Kapitel 10

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Ich starre die beiden Cops an und bin nicht fähig zu begreifen, was mir gerade gesagt worden ist. Erich steht neben mir, legt mir den Arm um die Schulter und zieht mich an seine Brust, noch bevor ich überhaupt bemerke, dass ich weine. Cindy ist tot? Am Freitag habe ich sie noch im Arm gehalten und jetzt? Jetzt ist sie... Nein, ich kann es nicht nochmal denken. Erich zieht mich noch mehr an sich, sodass ich das leichte Schluchzen seinerseits spüre, während ich mich in den weichen Stoff seines Hemdes kralle.
"Wissen meine engsten Kollegen Mr Jackson und Miss West schon Bescheid?", fragt er nach einer Weile.
"Wir mussten es ihnen erzählen, sonst hätten sie uns nicht hergelassen."
Der Ton der jungen Frau ist noch immer neutral.
"Gut, ich komme gleich mit Ihnen. Ich bringe Courtney nur noch schnell zu Gus. Wenn Sie wollen, können Sie uns begleiten."
"Mr Blunt, ich mache das ja ungern, aber die junge Dame und ihre Kollegen müssen wir auch noch befragen."
Noch immer bin ich überrascht wie undurchdringlich und besitzergreifend mein Chef in diesem Moment gewirkt hat.
"Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich halte das Befragen meiner Angestellten in diesen schweren Minuten für nicht vorteilhaft. Ich komme mit Ihnen, aber lassen Sie meine Angestellten ein wenig zur Ruhe kommen."
Detective Mulligans Miene wird ein wenig weicher.
"In Ordnung, Mr Blunt. Bringen Sie die junge Dame zu einem Ort, an dem sie gut aufgehoben ist, dann fahren wir mit dem Wagen zum Präsidium. Trotzdem müssen wir Ihre Angestellten noch heute befragen."
Die ganze Zeit, während er mich durch diese plötzlich so fremden Flure führt, weicht Erich nicht einen Zentimeter von meiner Seite.

Kaum öffnet sich die Tür zu seinem Büro, falle ich Gus um den Hals. Ich kralle mich sofort an ihn, werde von meinem eigenen Schluchzen geschüttelt, während er mich eng bei sich hält und mir mit belegter Stimme ins Ohr flüstert, dass alles gut werden würde, dass wir jetzt zusammenhalten müssten.
"Gus, während ich weg bin, passt du bitte auf sie auf. Ich muss ein paar Fragen beantworten und werde wahrscheinlich bald zurück sein. Bevor ich gehe, werde ich dem Rest des Teams freigeben. Hab bitte ein Auge auf Courtney, ich bitte dich inständig darum."
Erich legt mir noch einmal die Hand auf die Schulter, dann geht er mit den beiden Beamten vom SFPD mit.

"Hier, den wirst du brauchen."
Ivana reicht mir die Tasse Tee und setzt sich neben mich auf Gus' kleines Sofa, das er in seinem Büro zu stehen hat.
"Dankeschön", schniefe ich und bin froh, dass ich langsam wieder sehen kann und sich der Schleier aus Tränen gelichtet hat.
Gus kommt wieder herein, mit einem Teller voller Kekse.
"Die könntet ihr gebrauchen."
Auch Augustus' Augen sind rot, Spuren seiner Tränen sind noch auf den hübschen Wangen erkennbar. Ich betrachte die Kekse mit den Schokostückchen und muss unwillkürlich lächeln. Er hat sich tatsächlich an meine Lieblingssorte erinnert. Dann lässt er sich neben mich fallen, sodass ich mich an ihn lehnen kann. Wir drei schweigen, auch wenn ich manchmal von dem einen oder anderen Schluchzer geschüttelt werde. Gus' Hand liegt beruhigend auf meinem Rücken. Irgendwann wird das Schweigen bedrückend und ich halte es nicht mehr aus.
"Ich kann und will einfach nicht glauben, dass Cindy tot ist..."
Augustus drückt mich noch näher an.
"Ich auch nicht, Court..."
"Ich glaube, dass es niemand in nächster Zeit glauben wird", sagt Ivana und ihre Stimme hat sonst alle Macht verloren, die unsere Kollegin sonst immer zu dem werden lässt, was sie ist. Ich rutsche noch näher zu Gus heran, ich ertrage es nicht in dieser Situation allein zu sein.
"Es wird alles gut, Courtney, das verspreche ich dir."
"Okay, jetzt reicht's!"
Wir zucken beide zusammen als Ivana aufspringt.
"Ich glaube nicht, dass Cindy gewollt hätte, dass wir hier nur Trübsal blasen! Sie konnte zwar manchmal eine bescheuerte Ziege sein, aber sie war dennoch ein guter Mensch, der immer für uns da war. Sie hat immer versucht uns die Flüge so angenehm wie möglich zu machen, selbst wenn Erich im Code Rot unterwegs war! Sie hat dich, Gus, zum Lachen bringen können, wenn dir alles aussichtslos erschienen ist. Mich hat sie immer verstanden und hat mit mir geredet, wenn Erich mich wegen einer Kleinigkeit in den Wahnsinn getrieben hat. Und selbst dir, Courtney, hat sie in meinem Beisein mal ein Kompliment gemacht, als du und Gus wie Furien am Freitag aus dem Flugzeug gestiegen seid. Cindy Stroud würde nicht wollen, dass wir unsere Zeit mit vergossenen Tränen füllen! "
Nach dieser Ansprache haben wir nicht mal mehr richtig weinen können.

"Das ist doch wohl nicht deren Ernst!" Erichs Auftritt reißt mich aus dem Schlaf und von Augustus' Bauch herunter. Oh, ich muss wohl eingeschlafen sein, das ist ja peinlich. Ich schaue meinen Kollegen entschuldigend an, doch er erwidert es nur mit einem traurigen Lächeln.
"Erich, was ist denn los?"
Erst jetzt fällt mir auf, dass Ivana gar nicht mehr hier sitzt. Dementsprechend läuft mein Gesicht rot an.
"Mulligan und English gehen davon aus, dass es Mord gewesen sein könnte! Mord! Und wen verdächtigen sie zuerst? Mich!"
Wir können unseren Chef nur anstarren.
"Wie bitte?", sagt Gus und nimmt sich vor lauter Schock erst einmal einen Keks.
"Aber warum sollte jemand Cindy umbringen?"
"Woher soll ich das wissen, Courtney? Das kann nur der Mörder nachvollziehen! Oder denkst du etwa, ich wäre der Mörder?"
"Erich, es reicht! Der Tag ist für alle schwer genug, da musst du es Court nicht noch schwerer machen."
Blunt atmet tief durch und sieht mich sanft an.
"Entschuldige, mit mir gehen die Pferde durch. Ich wollte dir nichts vorwerfen, Court."
"Ist schon gut, Erich, ich verstehe das."
Plötzlich klopft es an der Tür und Terry English betritt den Raum.
"Mr Jackson, begleiten Sie mich bitte? Mr Blunt, ich soll Ihnen ausrichten, dass Miss West nach Hause gefahren ist."
Erich nickt und Gus dreht sich noch einmal zu uns um: "Wenn ich fertig bin, komme ich zurück. Lasst mir noch Kekse übrig."

Jetzt bin ich diejenige, die Erich eine heiße Tasse Tee in die Hand drückt. Er kann seiner Trauer erst jetzt freien Lauf lassen, die letzten Stunden sind für ihn voller betäubender Aufregung gewesen. Er sitzt da und schlürft ein wenig von dem Getränk, während ihm Tränen über die Wangen laufen. Ich versuche mich an Ivanas Worte zu erinnern, aber Erich so aufgelöst, schon beinahe klein zu sehen, ist eine Qual. Ich will ihn aufheitern, aber ich weiß nicht wie. Also setze ich mich neben ihn und nehme ihn in den Arm.
"Ich war so ein großer Idiot... Ich hätte sie nie so behandeln dürfen..."
"Aber Gus hat mir vorhin erzählt, dass du dich bei ihr entschuldigt hast und sie heute wieder herkommen wollte."
"Ja schon, aber trotzdem habe ich sie letzten Freitag so unglaublich mies angefahren... Ich..."
Doch da bricht der Schwall an Tränen aus ihm heraus, seine Schluchzer schütteln ihn heftig, während ich ihn fest an mich gedrückt halte. So sitzen wir da, bis Gus gefolgt von Mulligan den Raum betritt, und mich bittet, sie zu begleiten. Augustus verspricht mir, auf mich zu warten, um mich dann nach Hause zu fahren, was Erich nur mit einem undurchdringlichen Blick kommentiert.

"Setzen Sie sich doch bitte, Miss Hunter. Und haben Sie keine Angst, ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Ich vermute sowieso, dass wir schnell fertig werden, Ihr Chef und Ihre Kollegen haben bereits erwähnt, dass Sie erst seit gut einem Monat dabei sind."
Ich muss immer noch leicht verängstigt wirken, denn dann fügt Mulligan hinzu:
"Wie Ihr Freund vorhin schon sagte, es wird alles gut werden."
Ich blinzle zweimal.
"Freund? Welcher Freund?"
"Augustus Matthew Jackson."
Ich muss lachen.
"Was? Oh nein, Gus ist nicht mein Freund. Er ist toll, das stimmt schon, aber wir sind kein Paar."
Die Polizistin sieht aus, als wolle sie noch etwas sagen, lässt es dann aber.
"Nun denn, fangen wir an."

Nach einer dreiviertel Stunde werde ich von Terry English zurück zur Firma gefahren. Es ist wirklich sehr schnell gegangen und diese Hildy wusste wirklich gut mit mir umzugehen. Es sind Fragen gewesen wie "Wie sind Sie zu der Firma gekommen?" oder "Wie war Ihre Beziehung zu Cindy?" oder "Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren anderen Kollegen?" Dabei hat sie vor allem sehr auf Erich und Gus gepocht.
Ich bin schon fast belustigt als ich sie beide in Erichs Büro vorfinde, wie sie an seinem Schreibtisch sitzen und Chips in sich hinein stopfen. Natürlich springen sie sofort auf und nehmen mich in Empfang. Wir unterhalten uns noch ein bisschen, nachdem English gegangen ist. Dann bricht die Erschöpfung über mich herein und Gus lächelt sanft.
"Na komm, Court, ich sollte dich nach Hause bringen. Das war ein ziemlich harter Tag für uns alle."
Ich nicke müde und umarme Erich zum Abschied. Ein komisches Gefühl.
"Wenn du den Rest der Woche nicht kommen möchtest, kann ich das verstehen."
Ich lächle schwach und erinnere mich an Ivanas Worte.
"Cindy hätte nicht gewollt, dass wir Trübsal blasen. Wir sehen uns morgen, Mr Blunt."

Hey Cookies ❤
Also ich bin wirklich stolz auf mich, schon wieder ein Kapitel! Ich habe es vermisst so fokussiert zu schreiben, ehrlich! :)
Nun, was sagt ihr?
Wie fandet ihr das Kapitel?
Ich freue mich auf eure Vermutungen ;)
Read you next time ;*
Momofelton ❤

Dark Secrets ✅Where stories live. Discover now