XV (II)

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Die Männer verließen widerwillig den Raum und Jeffrey sah ihnen nervös nach. Es war so nicht geplant gewesen, er sollte nur anwesend sein ohne mit ihr zu sprechen. Aber der Blick seines Anwaltes ließ ihn kalt erschaudern. Er sollte es nicht vermasseln, nicht nach der Sache mit dem Video. Nur zu genau konnte er sich vorstellen was passieren würde wenn sein Vater davon erfuhr. Schlimm genug, dass sein Sohn ein Junkie war aber ein Video wo er ein Mädchen vergewaltigen wollte? Sein Puls wurde schneller und er mühte sich nach Kräften normal weiter zu atmen. Ava sollte die sein, die Angst hatte. Nicht er. Als er sie aber musterte musste er sich eingestehen sie unterschätzt zu haben. Den Blick den sie ihm zuwarf zeigte keine Gefühlsregung, was ihn nervte wo er doch sehr wohl gesehen hatte wie die Angst sich durch ihren Körper fraß. Es stimmt, es gab dieses Video, beinahe hatte er es vergessen.

„Warum?"

Es war das erste Mal, dass sie ihn direkt ansprach und schon brachte sie ihn völlig aus dem Konzept. Jeffrey griff unbewusst nach seiner Hosentasche in die er sonst diese wunderbaren kleinen Pillen aufbewahrte die ihm in solchen Situationen halfen. Er fühlte sich unter Druck gesetzt, unter Zugzwang. Der Raum schien kleiner zu werden, während er gar nicht genug Luft in seinen Körper pumpen konnte. Seine Hände zitterten; er versteckte sie unter dem Tisch. Er wusste was passieren würde wenn er jetzt keine Tablette nahm. Er brauchte sie. Sein Blick zuckte durch den Raum. Irgendwo musste er doch unbemerkt etwas nehmen können. Nur die Hälfte damit er runter kam. Das würde reichen. Nur ein ganz kleines Bisschen um das hier zu überstehen. Er spürte wie der Schweiß ausbrach und sein Herz immer unkontrollierter schlug. Warum musste sein Vater ihm alle Pillen wegnehmen? Er brauchte sie doch. Nächste Woche hätte gereicht, da hätte er es ohne geschafft. Aber er hätte doch damit rechnen müssen dass es zu viel für Jeff war.

„Atme."

Ihre Stimme klang verzehrt in seinen Ohren und er brauchte einen Moment um zu verstehen was sie gesagt hatte. Atmen? Aber das war das Problem! Er konnte nicht Atmen! Er bekam keine Luft mehr. Er würde ersticken, der Raum wurde immer verzehrter vor seinen Augen. Vermutlich würden ihn die Wände zerquetschen, er sah ihre Münder, hörte wie sie seinen Tod forderten. Es war ein unheimlicher Singsang; es würde passieren. Sie wiederholte sich, zwang ihn damit sich auf sie zu konzentrieren und unbewusst schaffte sein Körper was sein verstand nicht mehr konnte. Er holte Luft, dann atmete er wieder aus. Ava zählte bis vier und langsam passte sich seine Atmung ihren Worten an. Er spürte wie sein Herz sich langsam beruhigte und die Wände hörten auf zu sprechen. Sie zählte erneut und mit jeder Zahl schien der Raum wieder größer zu werden. Er zwinkert einige Male, erkannte die Umrisse von Ava.

Ava. Richtig, deswegen war er hier. Sie zählte wieder, dann hörte sie auf und lehnte sich zurück. Jeffrey sah sich um als wäre er das erste Mal hier. Aber das war er nicht. Er kannte den Raum, hier war die Verhandlung. Gierig nahm er das Wasser vor ihm und stürzte es herunter. Seine Hände hatten aufgehört zu zittern fiel ihm auf, trotzdem tastete er erneut seine Tasche ab als er fertig war. Es geschah automatisch ohne das er darüber nachdenken musste. Sie hatte eine Frage gestellt. Sie wollte wissen warum er das getan hatte.

Es überraschte ihn nicht, schließlich war sie schon immer direkt gewesen. Eine Frau die auf den Punkt kam, ohne Umschweife. War es das, was Liam so an ihr mochte? „Wirst du Dave anzeigen?"

Jeffrey legte den Kopf schief. Sein Kiefer tat scheißen weh und er konnte keine feste Nahrung zu sich nehmen. Das alles wegen diesem Idioten. „Vater sagt ja.", antwortete er Schulterzuckend.

„Du weißt was das für ihn bedeuten wird. Er wird nie auf ein richtiges Collage gehen können, noch einen vernünftigen Job bekommen wenn er vorbestraft ist." Jeffrey zuckte erneut mit den Schultern. Es war ihm egal, so wie alles hier eigentlich. „Für dich gilt dasselbe nur wird deine Strafe höher ausfallen."

„Worauf willst du hinaus?"

„Wir sind hier zum Verhandeln, also verhandeln wir." Sie sah seinen skeptischen Blick. „Glaub mir, ich will noch mehr als alles andere, dass du bestraft wirst, aber hier geht es um meinen Bruder." Oh er konnte sich sehr gut vorstellen wie sehr sie ihn leiden lassen wollte. „Ihr werdet keine Anklage gegen Dave erheben, ihr werdet keine Schadensersatzforderungen stellen noch Schmerzensgeld." Er wollte protestieren, aber Ava unterbrach ihn. „Ich bin noch nicht fertig. Du wirst eine Therapie machen, du wirst regelmäßige Drogentests machen und sollte einer von denen positiv sein, wirst du erneut einen Entzug machen."

Jeffrey schnaubte abfällig und verschränkte seine Arme. „Und was tust du?"

„Wenn du meinen Bedingungen zustimmst, dann werde ich die Anklage in sämtlichen Punkten zurückziehen. Kein versuchter Todschlag, keine versuchte Vergewaltigung, keine Körperverletzung, kein Medikamentenmissbrauch. Du bleibst ein freier Mann, auch wenn mir das widerstrebt." Er musste zugeben, dass ihr Angebot mehr als gut klang, aber es war zu einfach. Irgendwas wollte man immer und bei ihr war das nur die Frage was sie haben wollte. „Jeffrey, wir können das hier sauber lösen oder es wird dreckig. Und glaub mir: das willst du sicher nicht. Bist du einverstanden?"

Er nickte ohne wirklich zu verstehen was sie da sagte. War er jetzt frei? Oder nicht? Ava stand auf und ging zu der Tür wo die Anwälte warteten. "Warum tust du das?" 

Kurz vorher drehte sie sich noch einmal zu ihm. „Weil du trotz allem das Recht auf Leben hast." Sie zögerte einen Moment. "Wenn du nicht alles kaputt gemacht hättest, könntest du mir sogar leid tun." Sie öffnete die Tür und verschwand. Er hörte ihre Stimme die den anderen sagte, dass sie sich geeinigt hätten aber sah nur auf den leeren Stuhl vor sich.

Und am Ende fragte er sich immer noch das selbe. 

Warum?

ElysiumWhere stories live. Discover now