5.1: Der Gartenzwerg des Tages

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Am Flughafen erwartete uns eine braunhaarige, junge Frau. Sie sah freundlich aus, doch meine Aufmerksamkeit war eher auf den kleinen Jungen gerichtet, der fröhlich umherhüpfte und Louis in die Arme fiel, sobald er diesen erkannte.

"Daddy!", rief er freudig aus und klammerte sich an seinen Vater, welcher ihn hochhob und auf den Arm nahm.

"Hey, Freddie", erwiderte dieser glücklich und drückte den Vierjährigen an sich. Dann wandte er sich der Mutter seines Sohnes zu, streckte seinen freien Arm aus und umarmte sie flüchtig.

"Schön, dich zu sehen", meinte er.

Ich war einige Meter hinter ihnen und sah mich ein wenig unsicher um. Ich wollte die kleine, soeben wieder vereinte Familie nicht sofort unterbrechen, indem ich mich einmischte, daher suchte ich nach weiteren bekannten Gesichtern. Ich wurde fündig, allerdings auf eine andere Weise, als ich gehofft hatte. Dave und Rick, zwei der wenigen Bodyguards, die ich mittlerweile mit Namen kannte, waren anscheinend ebenfalls mitgekommen.

"Der Kampfzwerg ist auch hier, sieh mal einer an", kicherte Rick sofort, den ich (im Flieger mal ausgenommen) zum letzten Mal beim Konzert gesehen hatte. Er zwinkerte mir zu, um mir zu sagen, dass er es nicht ernst meinte.

"Die menschlichen Schränke!", konterte ich grinsend.

Dave hingegen schien wirklich nicht sonderlich begeistert zu sein, mich zu sehen. Ich erkannte es an seinem Gesichtsausdruck, der emotionslos in die Leere starrte.

"Hi Leute", grüßte ich die beiden und hob eine Hand. "Wie geht's?"

Irgendwie musste ich mich ja mit ihnen unterhalten.

"Bei bezahltem Urlaub ist die Laune immer klasse", erwiderte Rick und fuhr sich durch die rotbraunen, kurzen Haare.

"Ihr wisst, dass ihr trotzdem arbeiten müsst, oder?", fragte ich mit gerunzelter Stirn.

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Arbeiten", wiederholte er unzufrieden. "So muss man es ja nicht unbedingt formulieren! Wir machen hier einen netten Urlaub und müssen ab und zu mal einem Kumpel zur Hilfe eilen."

Ich zuckte mit den Achseln. Wenn sie es so ausdrücken wollten?

"Schau mal, Freddie, das ist Mia", ertönte es plötzlich hinter mir und ich horchte beim Klang meines Namens auf. "Sie arbeitet jetzt mit mir zusammen."

Ich setzte, vor allem dem Kind zuliebe, ein strahlendes Lächeln auf und winkte.

"Hallo, Freddie", grüßte ich den kleinen Jungen, welcher freudig kicherte und mir nun ebenfalls zuwinkte.

"Aber vor Mias Hund solltest du dich fern halten, Freds", warnte sein Dad ihn und strich ihm mit der freien Hand über die blonden, ebenso wie seine verwuschelten Haare.

"Ja", bestätigte auch ich schnell. "Karly mag andere Leute nicht so gerne."

Dabei nahm ich die Leine ein wenig kürzer in meine Hand, denn ich hatte keine Lust auf eine Demonstration meiner Aussage. Große Menschenmengen machten den armen alten Jungen immer unglaublich nervös.

"Ganz nebenbei", meinte ich dann zu Louis, "wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, wie das alles abläuft ... wo übernachte ich eigentlich?"

Zu meiner Erleichterung hatte er darauf wirklich eine Antwort. Er hatte mich somit also nicht vergessen!

"Alle Leute, die mitgekommen sind, schlafen in einem Hotel in der Nähe von Brianas Haus. Es ging leider nicht anders, wir bekommen nicht alle im Haus unter."

"Cool", entgegnete ich. Ein Hotel schien doch sehr entspannt zu sein. Doch dann fiel mir noch eine weitere Sache ein und ich stockte.

"Aber ich muss mein Zimmer mit niemandem teilen, oder?", wollte ich ängstlich wissen und er lachte.

"Sehe ich so aus, als  hätte ich nicht genug Geld, um meinen Angestellten eigne Zimmer zu besorgen?", stellte er mir eine Gegenfrage und ich atmete erleichtert auf.

"Ihr habt einen kompletten Flur für euch, keine Angst", fügte er dann noch hinzu, wandte sich jedoch nun wieder zu seinem Sohn, der wild drauflos plapperte und seinem Dad von allen möglichen, mehr oder weniger interessanten, Dingen erzählte.

Ich hingegen machte mich nun auf eigene Faust auf den Weg und folgte allen anderen, die schon weiter vorne waren. Allerdings wurde ich von dem Braunhaarigen zurückgehalten.

"Ich ruf dich später an, wenn ich dich brauche", kündigte er noch an und ich nickte.

"Es war nichts anderes zu erwarten", entgegnete ich, schnappte mir meinen Koffer und eilte mit diesem den anderen hinterher.

Ein Bodyguard blieb zurück, der Louis und seine kleine Familie wahrscheinlich sicher nach Hause bringen würde, doch dafür wurde ich glücklicherweise nicht benötigt.

Vor dem Flughafen angekommen, erwartete mich allerdings die herbe Enttäuschung, dass keine coolen, luxuriösen Autos auf uns warteten. Genau genommen wartete eigentlich gar keiner auf uns. Ratlos blieb ich auf der Stelle stehen und sah mich um. Und jetzt? Zum Glück gab es allerdings Mitmenschen, die ein wenig sozialer als der feine Mister Tomlinson waren, der mir rein gar keine Informationen gegeben hatte, denn Rick und Dave gabelten mich dort auf. Auch wenn Dave nicht allzu begeistert aussah, musste ich ihm doch dafür dankbar sein, dass er mir ein wenig half - alleine wäre ich vollkommen überfordert gewesen.

"Wir nehmen uns ein Taxi", erklärte er mit seiner brummenden Stimme und wendete sich in Richtung Sonne, die seine Glatze wunderschön glänzen ließ, um sich auf zu einem der vielen wartenden Autos zu machen.

Zwar waren auch sie keine wahren Gentlemen, denn ich musste meinen Koffer trotz allem selbst schleppen, aber das wäre ja auch ein wenig viel erwartet gewesen. Demnach saß ich schon bald auf dem mehr oder weniger gemütlichen Vordersitz eines Taxis. Mein Hund hatte sich irgendwie in den Fußraum gequetscht, was allerdings ziemlich eng war. Dies quittierte er mit genervtem Knurren, das wiederum den Fahrer dazu brachte, uns mit einem ängstlichen und auch misstrauischen Blick zu mustern.

"Das Hotel wird dir sicher gefallen, Mia!", grinste Rick aus dem hinteren Teil des Autos, nur, um irgendein Gespräch anfangen zu können.

"Wird es das?", murmelte ich ein wenig unkonzentriert, da ich gerade sauer auf Louis war. Er hatte mich einfach so dort stehenlassen, ohne mir irgendetwas mitzuteilen!

"Ich wette drauf!", lachte er.

Ich jedoch hörte nur mit halbem Ohr zu, da ich in meinem Kopf Schimpfnamen für Louis suchte. Frucht- oder Gartenzwerg waren momentan meine Favoriten. Allerdings musste ich auch zugeben, dass er von seinem Sohn vielleicht ein wenig abgelenkt gewesen war. Trotzdem war Louis für mich heute der Gartenzwerg des Tages.

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now