8.2: Das Problem, für das ich nichts konnte

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Es war laut, es war stickig und dennoch genoss ich es, neben Louis auf einer Couch zu sitzen und stumm die anderen Leute zu beobachten. Zu unser beider Glück schienen es Olivia und Leah nicht für nötig zu halten, ihren Gästen zu erzählen, was für eine Berühmtheit sich unter ihnen befand und somit gingen wohl die meisten davon aus, Lou wäre mein Freund und ließen uns in Ruhe. Ich konnte nicht sagen, dass ich es ihnen übelnahm, denn mir gefiel es ganz einfach neben ihm zu sitzen, in einem angemessenen Abstand, aber trotzdem so eng, dass sich unsere Schultern gelegentlich streiften.

"Und, wie gefällt es dir?", brüllte ich gegen die Lautstärke an und er neigte sich leicht zu mir hinüber, um mich besser verstehen zu können.

"Ich bin andere Partys gewöhnt", gab er zurück. Seine Lippen berührten fast mein Ohr, was es dennoch nicht viel leichter machte, ihn zu verstehen. "Normalerweise kenne ich die Leute, jedenfalls vom Namen her ..."

Er fuhr fort etwas zu sagen, aber ich konnte ihn unmöglich verstehen, weshalb ich ihm einen Finger auf die Lippen legte und ihn hochzog, um ihm zu deuten, dass er mir folgen sollte.

Er verstummte sofort, was mir ein kribbelndes Gefühl der Genugtuung einbrachte und folgte mir ohne Widerworte, als ich ihn durch eine Hintertür in den angrenzenden Kuhstall führte.

"Der Geruch ist gewöhnungsbedürftig, aber die Lautstärke eindeutig geringer", meinte ich entschuldigend. Dad hatte mich ohnehin darum gebeten, später nochmal nach den Tieren zu sehen. Diese glotzten uns erwartungsvoll an. Kühe sahen schon blöd aus, oder? Intelligenzbolzen waren sie garantiert nicht.

Karly, den ich vorsorglich bei Fiona im Stall gelassen hatte, sprang ausgelassen zu mir und drückte seine kalte Schnauze gegen meine Handfläche, als ich mich zu Boden sinken ließ und auf die freie Stelle neben mir klopfte, um Louis dazu aufzufordern, sich zu setzen.

Meine Geste wurde fehlinterpretiert, sodass sich mein Hund gehorsam neben mir niederließ, während Louis auf meiner anderen Seite Platz nahm.

"Na gut, dann eben so", murmelte ich achselzuckend und wandte mich dann dem Braunhaarigen zu.

"Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich dich ein bisschen aus dem Trubel geholt habe", begann ich entschuldigend.

"Ach was", sagte er sofort abwinkend, "hier ist es eh gemütlicher."

Dieser Aussage konnte ich nicht unbedingt zustimmen - immerhin befanden wir uns in einem Kuhstall -, aber er mochte wohl seine Gründe dafür haben.

"Ich mag Partys", erklärte ich ihm dann und griff mir einen herumliegenden Heuhalm, um vergeblich zu versuchen, einen Knoten hineinzubekommen. "Allerdings nur, wenn die Leute wenigstens halbwegs in meinem Alter sind."

Ich beobachtete wachsam seine Reaktion und gönnte mir dabei einen Augenblick, in dem ich sein Gesicht genauer musterte. Er war gutaussehend, wie ich zu meinem Erstaunen erst jetzt wirklich bemerkte. Etwas höhere Wangenknochen, lebensfrohe, funkelnde Augen in einem außergewöhnlich reinen Blau und ein leichter Bart, gerade lang genug, um ihn ein wenig älter wirken zu lassen, jedoch nicht so lang, dass es ihn in die Schublade der über Vierzigjährigen verschlagen hätte. Mir wurde bewusst, wie seine Augen strahlten, wenn er redete. Nur einmal zuvor hatte ich das erkannt, damals, als er mir von seinem über alles geliebten Sohn berichtet hatte.

"... sollte ich dich vielleicht mal mitnehmen, was sagst du?"

Verwirrt blinzend erkannte ich, dass er tatsächlich die ganze Zeit über geredet hatte. Ich war scheinbar ziemlich gut darin, so etwas auszublenden.

"Ja, klingt gut", nuschelte ich daher lediglich und wandte meinen Blick verlegen ab, damit er die Verwirrung darin nicht erkennen konnte.

Ich konnte nur hoffen, nichts zugestimmt zu haben, was ich später bereuen würde, aber da hatte ich Vertrauen in ihn. Er würde schon einen guten Vorschlag gemacht haben.

"Du hast keine Ahnung, was ich gerade gesagt habe", ertappte er mich und wegen dieser peinlichen Entdeckung spürte ich, wie mir das Blut in den Kopf schoss.

"Also hör lieber auf, heimlich von den Kühen zu schwärmen und spitz die Lauscher", scherzte er dann und gab mir einen freundschaftlichen Stoß mit dem Ellebogen.

"Ich bin ganz Ohr", versicherte ich ihm, immer noch ein wenig verlegen und richtete meinen Blick erneut auf den Heuhalm, der noch immer in meinen Händen ruhte.

In strapazierter Geduld den Kopf schüttelnd begann er erneut:

"Wie wäre es damit, wenn du nächstens mal zu einer der Partys mitkommst, die ich für gewöhnlich besuche? Als Bodyguard, meine ich natürlich, aber ich denke, wenn ich auf so einer Party war, solltest du vielleicht auch mal mit mir kommen ..."

Seine Stimme verebbte und er sah mich abwartend an.

"Warum nicht auch mal als Freunde, wenn du so oder so nicht vorhattest, zu einer zu gehen, sondern nur, um dich zu revanchieren?", schlug ich vor. "Ich denke, dass du dort niemanden haben willst, der die Mutter für dich spielt."

"Das tust du auch so nicht!", protestierte er.

Ich zuckte lediglich mit den Schultern und sah weg.

"Nun ja, es ist aber ein anderes Gefühl, wenn man mit einem Freund zu einer Party geht, als wenn man mit seinem Chef dort ist", erklärte ich ihm.

Auch er zuckte mit den Achseln.

"Na schön, bei dir ist es wahrscheinlich eh egal", grummelte er schließlich.

"Was soll das jetzt bitte heißen?", antwortete ich, ein wenig gekränkt und er verschluckte sich vor Schreck fast.

"Nein, das war nicht als Beleidigung gemeint!", beeilte er sich zu sagen. "Ich bevorzuge es nur normalerweise eine geschäftliche Basis zu meinen Angestellten zu bewahren. Vor allem der Presse wegen. Du weißt ja, was bei Briana passiert ist ... aber dein Job ist es ja quasi, wie meine Freundin zu wirken, also macht es keinen großen Unterschied."

Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an.

"Und du glaubst, dass ich eine solche Bumsmatratze bin? Ich werde nicht automatisch schwanger, nur weil wir befreundet sind, das ist dir doch hoffentlich klar?"

In meiner Stimme schwang mehr Schärfe mit, als ich beabsichtigt hatte, denn seine Aussage hatte mich mehr verletzt, als sie eigentlich sollte.

"Nein!", rief er sofort und nun war er an der Reihe zu erröten. "Ich meine nur ... Briana ist ja auch keine ...", stammelte er vor sich hin.

"Was Briana zu etwas bewegt hat, weiß ich nicht", fauchte ich, "aber dein Ego ist vielleicht ein bisschen zu groß, wenn du denkst, dass keiner mit dir befreundet sein kann, ohne mehr zu wollen."

Er sah mich nun ebenfalls gekränkt an.

"Ach, was rede ich hier eigentlich für einen Schwachsinn? Um ehrlich zu sein, bist das Problem wohl eher du, als irgendwelche Angestellten, ... aber ... es liegt nicht an dir, Mia", sagte er dann mit kontrollierter Selbstbeherrschung. Wie kam er denn jetzt plötzlich auf dieses Thema?

"Besser gesagt", fuhr er fort, "doch, es liegt an dir, ohne, dass du nur die geringste Schuld an der Sache trägst. Und genau das ist ja das große Problem."

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now