1.0: Eine unglaublich große Memme

4.7K 205 44
                                    

1: Ein neuer Job

Als ich am nächsten Morgen bei meinem Frühstück saß, konnte ich die Situation immer noch nicht recht glauben. Ich hatte gestern in wenigen Stunden einen neuen Arbeitsplatz bekommen. Fassungslos starrte ich auf den Ordner, den ich gestern Abend sorgfältig angelegt und in den ich alle Papiere geheftet hatte. Während ich mir einen Klecks Marmelade vom Finger leckte, überlegte ich, ob ich den Ordner - nicht zum ersten Mal - öffnen sollte, um die ganzen Verträge noch einmal durchzusehen und nach dem berüchtigten Kleingedruckten zu suchen, das mir den Haken an der Sache erklärte. Jedoch entschied ich mich dagegen, denn mein Finger war nun angesabbert, klebte dafür aber immer noch. Keine gute Idee, mit diesem einen wichtigen Vertrag zu berühren.

Also ging ich in meinem Kopf noch einmal durch, was ich zu tun hatte. Bei meiner neuen Arbeit handelte es sich um einen Job als 'geheimer Bodyguard'. Ich sollte meinen neuen Schützling, den berühmten Sänger Louis Tomlinson, von jetzt an begleiten, sobald dieser es verlangte, und dafür sorgen, dass er sein Ziel sicher erreichte. Offiziell sollte ich lediglich als eine Freundin des Sängers ausgegeben werden und ich hatte so meine Vermutungen, was der Grund dafür sein konnte.

Wahrscheinlich war dies eine weitere Strategie, um den Sänger sympathischer darzustellen, näher an der Realität. Denn natürlich wirkte eine Person freundlicher, wenn sie nicht durchgängig von grimmig schauenden Sicherheitsmenschen umgeben war. Allerdings traute man sich anscheinend auch nicht, alleine aus dem Haus zu gehen. Was für eine Memme! Es handelte sich bei den Menschen doch lediglich um die eigenen Fans! Aber das war nicht mein Problem und solange ich Geld dafür bekam, sollte es mir recht sein.

Dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, dem Manager meine Adresse preiszugeben, wurde mir bewusst, als es an der Tür klingelte. Karly, mein Hund, sprang sofort von seinem geliebten Platz in der Ecke neben der Heizung auf und fing zu bellen an.

"Klappe, Karlchen", grummelte ich, schnappte mir das Halsband meines Haustieres und hielt ihn daran fest, während ich zur Wohnungstür ging und diese öffnete.

"Was kann ich für Sie tun?", fragte ich und sah auf den Mann, der vor mir stand. Er war mit einem schwarzen Anzug bekleidet, trug eine Krawatte, hatte eine Sonnenbrille auf der Nase und sah doch etwas schockiert aus, als er den Dobermann zu meiner Rechten erblickte.

"Der macht nichts", beruhigte ich ihn, drehte mich halb um und griff nach der Leine, um diese an Karlys Halsband zu befestigen, nicht, weil mein Hund mir nicht gehorchte, sondern, damit der Typ vor mir nicht auf dem Absatz kehrt machte und floh.

"Sie sind Mia Gibson?", fragte dieser nun und schielte über die Sonnenbrille hinweg argwöhnisch auf meinen Hund.

"Ja", antwortete ich und sah ihn fragend an.

"Ich soll Sie mit nach unten begleiten. Mr Tomlinson wartet dort bereits auf Sie."

"Oh", machte ich intelligent, vollführte eine (beinahe) gekonnte 180° Wende und griff nach meinen Schuhen. Im Laufen schnappte ich mir auch meine Jacke und warf dann einen sehnsüchtigen Blick auf den gedeckten Frühstückstisch. Nun ja, Abräumen wurde im Allgemeinen so oder so überbewertet.

Dem Mann mit nach unten folgend wickelte ich mir Karlys Leine halb um das Handgelenk, genau so, wie man es nicht tun sollte, und trat dann nach draußen, um dort eine riesige schwarze Limousine zu erkennen. Da kam man sich mit einem gebrauchten VW Polo auch gleich schon viel ärmer vor.

Der Anzugträger hielt mir die Tür auf und ich glotzte ihn unsicher an.

"Wenn ich Sie bitten dürfte ...", begann er, woraufhin ich verstand, mich in Bewegung setzte und mich auf einen gemütlichen, weißen Ledersitz fallen ließ.

"Morgen, Mia", grüßte mich eine bekannte, für einen Mann relativ hohe, aber sympathisch klingende, Stimme und ich fuhr herum, um den Braunhaarigen neben mir zu erkennen.

Karly hatte es sich in der Zwischenzeit auf dem Sitz zu meiner Linken bequem gemacht, was den jungen Mann dazu brachte, ein wenig zur Seite zu rücken, bis er mit einer Seite an die Tür des luxuriösen Autos knallte.

"Ach du Scheiße, was ist das denn?", keuchte er und musterte den großen Hund respektvoll.

"Das", grinste ich und zeigte auf diesen, "ist meine Art, sich einen Weg durch eine Menschenmenge zu bahnen. Hat bisher immer geklappt!"

"Glaub ich gern", grummelte der Mann, der einen hellgrauen Hoodie und eine schwarze, etwas engere Jeans trug.

"Na du?", meinte er dann, streckte seine Hand aus, um dem Hund den Kopf zu tätscheln und zuckte zurück, als dieser zu ihm herumfuhr.

"Solange ich da bin, macht er eh nichts", erklärte ich lachend und verwuschelte sein kurzes Fell. "Nicht wahr, Karly?"

"Karly?!", rief der Mann entgeistert aus. "Das Vieh heißt Karly?! Ich dachte, er hätte jetzt wenigstens auch einen bedrohlichen Namen wie Brutus oder so. Aber Karly?!"

"Eigentlich Karl der Große", erläuterte ich achselzuckend. "Das klingt allerdings einfach scheiße und noch dazu brauchst du Jahre, bis du es ausgesprochen hast. Also Karly."

Kopfschüttelnd wandte er sich dem Fenster zu, während der Fahrer sich in der Zwischenzeit ans Steuer gesetzt hatte und das Fahrzeug sich nun langsam in Bewegung setzte.

Während ich den Braunhaarigen musterte, wurde mir verspätet etwas bewusst. Er hatte sich mit Louis vorgestellt.

"Moment mal. Du bist Louis Tomlinson?!", platzte es aus mir heraus und ich sah ihn verwundert an.

Er öffnete seinen Mund, sah dann ebenso verwundert zurück und runzelte die Stirn.

"Ich dachte irgendwie, das wäre klar ...?", meinte er dann.

Mit großen Augen blickte ich ihn an.

"Du bist mein Arbeitgeber ... sollte ich mich also vielleicht ... irgendwie anders verhalten?", fragte ich vorsichtig. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sonst sich so mit seinem Boss unterhielt.

"Habe ich dich nicht gerade eingestellt, weil ich keinen Bock auf diese ganzen Leute habe, die ihre Arbeit viel zu ernst nehmen und mit denen man keine Scherze machen kann?", fragte er zurück.

"Ich dachte ... es ginge hauptsächlich um dein Image?", mutmaßte ich.

"Das auch", meinte er grinsend, "aber man muss es ja nicht jedem auf die Nase binden. Außerdem wäre es mir wirklich lieber, wenn wir nicht nur so tun würden, als wenn wir befreundet wären."

"Okay", antwortete ich achselzuckend. "Und was machen wir jetzt?"

"Jetzt", erklärte er, "holen wir meine Freundin ab. Und dann könnten wir uns dein Haus angucken."

"Ich verstehe nicht ganz, wieso ich überhaupt umziehen muss", murmelte ich in mich hinein, doch er hatte es gehört und antwortete mir.

"Aus dem einfachen Grund, dass du dann schneller in Reichweite bist. Ich will nicht selbstsüchtig klingen oder so, aber es ist schon nervig, wenn man irgendwohin muss und dafür eine halbe Stunde länger braucht, weil der Bodyguard nicht zu Potte kommt."

"Klingt nicht selbstsüchtig", beruhigte ich ihn, "es ist ja immerhin mein Job."

Er grinste mich erneut an.

"Ich sehe, wir verstehen uns."

Das taten wir wirklich. Ich hielt ihn zwar für einen erbärmlichen Feigling, aber er schien nett zu sein. Das eine musste das andere ja nicht unbedingt ausschließen.

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now