsgrenze überschreitet, kommt das Bremssignal nicht mehr beim Wagen an und es lässt sich nichts mehr runterregeln. Zusätzlich wurden auch noch die Bremskabel durchgeschnitten, weshalb das manuelle Bremsen auch nicht mehr funktionierte.
Nachdem also herausgekommen war, dass es sich bei dem vermeidlichen Unfall um gar keinen Unfall, sondern um vorsätzlichen Mord handelte, wurde das SFPD beauftragt.
Es sollte euch nicht wundern, dass natürlich ich zuallererst erneut ins Kreuzfeuer geriet, doch nachdem Detective Mulligan ihre Kollegen davon überzeugen konnte, dass ich Court wirklich liebte und ihr nie auch nur ein einziges Haar krümmen würde, machte sich das SFPD daran, das Werkzeug der Sabotage zu finden.
Überraschenderweise gelang es ihnen auch schnell, denn sie fanden einen professionellen Drahtschneider in meiner Mülltonne.
Klar, ich weiß, was ihr jetzt denkt. Sie werden mich wieder mit zum Präsidium genommen haben.
Nein, da liegt ihr dieses Mal leider falsch.
Sie haben das Werkzeug mit ins Labor genommen und von oben bis unten analysiert.
Der Täter war wohl unfassbar ordentlich gewesen, doch eine einzige Hautschuppe hat ihn verraten.
Ihr hättet die Szene in meiner Firma sehen müssen, als mehrere Einsatzkräfte teilweise schwer bewaffnet in dem Gebäude aufgetaucht sind und meinen besten Freund gewaltsam abgeführt haben. Entschuldigt, meinen ehemaligen besten Freund meine ich natürlich.
Nun dürft ihr raten, was als Nächstes passiert ist.
Er ist an mir vorbeigegangen und meinte, dass er mir endlich das genommen habe, was ich ihm angeblich vor langer Zeit angetan hatte. Dass er mich zwar nicht für den Mord an Cindy rankriegen konnte, mir aber womöglich eine Zukunft mit Courtney zerstört hatte.
So hatte ich ihm ja angeblich auch eine Zukunft mit Cindy zerstört, als sie sich in mich verliebte und ihn dafür verlassen hatte.
Cindy ist vom ersten Tag an die Liebe seines Lebens gewesen und niemand hatte jemals von der Beziehung zwischen ihnen erfahren. Niemand. Beide haben es sich auch nicht anmerken lassen.
Bis heute ist mir nicht klar, warum er mir nicht an die Gurgel gegangen ist, nachdem er erfahren hat, dass ich ein Verhältnis mit seiner Ex hatte. Zum ersten Mal.
Doch eigentlich hätte ich wissen müssen, dass Gus durch seine Vergangenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit einen psychischen Knacks haben würde. Dass er allerdings zu einem kaltblütigen Psychopathen werden würde, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Nachdem ich mich wieder mit Cindy „vertragen" hatte, sie einstellte und ihre Wohnung nach dem Sex verließ, war Gus zu ihr gekommen, um nach ihr zu sehen. Trotz allem, was zwischen ihnen passiert war, liebte er sie noch immer und wollte sie wieder davon überzeugen, zu ihm zurückzukehren, doch als Cindy ihm offenbarte, dass sie von mir schwanger sei, ist er ausgerastet. Er ist so unfassbar ausgetickt, dass er die Liebe seines Lebens kaltblütig ermordete.
Als ich dann mit Court zusammenkam und freigesprochen wurde, hatte er beschlossen mir das zu nehmen, was ich so sehr liebte, wie Augustus Cindy geliebt hatte.
Davor war er davon ausgegangen, dass ich hinter Gitter kommen würde. Als dies nicht eintrat, hatte Gus selbst Hand anlegen müssen, um mir Courtney nehmen zu können. Er war es übrigens auch, der verraten hatte, dass ich gegen meine Auflagen verstieß.
Im Falle meiner Verurteilung hätte er als Bonus auch noch die Firma erhalten, ein weiterer Grund, um seiner Rache freien Lauf zu lassen.
Warum er allerdings mein Anwalt wurde, um mich in dieser ganzen Sache zu vertreten, das wusste ich bis heute nicht. Wahrscheinlich hatte sich seine jahrelange Schauspielerfahrung gelohnt, denn niemand, wirklich niemand hat auch nur ansatzweise damit gerechnet, dass es sich bei Gus tatsächlich um den Täter handeln würde.
Im letzten halben Jahr habe ich Augustus ein einziges Mal im Gefängnis besucht.
Glaubt mir, ich bin überhaupt nicht scharf darauf gewesen, aber meine Neugier auf das, was er mir als Erklärung vielleicht hätte sagen können, ist in diesem Moment größer gewesen.
Diese ganze Situation ist einfach nur verrückt gewesen.
Ich bin in einen Raum geführt worden, in dem schon mehrere Beamte gestanden haben. Dort wurde mir dann befohlen, dass ich warten sollte.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie unfassbar nervös ich in diesem Moment gewesen bin.
Doch die Nervosität wich schnell meiner aufkeimenden Wut, sobald Gus in den Raum gebracht worden war.
Er war überhaupt nicht mehr der gutaussehende junge Mann gewesen, dem so viele Mädchen hinterher gesehen hatten. Seine Haare waren so kurz geschoren worden, dass man bereits seine Kopfhaut durchschimmern gesehen hat, sein Gesicht zierten Narben, doch seine Augen strahlten noch immer dieselbe Kälte aus, wenn er mich ansah.
Ich hatte ihn nach dem Grund für sein Handeln gefragt, doch Gus antwortete nicht.
So verlief mein gesamter Besuch. Schweigend.
Mittlerweile habe ich nicht noch einmal daran gedacht, zu ihm zu gehen, denn es würde so oder so nichts bringen.
Ich weiß, das hört sich für euch vermutlich wenig nachvollziehbar an, aber wieso sollte ich noch nach einer Antwort auf meine Frage suchen?
Court würde noch immer im Koma liegen und eine Antwort würde weder Cindy, noch mein Kind von den Toten zurückholen.
Mein Blick fällt wieder auf meine Freundin und ich beuge mich vorsichtig zu ihr hinunter, um sie zu küssen. So wie ich es immer tue, wenn ich weiß, dass ich gleich gehen muss.
Ich habe gar nicht auf die Zeit geachtet, denn wenn ich hier bei ihr bin, dann fühlt sich mein Leben ironischerweise einmal für ein paar Momente lang normal an.
„Ich komme morgen nach der Arbeit wieder, das verspreche ich. Wenn ich es richtig verstanden habe, reisen Patrick und Ruby heute Abend an, das heißt, sie werden dich morgen im Laufe des Tages auch besuchen. Okay, dann werde ich jetzt mal los gehen, meine Hübsche. Ich liebe dich, Courtney."
Ich ziehe mir meine Jacke wieder an, denn Winter in San Francisco ist wirklich überhaupt nicht schön.
Doch als ich gerade den Raum verlassen will, fangen ihre Geräte plötzlich an unaufhörlich zu piepen.
Panisch reiße ich die Tür ihres Zimmers auf.
„Hilfe! Irgendwas stimmt mit meiner Freundin nicht! So helfen Sie ihr doch!"
Augenblicklich kommen einige Ärzte und Schwestern angerannt, während mich eine weitere Schwester aus dem Zimmer zieht. Naja, wohl eher zerren muss.
„Moment, was soll das?! Lassen Sie mich gefälligst bei ihr bleiben! Was ist los?!"
Alles, was ich in diesem Moment fühle, ist pure Angst.
Ich kann Courtney nicht verlieren, das geht nicht. Sie darf einfach nicht sterben!
Ich schwöre euch, wenn sie den Kampf verliert, dann werde ich meinem Leben kurz danach ein Ende bereiten!
Noch immer stehe ich da und versuche dem Griff der Schwester zu entkommen, der ich solch eine Kraft auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte.
„Ich muss zu ihr, bitte lassen Sie mich zu Courtney!"
Mittlerweile bin ich so frustriert und verzweifelt, dass mir die Tränen über die Wangen laufen.
Ich gebe auch nicht auf, mich befreien zu wollen, als der Arzt mit einem undefinierbaren Blick aus dem Zimmer meiner Freundin kommt.
„Lassen Sie mich los, ich muss zu Courtney!"
„Mr. Blunt, beruhigen Sie sich", fängt der Arzt an, „Ihre Freundin ist aufgewacht."

Hallo Cookies. ❤️
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schwierig es war, dieses Kapitel zu schreiben, ohne dabei selbst zu heulen.
Ich bin ehrlich, ich hatte von Anfang an geplant, dass Gus der Mörder ist.
Was sagt ihr dazu? Hätte ich jemand anderen nehmen können?
Oder könnt ihr meine Entscheidung verstehen? :)
Ich bin gerade auf Kur mit meiner Mum und meinem Bruder.
Ehrlich gesagt, sterbe ich in der Betreuungsgruppe vor Langeweile.
Ich darf noch nicht mal Wattpad nutzen. Deshalb muss ich es immer abends auf dem Zimmer nutzen.
"Dark Secrets" wird im nächsten Kapitel seinen Epilog bekommen. Aber keine Angst, ich arbeite schon an etwas komplett Neuem! ;)
Read you next time ;*
Momofelton ♥️

Dark Secrets ✅Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora