9. Kapitel

366 29 8
                                    

Unsere Zweisamkeit wurde durch das Öffnen der Tür gestört. Ein junger Arzt und die Schwester von eben kamen herein, gefolgt von noch mehr Menschen in Weiß. Man drängte mich zur Seite ohne dass ich hätte etwas tun können und Ava wurde zwischen dem Weiß versteckt.

„Patientin, 17 Jahre mit möglicher Drogenintoxikation. Screening läuft, Vitalwerte stabil, Atmung verlangsamt. Sie erhielt nach Drogenabusus circa ein halben Liter Wasser oral sowie die noch laufende Sterufondin. Medikamentöse Behandlung wird nicht möglich sein, bis wir genau wissen was sie genommen hat. Laut Angehörigen hat die Schwester, Amber Hastings, Nierenversagen, also sollten wir auf die Nieren ebenfalls ein Auge haben." Der junge Arzt beendete sein Aufzählung um den älteren Mann fragend anzusehen. Dieser nickte zustimmend, während er die Monitore begutachtete und der jüngere fuhr fort. „Ich würde vorschlagen sie auf der Intensiv überwachen zulassen und weiter mit Infusionen die Mittel verdünnen. Der Vater ist informiert und gerade bei dem Bruder."

„Welcher von denen ist denn ihr Bruder?", fragte eine Ärztin und schaute auf ihre Papiere. „Die Kiefer- oder die Fingerfrakturen?" Mir fiel ein Stein vom Herzen als ich hörte dass Mr. Hastings bereits da war, auch wenn er bei Dave war und nicht bei seiner Tochter. Wie er so schnell hier sein konnte stand in den Sternen, aber es interessierte mich auch nicht. Dad würde sicher auch in wenigen Minuten eintreffen und würde alles regeln, so wie er es immer tat. Gott sei Dank, dann würde ich nicht mehr hilflos dar sitzen müssen.

„Die Fingerfraktur. Hat noch jemand etwas vorzuschlagen zu dem hier vorliegenden Fall?" Der ältere Arzt schien offensichtlich hier das Sagen zu haben so wie ihn die anderen ansahen. Keiner antwortete. „Gute Arbeit. Organisieren Sie bitte die Verlegung Jenkins. Wer ist für Dave Hastings zuständig?" Ein anderer begann zu sprechen, während sie den Raum verließen. So schnell wie sie da waren, so schnell waren sie wieder verschwunden. Zurück blieb nur Schwester Margret, die Ava von den Geräten löste. Ich stand auf und bat ihr meine Hilfe an, aber sie lachte nur und sagte, dass ich ihr helfen könne das Bett zu schieben.

Froh, endlich etwas tun zu können, trat ich zum Kopfende. „Ava, wir fahren gleich zu der Intensivstation. Dein Vater ist schon da und Dave geht es gut, keine Sorge. Ich bleibe bei dir bis sie da sind, in Ordnung?" Ihre Augen zwinkerten, was ich als Zustimmung deutete. Schwester Maggie, wie ich sie in meinen Gedanken nun nannte, öffnete die Tür ehe sie die Bremsen löste und uns aus dem Zimmer lenkte. Der Flur war deutlich gefüllter im Vergleich vor Zwanzig Minuten bei unserer Ankunft. Die Sanitäter waren verschwunden, davor gab es ein Aufgebot an Polizisten, die in ein Zimmer liefen aus dem Schreie erklangen. Schwester Maggie befahl ihnen in einem harschen Ton uns Platz zu machen wodurch ich die Chance hatte einen Blick in das Zimmer zu werfen.

Hätte ich Ava nicht in dem Bett vor mir gelegen und hätte ich sie nicht schieben müssen, ich wüsste nicht was ich getan hätte. Vermutlich da weiter gemacht wo Dave aufhören musste, denn zu gerne wäre ich in diesem Raum hineingestürmt um diesen Bastard noch alle anderen Knochen in seinem jämmerlichen Körper zu brechen. Ihm so viele Schmerzen zu bereiten, dass er sich wünscht nie geboren geworden zu sein. Hass brannte in mir auf, vertrieb jeden vernünftigen Gedanken und forderte mich auf ihn aus seinem lächerlichen Dasein zu erlösen. Ich hoffte, dass er litt. Und dass die Polizei ihm noch mehr Schmerzen bereiten würde, so wie sie ihn festgehalten hatten. Wie konnte aus ihm nur so ein Monster werden? Der Anblick von ihm, wie er mit blutendem Gesicht sich auf der Trage aufbäumte und sechs Polizisten ihn runter drückten während der Arzt etwas in einer Spritze aufzog, brannte sich in meinen Kopf ein. So sehr, dass ich gar nicht mitbekam wie wir weiter liefen. Erst vor dem Aufzug, als wir zu stehen kamen, war ich wieder mit allen Sinnen in der Gegenwart. Ich schluckte den Hass, der wie bittere Galle schmeckte, runter. Dies war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort um meine Rachegedanken Raum zu geben, nicht solange ich bei Ava war und sie mich brauchte. Die Aufzugtüren öffneten sich und schlossen sich nach unserem Eintreten wieder. Bis auf das Gähnen von Schwester Maggie war es totenstill in diesem engen Raum. Es war nicht unangenehm, mehr noch, sie beruhigte mich auf eine Gute Art. Ich spürte wie mein Herz langsamer wurde und die Anspannung zwischen meinen Schultern weniger wurde. Es war alles gut, versuchte ich mir einzureden, Ava war nichts Schlimmeres passiert. Alles andere würde wieder werden und darüber konnte ich mir auch ein anderes Mal Sorgen machen.

Ich hatte mir eine Intensivstation immer anders vorgestellt. In den Filmen liefen lauter Menschen umher und belebten Patienten wieder, während ihre Angehörigen bangend in den Armen lagen. Im Gegensatz dazu sah die Realität erstaunlich ruhig aus. Man hörte das Piepen von Geräten und eine Schwester kam mit etwas was aussah wie eine Akte aus einem Zimmer, aber das war auch schon alles.

„Ihr könnt in die Sechs Margret, ich bringe eben noch die Medikamente weg, dann komme ich.", rief ein Pfleger der seinen Kopf aus einem Zimmer steckte. Er war mittleren Alters und einige Falten hatten tiefe Furchen in sein Gesicht gezogen. Und obwohl es mitten in der Nacht war, er sicher auch müde war, lag ein Lächeln auf seinem Gesicht. So freundlich wie ich es nicht einmal an guten Tagen war wenn ich es mir recht überlegte. Schwester Maggie nickte anstelle einer Antwort und zog uns weiter in ein Zimmer. Es dauerte nicht lange bis der Pflege mit Begleitung zu uns kam um uns dabei zu helfen Ava in ein normales Bett zu legen. Sie wurde wieder verkabelt und kurz darauf reihte sich ihr Piepen in die Melodie der anderen ein. Es wurden Informationen ausgetauscht, Zettel überreicht und dann waren wir wieder alleine in diesem Glaskasten das ein Zimmer darstellen sollte. „Alles gut bei dir Junge?", fragte der Pfleger. Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte. Mir war ja nichts dabei passiert. „Schon gut, das wird besser werden. Bist du ihr Freund?" Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht wusste ob meine Stimme nicht mehr verraten würde als ich preiszugeben bereit war. Er seufzte, klopfte mir auf die Schulter und verschwand.

Nachdem mein herum tigern mich nur wieder nervös machte, setzte ich mich hin, nur um wieder aufzustehen als ich die Stimme von Dad hörte. In seiner typischen Art verlangte er zu erfahren wo wir seien, dann kam er in unser Zimmer. Er sah zuerst zu Ava bevor er mich ansah. Ohne zu zögern trat er auf mich zu und schloss mich in seine Arme. Etwas unbeholfen versuchte ich sie zu erwidern, aber es fühlte sich eher verkrampft. Trotzdem wusste ich diese Geste zu schätzen. „Weißt du wo ihr Vater ist?"

„Hier." Mr. Hastings stand in Türrahmen und sah um Jahre gealtert aus, während sein Blick über Ava fuhr. „Ich weiß nicht wie ich dir Danken kann Liam. Was du heute getan hast... Gott was hätte passieren können..." Zerstreut fuhr er sich durch die Haare.

„Ich habe bereits einen Anwalt konsultiert, die Kosten übernehme ich. Er wird sich um alles Weitere kümmern." Dad legte eine Hand auf Mr. Hastings Schulter um sie zu drücken. Mr. Hastings bedankte sich erschöpft.

„Wie geht es Dave?"

„Er wird operiert, drei Finger sind gebrochen, aber nichts Schlimmes. Ich würde nachher gerne zu ihm wenn er aufwacht nur kann ich Ava nicht alleine lassen."

„Ich bleibe bei ihr.", bot ich selbstverständlich an. „Keine Sorge, ich pass auf sie auf. Außerdem wird sie wohl eh noch eine Weile schlafen oder nicht?" Ich war ja so selbstlos.

ElysiumWhere stories live. Discover now