Prolog

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Vier Monate.

Vier Monate war dieser verdammte Deal vorbei.
Vier Monate nun hielt ich mich an mein letztes Versprechen ihr gegenüber.
Seit vier abgefuckten Monaten hielt ich mich von ihr fern, redete nicht mit ihr, schrieb ihr nicht, rief sie nicht an, verschwand sogar wenn wir im selben Flur waren.

Doch wenn Ava glaubte, sie sei mich los geworden, irrte sie sich. Auch wenn wir vielleicht keinen Kontakt hatten, hieß das nicht, dass ich nicht aufpasste. Ich beobachtete sie. An jedem Tag den ich sie sehen konnte und wenn ich es nicht konnte, dann Kyle oder Josh oder Noah oder Tyler. Sie merkte es nicht, aber sie war niemals alleine. Vielleicht war ich für sie zur Luft geworden, für mich aber könnte sie das niemals sein.

Ich passte auf, dass niemand ihr Probleme machte, was einfach war, jetzt wo wir es nicht mehr taten. Ich passte auf, dass ihr niemand zu nahe kam, im Besonderen irgendwelche pubertären Jungs die meinten sie würden jemanden wie Ava verdienen. Schwachsinn natürlich, niemand hatte jemand so perfektes wie sie verdient. Ich am wenigsten, trotzdem war sie kein Freiwild.

Nicht nur der Liebeskummer machte es so schwer, sondern auch das Gefühl ein Teil von mir verloren zu haben, den ich so vorher nicht zu schätzen gewusst habe. Denn es wäre eigentlich alles gut, wäre sie nicht gewesen. Noah wohnte mittlerweile dauerhaft bei uns, weswegen mein Zuhause auch das Zuhause meiner Freunde geworden war. Dadurch wuchsen wir noch viel mehr zusammen, ein Umstand der mir wohl am meisten gefiel, denn so konnte ich mit ihnen über Ava reden. Vielleicht verstanden sie nicht alles, dafür akzeptierten sie es.

Zum Glück war Dave in der Mannschaft. Nicht nur weil wir seinetwegen mittlerweile die Tabelle anführten, sondern auch weil ich so wenigstens immer noch eine Verbindung zu den Hastings hatte. Es gab mir die Möglichkeit mir einzureden, dass ich immer noch dazu gehörte.

Am meisten erzählte er von seiner kleinen Schwester, Amber, die jetzt zwei Mal die Woche zur Dialyse ging und wohl deutliche Fortschritte machte. Ich hatte sie letztens bei einem Spiel gesehen; tatsächlich sah sie bedeutend besser aus. Von Dad wusste ich, dass Mr. Hastings befördert worden war und nun schon eine Maschineneinheit leitete. Zwar freute mich das, aber es waren nicht die Personen, die mich am meisten interessierten. Es war Ava.Kaum zu glauben, dass ich Ava diesen Deal vorschlug ohne zu hinterfragen warum sie es tat. Sie hatte ihm erzählt, dass sie wegen der Uni mir nicht mehr helfen konnte und wir deswegen keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Ich war ihr dankbar dafür, dass sie ihm nicht die Wahrheit erzählt hatte, auch wenn sie es nur für ihren Bruder tat. Es war eine durchdachte Lüge, die er bedingungslos glaubte, denn so wie er erzählte waren ihre Noten verschlechtert, sodass sie fast nur noch lernte um den erforderlichen GPA zu halten. Gleichzeitig aber standen die Prüfungen in der Universität an. Ich konnte mir nicht vorstellen, was für ein Lernpensum sie bewältigen musste, wo mir die Schule ja fast schon zu viel war. Auch Dave machte sich deswegen Sorgen, das merkte man ohne daß er es gesagt hätte.

Also beobachtete ich sie genauer und nach zwei Monaten fielen mir die ersten Veränderungen auf. Es fing damit an, dass ihre sonst so ordentlichen Haare nachlässig zu einem Zopf gebunden wurden und das vorher glänzende Schwarz wurde stumpf. Dann fing sie an Kaffee in der Schule zu trinken, wo sie vorher nie welchen getrunken hatte. Vor einem Monat dann fing sie an im Unterricht einzuschlafen oder kam zur falschen Stunde. Doch erst als ich die dunklen Schatten und ihren Augen sah und der Kaffebecher in der Hand durch ihr zittern wackelte, machte ich mir richtige Sorgen. Ihr Gesicht sah abgehetzt aus, ihre Augen merkwürdig eingefallen.
Ihre wunderschönen blauen Augen.

Es war schwer für mich sie so zu sehen, aber so sehr ich es mir auch wünschte, so waren mir auch die Hände gebunden. Niemals hätte sie Hilfe von jemanden zugelassen, vor allem nicht von mir. Meine Ava war zu stur, zu Stolz um Hilfe von jemand anzunehmen zu können.

Meine Ava...

Nur das sie es jetzt nicht mehr war.

Jetzt war sie nur noch Ava. Niemandes Ava. Ihre eigene Ava. Und Fuck, ich hasste es. Hasste es, nicht mehr zu ihr gehen zu können um sie zu nerven, bis sie ihre Augen verdreht. Hasste es, sie nicht mehr riechen zu können wenn ich mich von hinten an sie schlich. Hasste es, sie nicht mehr in den Arm nehmen zu können. Hasste es, sie nicht mehr zum Lachen zu bringen, dass ihre Augen funkelten. Hasste mich, weil ich daran Schuld war. Hasste es, nicht mehr mit ihr reden zu können.

Von all den Dingen, die ich hasste war es das, was ich am meisten vermisste.

Mit ihr reden.

Auch wenn es nur ein lächerliches „Hallo, wie geht's?" wäre. Gott, was würde ich dafür geben? Ich fühlte mich beinahe besessen von ihr. Die ersten Wochen waren schlimm gewesen. Ich konnte kaum über etwas anderes nachdenken, ständig hatte ich ihren Blick vor Augen, als sie die Wahrheit erfuhr. Ihre Tränen weckten mich, meine Schuldgefühle und mein Selbsthass begleiteten mich durch den Tag, ihre Worte brachten mich um den Schlaf.

Es wurde nicht besser, höchstens leichter. Ich versuchte mich abzulenken, unternahm mehr mit meinen Eltern, lernte mit deren Unterstützung, doch es war nicht dasselbe wie mit ihr. Ob ihr bewusst war, wie sehr sie mein Leben verändert hatte? Nie hätte ich zugelassen, dass sich jemand so in mein Herz schleicht und mir den Kopf verdreht. Geschweige denn mehr in sie gesehen als nur ein Objekt. Fuck, wie konnte man so eine wundervolle Person nur als ein Objekt betrachten? Was war bei mir verkehrt gelaufen, dass ich sie genötigt hatte mit mir zu schlafen wann immer ich wollte nur für einen Job für ihren Vater?

Vermutlich musste ich mir darüber keine Gedanken machen, schließlich hatte sie nicht einmal mehr Zeit für ihre Geschwister, also erst Recht nicht für Dates. Trotzdem, es störte mich wenn andere sie ansahen, auch wenn sie es ohne Hintergedanken täten.

Komisch, sobald die Schule mitbekam das ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt, änderte das automatisch ihren Status. Kein Kerl hatte sie vorher angesehen, nie waren so viele in den Freistunden in der Bibliothek nur um in ihrer Nähe zu sein. Und ich verstand sie, dass tat ich wirklich. Ava war eine Sirene. Ohne es zu wissen zog sie alles um sie herum in ihren Bann. Mein Gott, selbst im Unterricht hingen sie an ihren Lippen, wenn sie sprach.

Vielleicht aber bildete ich mir das auch einfach nur ein.

Vielleicht aber auch nicht.

Vielleicht wurde es auch langsam Zeit zurück zu holen, was mein sein sollte.

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Hallo :-)

Zunächst: das Cover ist von vaporeonx erstellt worden.
Dies ist eine Fortsetzung zu Delirium, also empfiehlt es sich das vorher gelesen zu haben.

Viel Spaß beim lesen!

Bis bald 😊

Alli

P.s.: hier ein paar Cookies 🍪🍪🍪🍪🍪

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