7. Kapitel

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Ich hätte schneller sein müssen, hätte ich doch nur vorher erkannt, dass es ein Badezimmer gewesen sein musste. Eine Hand berührte meine Schulter, lästig schüttelte ich sie ab. „Was sollen wir machen?", fragte Josh. Zumindest vermutete ich das, denn das Blut was noch durch meine Ohren rauschte machte es schwer etwas zu verstehen. Trotzdem, ich musste rational denken. Hier den Kopf zu verlieren würde Ava nicht helfen. Fuck, ich wusste nichts was Drogen anging!

„In meiner Tasche ist eine Flasche Wasser, bringt die. Wer weiß wo der noch alles was verteilt hat. Und kümmert euch um diesen Wichser!" Ich sah in Ava's schimmernde Augen, die fest auf mich gerichtet waren. „Und ruft ein Krankenwagen." Ihre Hand in meiner fühlte sich kalt an. „Ava, ich werde dich jetzt hinsetzen und dir das Oberteil anziehen okay? Alles wird gut." Wie hoch war die Chance, dass sie mich überhaupt verstand? Vorsichtig trat ich hinter ihr, zog sie unter den Armen hoch und nutze mein Knie um sie daran anzulehnen, während ich die letzten Fetzen achtlos wegwarf. Trainiert durch Noah's Zustand zog ich ihr mein Shirt über, bevor ich sie zur Wand zog um sie da an die Wand zu lehnen. Schreie ertönten, ich nahm sie nicht wahr. Speichelreste hingen zwischen ihren Haaren und am Mund. Hatte sie erbrochen? Ich nahm das Handtuch, machte es nass und wischte die Reste weg. Ava lallte etwas, aber ich verstand sie nicht.

„Hier. Krankenwagen und Polizei sind unterwegs. Noah hält die anderen fern, Kyle und Tyler kümmern sich um Dave und Jeff. Verfluchte Bastard." Dankend nahm ich Josh die Flasche ab.

„Wieso um Dave? Und warum kommt die Polizei?", fragte ich irritiert. War es so mitgenommen wegen seiner Schwester? Warum war er dann nicht hier?

„Dave hat Jeff zwischen die Finger bekommen, gab eine hässliche Schlägerei zwischen den beiden und jemand hat deswegen die Polizei gerufen. Hat drei Leute gebraucht um ihn von Jeff runter zu ziehen, aber hat ihn trotzdem ganz schön erwischt.", berichtete Josh und begutachtete die ramponierte Tür, die nur noch schwach in den Angeln hing.

Ich drehte die Flasche auf und hielt sie Ava vor den Mund. „Ava, ich weiß dass du vermutlich nichts trinken willst, aber du musst trotzdem ja? Das verzögert die Aufnahme ins Blut." Glaubte ich zumindest, bei Alkohol war das schließlich auch so. Brav trank sie fast die Hälfte der Flasche leer, als man die Sirenen hören konnte. Erleichterung überkam mich. Endlich konnte ihr jemand helfen der Ahnung hatte von dem ganzen. Aber warum waren es so viele? Irritiert versuchte ich etwas aus der Tür zu sehen, aber ich konnte nichts erkennen. Josh ging raus um Noah dabei zu helfen den Sanitätern Platz zu machen, während ich Ava's Hand wieder zwischen meine nahm.

Gelbe Neonfarben leuchteten auf und dann kam der erste Sanitäter mit einem Rucksack zu uns. Routiniert scannte er die Situation, bis er mich ohne Shirt sah. „Was ist passiert?" Ich berichtete ihm von dem Anruf, was ich gehört hatte und wie ich sie vorgefunden hatte.

Er deutete auf die Flasche neben ihr. „Hat sie darauf getrunken?"

„Ja, aber eben erst. Die Flasche war von mir, ich dachte dass sie was trinken sollte zum verdünnen." Es klang mehr wie eine Frage als eine Aussage, aber der Sanitäter nickte geistesabwesend. Mit einer kleinen Lampe leuchtete er in ihre Augen, hob ihre Arme und ließ sie wieder los. Sie fielen kraftlos zurück.

„John, habe hier eine weitere Patientin, bringt die Trage mit und bereitet Infusionen vor. Wir werden ein Intensivbett benötigen und sagt denen, dass sie vermutlich unter Drogen steht." Er sah zu mir. „Hat sie irgendwelche Erkrankungen?"

Mein Kopf raste. „Ich glaube nicht, ihre Schwester hat kaputte Nieren. Aber sonst müssen Sie ihren Bruder fragen Sir, der ist auch hier."

Der Sanitäter musterte mich ernst. „Welcher? Den mit den gebrochenen Kiefer oder der mit der gebrochenen Hand?"

Was? Was war da passiert? „Der mit den schwarzen Haaren. Dave Hastings." Wieder nickte der Sanitäter, dann kamen zwei weitere mit einer Trage zwischen ihnen denen er eine kurze Zusammenfassung gab. Und irgendwie wurde ich zu einem unbeteiligten Zuschauer, der zusah wie sie Ava auf die Trage legten, Elektroden auf ihrem Oberkörper verteilt wurden, sie einen Zugang bekam, durch die sie erst Blut abnahmen, dann eine Infusion lief und so bemerkte ich gar nicht, dass mich der Sanitäter ansprach. Ich zwinkerte. „Was?"

„Ob du mitkommen willst, es ist sicher nicht verkehrt wenn ein Vertrauter bei ihr ist, auch wenn sie es nachher vergisst."

Wenn er wüsste wie weit er mit dem Vertrauten gefehlt hatte. Trotzdem nickte ich und bekam die Infusion in die Hand gedrückt, die ich hochhalten sollte. Erst jetzt sah ich die andern Schüler die von der Polizei und meinen Freunden zurückgehalten wurden. Handys leuchteten auf, als wir an ihnen vorbei liefen. Fassungslos sah ich sie an. Filmten sie gerade ernsthaft wie Ava betäubt auf einer Trage transportiert wurde? Was war mit diesen Menschen falsch? Hatte Ava nicht jedes Recht auf Privatsphäre verdient? Kyle stand an der Haustür und reichte mir schnell ein Stoffbündel, vermutlich damit ich mich selbst nachher bedecken konnte, wo Ava meins trug. Draußen erwartete uns ein Lichtermeer an Blau, weiß und rot. Vier Streifenwagen standen um die Einfahrt, ein Krankenwagen fuhr gerade weg, bei einem weiteren wurden die Türen zugeschlagen, sodass ich nicht sehen konnte wer darin saß. Wir steuerten den letzten an. Wie sich herausstellte war der Sanitäter kein Sanitäter sondern ein Notfallarzt. Mir war das egal, solange sie Ava helfen konnten.

„Wir fahren ins Pediatric Hospital. Hast du eine Möglichkeit die Eltern von den beiden zu informieren?", wurde ich gefragt und ich nickte. Ava's Handy hatte ich zum Glück mit eingepackt und es zu Entsperren war kein Problem, genauso wenig wie die Nummer ihres Vaters zu finden. Es dauerte nicht lange, bis er abhob. Ich erklärte in kurzen Sätzen was passiert war und Mr. Hastings versprach sofort loszufahren. Danach rief ich Dad an, damit der Jeff's Eltern Bescheid gab, was diese Wichser eigentlich nicht verdient hatte. Dad versprach sich um alles zu kümmern und sich dann selbst auf den Weg zu machen, auch um Mr. Hastings juristische Unterstützung anzubieten. Dankbar verabschiedete ich mich. An juristische Unterstützung hätte ich eigentlich nicht gedacht, weil für mich der Fall eindeutig war aber das konnten die unter sich klären.

Der Arzt kontrollierte immer wieder Ava's Augen oder sah zu den Monitor der ihre Herzaktivität anzeigte. Dabei war er so ruhig, dass ich selbst begann ruhiger zu werden.

„Und sie hat sich auf der Toilette eingesperrt?", fragte er zum wiederholten Male.

„Ich vermute es. Sie hatte Speichelreste zwischen den Haaren also vermute ich, dass sie versucht hat sich die Finger in den Hals zu stecken."

Überrascht hob er seine Augenbrauen, dann musterte er Ava erneut. „Kluges Mädchen. Wirklich sehr klug." Auch ich war stolz auf ihren Verstand, nie im Leben hätte ich so gehandelt.

„Sir, wie geht es ihrem Bruder?", erkundigte ich mich neugierig.

Er zuckte mit den Schultern und gab die Frage an die beiden im Fahrerhaus weiter. „Den Umständen entsprechend." War die Antwort, stattdessen wurden wir über die Ankunft am Krankenhaus informiert. Der Wagen kam zum Halten, die Türen wurden geöffnet, mir die Infusion wieder in die Hand gedrückt und schon ging es in die Ambulanz, wo eine ältere Schwester mit einem anderen Arzt wartete. Wir wurden direkt in einen leeren Raum geleitet, während der eine Arzt dem anderen erzählte was er wusste.

„Hallo Ava.", begrüßte die Schwester sie fürsorglich und Ava versuchte ihr zu antworten.

Irritiert sah ich die beiden an. „Kennen Sie sich?"

Die Schwester, deren Namenschild sie als Magret vorstellte, lachte leise. „Aber ja, ihre kleine Schwester wird hier behandelt, der kleine Sonnenschein. Schlimm, dass ihr so etwas passieren musste." Ich antwortete nicht, sondern setzte mich lieber auf den Stuhl neben Ava um ihre Hand wieder in meine zu nehmen. Schwester Magret verabschiedete sich um das Blut ins Labor zu bringen und zum ersten Mal seit Vier Monaten war ich mit Ava alleine.

Ich wünschte es wäre unter anderen Umständen gewesen.

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