Kapitel 35

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"Du hast was gemacht?!"
Mir ist gerade herzlich egal, dass ich den ganzen Raum zusammenschreie, denn Erich hat es in diesem Moment einfach nicht anders verdient.
"Courtney, ich wollte dir nur helfen. Die Frist wäre bald abgelaufen und man kann die Unterlagen nur persönlich einreichen. Ich wollte dir nichts davon erzählen, es sollte eine Überraschung werden, damit du nicht zu enttäuscht bist, falls es nicht klappt."
Bis heute begreife ich nicht, wie er damals so ruhig bleiben konnte, schließlich ist er derjenige mit dem unkontrollierbaren Temperament.
"Erich, das ehrt dich ja auch irgendwie, aber wer weiß, was die jetzt mit dir machen! Du hast gegen deine verfickten Auflagen verstoßen! Du wusstest ganz genau, dass du Kalifornien nicht verlassen darfst! Das war die Bedingung der Richterin für die Annahme deiner Kaution! Und was tust du?! Du fliegst verdammt nochmal nach New York, um Unterlagen für ein Stipendium an der Columbia University abzugeben! Du hast gegen deine Auflagen verstoßen und wer weiß, was du jetzt für eine Strafe bekommst! Verfickte Scheiße! Weißt du, in jeder anderen Situation wäre ich dir unglaublich dankbar gewesen, aber du warst und bist einfach nur ein verfickter Idiot!"
Ich bin den Tränen nah, aber ich würde ihm diesen Triumph jetzt nicht gönnen. Tief unter meiner Wut und Enttäuschung weiß ich, dass er es nur gut gemeint hat, aber wie kann er nur so dumm sein?! 
Bevor ich ihm in irgendeiner Art und Weise noch irgendwelche Vorwürfe an den Kopf knallen kann, öffnet sich die Tür und Warren Daniels kommt herein. Er sieht nicht weniger wutentbrannt aus als ich, doch als sein Blick auf mich fällt, befürchte ich schon fast, er könnte mich jeden Moment bespucken.
"Es tut mir leid, Miss Hunter, aber ich muss unter vier Augen mit Ihrem Freund sprechen."
"Warren, das-", fängt Erich an, doch ich schneide ihm das Wort mit erhobener Hand ab.
"Wie Sie wollen, Mr. Daniels, ich warte vor der Tür."
Damit verlasse ich den Raum, ohne mich noch einmal zu Erich umzudrehen. Schließlich hat er gelogen und auch wenn ich hasse es zu denken, er hat für mich gelogen.

"Scheint so, als hätten ihre Freunde Sie hier sitzen gelassen, oder irre ich mich da?"
Ich sitze noch immer draußen in einer Art Wartebereich des Reviers, als sich Detective Mulligan zu mir setzt.
"Was wollen Sie von mir? Mir unter die Nase reiben, dass Sie es mir von Anfang an gesagt haben?"
Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf diese Art von Gespräch, denn das würde mich nur dazu bringen, an Erich zu zweifeln, was ich insgeheim schon tue. Doch sagen würde ich es ihr nie.
"Um ehrlich zu sein, bin ich nur hier, weil ich Ihnen einen Kaffee anbieten wollte, Sie sehen ziemlich mitgenommen aus", erklärt die Blonde und stellt mir eine Tasse Kaffee mit separater Milch und separatem Zucker auf den kleinen Tisch, an dem ich sitze. 
"Danke", sage ich leise und sehe sie endlich an. Ihre braunen Augen sind voller Mitgefühl, was ich bei einer Frau ihres Berufes kaum erwartet hätte.
"Es ist nicht Ihre Schuld, denken Sie bitte daran."
"Woher wollen Sie das wissen?", gifte ich sie an und bin von meiner schnell wechselnden Laune selbst leicht überrascht.
"Sie lieben ihn, das sieht jeder. Und wenn ich könnte, würde ich Ihnen diese Qualen gern ersparen, aber das ist mir leider nicht möglich. Alles, was ich sagen will, ist, dass all das nicht Ihre Schuld ist. Auch wenn Mr. Blunt tatsächlich nur den Bundesstaat verlassen hat, um die Unterlagen für ein Stipendium in Ihrem Namen in New York einzureichen, hat er bewusst gegen die gerichtlichen Auflagen verstoßen. Das bedeutet trotzdem nicht, dass Sie in irgendeiner Art und Weise Schuld an der Lage von Mr. Blunt sind. Mein Partner und ich haben bestätigen können, dass Sie von all dem nichts gewusst haben. Ihre Freunde Patrick und Ruby konnten bezeugen, dass sie an diesem besagten Tag die ganze Zeit mit Ihnen verbracht haben."
Ich schlucke schwer.
"Die beiden bekommen jetzt aber keine Schwierigkeiten, oder?"
Detective Mulligan lächelt mich beruhigend an.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Ihren Freunden wird nichts Weiteres widerfahren, immerhin haben sie ja die Wahrheit gesagt."
Ich trinke einen Schluck von meinem Kaffee und beiße mir dann nervös auf die Unterlippe.
"Detective? Darf ich Sie etwas fragen?"
Sie nickt und sieht mich abwartend an.
"Was wird jetzt mit Erich passieren?"
Gerade will die Blondine antworten, als die Tür aufgeht und ein wesentlich ruhigerer Warren Daniels herauskommt. Dafür folgt ihm aber ein umso aufgebrachterer Erich. 
"Das kann doch jetzt wirklich nicht Ihr Ernst sein! Das können Sie nicht machen!"
Sein Anwalt dreht sich noch einmal zu ihm um. 
"Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du nur eine Chance hast. Du hast die Regel gebrochen und dafür musst du nun die Konsequenzen tragen, Erich. Suche dir jemand anderen, der dich vertreten wird."
Warren Daniels geht an mir vorbei, wirft mir noch einen mitleidigen Blick zu, dem ich ihm überhaupt nicht zugetraut hätte, und verlässt das Revier. 
Erich steht da und sieht aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen.

"Und was willst du jetzt machen?", frage ich deutlich entspannter als vorhin und streichle sein Haar. 
Erich und ich sitzen wieder zusammen in diesem Raum und sein Kopf liegt in meinem Schoß. Er sieht schrecklich aus. Vollkommen verheult und immer noch blass. 
Warren Daniels hat meinen Freund als Mandanten gefeuert. Erich hat am Anfang eingewilligt, sich an die Regeln seines Anwalts zu halten. Doch mit seinem Ausflug hat er nicht nur die Absprachen verletzt, da Erich auch ihm versprechen musste, in Kalifornien zu bleiben, sondern hatte ihn auch angelogen, als Daniels ihn bezüglich seiner Aufenthalte der letzten Wochen fragte.
Jetzt ist Erich auf sich allein gestellt und hat niemanden, der ihn an seinem letzten Prozesstag verteidigen wird. Ja, es würde nur noch einen Tag für den Prozess geben, an dem die letzten Zeugen befragt und die letzten Hinweise ausgewertet werden würden. Danach liegt es allein in den Händen der Geschworenen über Erichs weitere Zukunft zu entscheiden. Auch wenn es nicht so scheint, doch genau das ist der wichtigste Termin von allen. Es ist die letzte Chance, um die Geschworenen von Erichs Unschuld zu überzeugen, doch das klappt nur mit einem guten Anwalt. Einem Anwalt, den Erich nun nicht mehr hat. 
Unfassbar, dass der Beginn nun schon fast ein halbes Jahr her ist. Der Sommer hält mittlerweile Einzug in San Francisco und bald würde ich auch seit einem Jahr bei APPLSN arbeiten.
"Ich habe wirklich keine Ahnung, Court. Ich ... Ich wünschte, ich wüsste eine Lösung, aber die habe ich nicht. Ich brauche einen neuen Anwalt, aber frag' mich nicht, wo ich jetzt so schnell einen herbekommen soll. Ich bin am Arsch", sagt er und ich höre, dass seine Stimme erneut kurz vor dem Brechen ist.
Ich beuge mich zu ihm herunter und küsse ihn vorsichtig. Schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden. 
Leider muss mir die Tür, die sich jetzt abermals öffnet, einen Strich durch die Rechnung machen.
Detective Mulligan, ihr Partner und noch zwei andere Beamte betreten den Raum. Mein Freund sitzt augenblicklich wieder gerade auf seinem eigenen Stuhl.
"Mulligan, Sie werden Miss Hunter hinaus begleiten. Wir anderen werden Mr. Blunt in die Haft bringen."
Ich reiße meine Augen auf und bekomme Panik.
"Was? Wa- Warum wollen Sie ihn in die Haft stecken?"
Ich versuche mich krampfhaft zu wehren, doch Detective Mulligan zieht mich sanft aber bestimmt aus dem Raum.
"Das können Sie nicht machen! Er hat nichts getan!", schreie ich die Blonde an und spüre die Tränen kaum, die mir nun wirklich über die Wangen laufen, "Das dürfen Sie nicht machen!"
"Courtney", sagt sie ruhig, "das ist die Anordnung seiner zuständigen Richterin. Mr. Blunt wird solange in Haft bleiben, bis der Prozess weitergeht und sein Urteil verkündet wurde. Das ist zu dem Schutz Ihres Freundes, aber vor allem eine Schutzmaßnahme für Sie. Sein Verstoß gegen die Regeln war das letzte Bisschen, was noch zu einer vorläufigen Haft gefehlt hat. Sollte Ihr Freund der Mörder sein, machen wir das nur zu Ihrem eigenen Schutz, Miss Hunter."
"Erich ist kein Mörder!", schreie ich wieder, doch dieses Mal eskaliere ich vollkommen.
Ich schlage um mich und versuche dem Griff des Detectives zu entkommen. 
Ich möchte einfach zu meinem Freund. Ich möchte zu Erich, der sich gerade ohne einen Mucks abführen lässt. Seine Augen fixieren mich und er fleht mich stumm an. Ob es um Vergebung oder darum war, dass ich endlich aufhören sollte, mich zu wehren, das habe ich nie herausfinden können. 
"Ich liebe dich!", rufe ich ihm schon fast kraftlos zu und erschlaffe in den Armen von Hildy Mulligan, um dann schluchzend an ihrer Schulter zusammenzubrechen.
Ich werde Erich einen Anwalt besorgen, auch wenn mich das eine riesige Diskussion kosten würde.

Hallo Cookies! ♥️
Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende.
Ja, also hier ist das neue Kapitel.
Ich hoffe, es gefällt euch :)
Wir nähren uns langsam aber sicher dem Finale.
Was glaubt ihr? War es Erich? Wenn nicht, wer dann? Mit welchem Grund?
Ich freue mich schon auf eure Vermutungen ;)
Read you next time ;*
Momofelton ♥️

Dark Secrets ✅Where stories live. Discover now