XXV (II)

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„Also?"

„Was ‚Also'?", fragte Liam scheinheilig und sah in den Rückspiegel zu Amber. „Weißt du, dass du deiner Schwester unfassbar ähnlich aussiehst wenn du deine Arme verschränkst und versucht böse zu schauen?" Wir schnaubten zeitgleich, was Liam aber nur zum erneuten lachen brachte. „Ich sag's ja. Aber um deine Frage zu beantworten: nein ich werde sie nicht beantworten. Ihr beide werdet es in circa vier bis fünf Stunden schon sehen."

Vier bis Fünf Stunden? Ich sah auf das Navigationsgerät doch bis auf die geschätzte Dauer und Strecke unserer Fahrt konnte ich nichts erkennen; leider wusste ich auch nicht wie man auf die Zielführung oder besser gesagt die Zieleingabe kam um zu sehen was er dort eingegeben hatte. „Du würdest dir auch keinen Zacken aus der Krone brechen wenn du es wenigstens mir verraten würdest. Schließlich bin ich ja nur die Begleitung.", forderte ich ihn auf, doch er winkte nur ab.

„Ihr seid beide unerträglich neugierig. Wartet es ab und unterhaltet euch doch einfach in der Zwischenzeit."

„Gut. Ava, wie geht es dir?", fragte Amber patzig.

Grinsend sah ich aus dem Fenster ehe ich ihr antwortete. „Gut, danke der Nachfrage und dir Amber?"

„Auch.", gab sie knapp zurück. „So Liam, wir haben uns unterhalten; alles Wichtige wurde geklärt. Wo fahren wir hin?" Ich musste über ihre Ungeduld lachen, aber sie war noch nie jemand gewesen der Überraschungen die angekündigt waren abwarten konnte. „Avalon, es wäre nicht schlimm wenn du mich unterstützen würdest!"

Entschuldigend hob ich die Hände, bemüht mein Lachen wieder zum verstummen zu bringen. „Es tut mir schrecklich leid Amber, dass ich die Lage in der wir uns befinden nicht die nötige Ernsthaftigkeit zukommen lasse." Vom Fenster wegdrehend sah ich Liam mit dem Ernsthaftesten Blick an, den ich gerade zustande brachte. „Liam Jefferson, würdest du uns nun das Ziel verraten nachdem wir, also meine Schwester und ich, deinem Wunsch der Gesprächsführung nachgekommen sind?"

Liam lachte nur und Amber schnaubte laut auf. „Ava, jetzt bleib doch einmal Ernst! Du willst doch auch wissen wo wir hinfahren." Ja aber ich war die große Schwester, niemals würde ich zugeben dass es mir selbst unter den Fingernägeln brannte herauszufinden wo unser Ziel war oder was. Was sollte Liam denn von mir denken? „Ach ja, Dad ist nicht mehr sauer auf dich.", teilte sie beiläufig mit. Liam und ich tauchten einen kurzen Blick aus. Wie das denn? Hatte er tatsächlich eingesehen, dass er falsch reagiert hatte?

„Und warum nicht?"

„Weil er irgendein Brief von irgendwem an dich gelesen hat wo stand, dass du das für Dave gemacht hast. Also diese Sache mit der Anklage. Ich finde du hättest das nicht machen sollen. Davie ist so ein Blödmann, der hat es gar nicht verdient dass du ihm hilfst.", befand sie und ich lächelte über ihre Aussage. Folglich hatte Dad meine Post geöffnet. Ich wusste nicht wie ich dazu stehen sollte. Auf der einen Seite war ich froh, dass er es endlich verstanden hatte, auf der anderen Seite spürte ich wie etwas unterschwellig in mir zu kochen begann. Er brauchte also einen Brief um zu glauben was seine Tochter ihm schon vorher zu erklären versuchte? Ich bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck als ich spürte wie Liam meine Hand drückte und festhielt. Wie schaffte er es bloß in solchen Situationen genau das richtige zu machen? Beinahe sofort fühlte ich mich besser, aufgehoben bei ihm. Sachte erwiderte ich den Druck. „Ava!"

„Was ist denn Amber?"

„Warum haltet ihr beiden Händchen? Seid ihr ein Paar? Ih, habt ihr euch schon geküsst? Wohnst du deswegen noch bei ihm?", brabelte sie los und in ihrem Entsetzen hatte sie unser vorheriges Gespräch anscheinend vergessen.

„Nein sind wir nicht. Warum sollten wir nicht Händchen halten?", fragte ich sie und hätte mich selbst hauen können. Ja, genau, weil Freunde so etwas immer machten. War ja auch nicht so, dass wir schon viel mehr gemacht hatten als uns nur zu küssen. Oder Auszuziehen.

„Aber er ist doch", sie holte tief Luft und sprach so angewidert als handel es sich um eine Seuche: „ein Junge!" Dieses Mal war es Liam der laut loslachte und ich konnte nicht anders als ebenfalls lauthals zu lachen.

„Oh Amber Jamber, tu mir den Gefallen und werde niemals älter, in Ordnung?", fragte Liam, sich noch immer lachend eine Träne wegwischend.

„Ich werde nie Jungs mögen, außer es ist ein Prinz natürlich." Ihre Stimme klang entschlossen und im Inneren stimmte ich ihr aus vollstem Herzen zu. Meine kleine Schwester würde niemals einen Freund haben, alleine weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass es jemals jemand geben würde der gut genug für sie war.

*

So viel wie bei dieser Fahrt hatte ich schon lange nicht mehr gelacht. Amber schien es sich als unausgesprochenes Ziel gesetzt zu haben Liam und mir diverse Beziehungsideen anzudichten nur um dann immer wieder festzustellen, dass er ja ein Junge war. Dass sie manchmal dabei verdächtig nahe der Wahrheit kam merkte sie zum Glück nicht. Und woher hatte sie diese Neugier? Sobald Liam mich etwas fragte, beugte sie sich weiter nach vorne um ihn verstehen zu können nur um dann für mich zu antworten oder mir vorschlug was ich am besten sagen sollte.

Wenn sie nicht dabei war sich in unsere Nicht-Beziehung einzumischen, sang sie lauthals Lieder im Radio mit, erzählte von ihrem Unterricht oder ihrem Lieblingsarzt, der ihrer Meinung nach ganz sicher etwas mit der Schwester Carol hatte. Aber zu meinem Erstaunen fand sie das vollkommen in Ordnung und sie habe ihm auch schon gesagt, dass er mit Carol ausgehen sollte. Schwester Carol wurde das ebenfalls mitgeteilt und Amber war sich sicher, sie sei ein wenig rot dabei geworden. „Und wenn sie schon dabei rot wird, dann ist sie auf jeden Fall verliebt!" Wir spielten ‚Ich sehe was, was du nicht siehst' oder wer zuerst welche Automarke entdeckte, als sie plötzlich ganz entsetzt aufschrie.

„Ah!", rief sie schrill, hüpfte auf ihren Sitz und deutete vollkommen sprachlos auf ein Schild vor uns. „Oh mein Gott. Oh mein Gott. Oh mein Gott!" Ich drehte mich nicht schnell genug um, um noch lesen zu können was dort stand und vielmehr machte ich mir Sorgen um Amber, die beinahe hysterisch nur noch am kreischen war. „Oh mein Gott!"

„Amber, was ist denn los?", fragte ich sie, bemüht sie irgendwie wieder runter und vor allem ruhig zu bekommen. Ihr Gesicht war rot angelaufen, ihre Augen riesen groß aufgerissen. Sie bekam meine Frage gar nicht mehr mit, soweit weg war sie.

Liam neben mir lachte schon wieder. „Amber, schau mal nach links aus dem Fenster.", sagte er ihr und setzte den Blinker um die Abfahrt zu nehmen. Ich folgte seiner Anweisung und verstand, was Amber so sehr aus ihrer Fassung gebracht hatte. Gerade noch so konnte ich selbst vermeiden zu schreien, doch als wir weiter fuhren, ich den Schriftzug lesen konnte, verlor ich jegliche Selbstbeherrschung und Liam vermutlich sein Gehör.

 Gerade noch so konnte ich selbst vermeiden zu schreien, doch als wir weiter fuhren, ich den Schriftzug lesen konnte, verlor ich jegliche Selbstbeherrschung und Liam vermutlich sein Gehör

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„Und es kommt noch besser", sagte Liam als er auf einem der Parkplätze hielt und den Wagen ausschaltete. „Seht ihr da drüben das Schloss?" Die Hastingsfraktion nickte sprachlos, überwältigt von der Erkenntnis wirklich hier zu sein. „Da werden wir heute Nacht schlafen." Wir schrieen erneut auf und in meiner Begeisterung küsste ich den überraschten Liam auf den Mund.

„Ih Ava, du hast ihn geküsst! Ich habe es genau gesehen! Bah, war das ekelig!"

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