6.2: Eine ziemlich gute Idee

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Verwirrt und vielleicht sogar ein wenig verärgert sah mich der Braunhaarige an, schüttelte irgendwann mit dem Kopf und deutete auf den Ausgang.

"Komm", meinte er müde, "draußen wartet ein Wagen auf uns."

Mir entging nicht, dass er meine Frage ignoriert hatte, doch ich beschloss, ihm erst einmal Zeit zu geben, um seine Gedanken zu sortieren, bevor ich ihn erneut darauf ansprach.

Tatsächlich behielt er Recht, auf dem großen Parkplatz beim Flughafen wartete ein schwarz glänzender Wagen auf uns, dessen Scheiben getönt waren. Damit ich nicht allein auf der Rückbank sitzen musste, gesellte sich Louis zu mir. Nachdem ich es mir auf dem gemütlichen Sitz bequem gemacht hatte, musterte ich den Sänger gründlich.

"Und jetzt erklärst du mir bitte mal, was du die ganze Zeit zu machen versuchst. Ich hab nämlich keinen Bock darauf, mir deine ganzen Launen gefallen zu lassen, ohne den Grund dafür zu verstehen."

Ich wusste, dass es ein wenig riskant war, so mit ihm zu reden, schließlich arbeitete ich nun gerade einmal drei Wochen für den jungen Star, meine Probezeit war noch nicht einmal abgelaufen. Allerdings glaubte ich nicht, dass ich ihn anders dazu bringen konnte, mir überhaupt etwas zu sagen, daher ging ich das Risiko ein.

"Ich warte", fügte ich noch hinzu und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf dem Lederbezug des mittleren Sitzes herum, was Karly, der auf diesem saß, dazu veranlasste, wie wild an dieser Stelle zu schnuppern. Er dachte wohl, ich hätte ihm etwas zeigen wollen. Louis hingegen wich meinem Blick gekonnt aus, indem er aus dem Fenster starrte.

"Es geht dich eigentlich nichts an, Mia", grummelte er irgendwann, ein berechtigtes Argument, das wahrscheinlich auch noch stimmte, aber ich hatte einen Konter parat.

"Und du glaubst, dass es für mich entspannend ist, den ganzen Tag mit dir zu verbringen, wenn du aus irgendeinem Grund scheiße drauf bist?"

Wieder starrte er aus dem Fenster, bis er schließlich seufzte.

"Wenn du es unbedingt wissen willst ..."

"Ja!", bestätigte ich mit Nachdruck.

Er verdrehte die Augen.

"Du weißt sicher, dass Liam, Harry, Niall und ich mal eine Band hatten, One Direction."

Wer wusste das schon nicht? Doch ich verkniff mir diese schnippische Antwort, aus Angst, er könnte eingeschnappt sein und dann die Klappe halten.

"Und als wir die Pause begonnen haben, haben wir uns versprochen, dass wir spätestens 2020 weitermachen wollen. Liam hat sogar Geld darauf verwettet. Tja, und jetzt haben wir 2020 und ich versuche sie an ihr Versprechen zu erinnern, aber erfolglos, wie es scheint ..."

Obwohl ich nicht verstand, wieso er daraus so ein Drama gemacht und mir die ganze Geschichte nicht schon vorher erzählt hatte, empfand ich Mitgefühl für ihn. Ich hatte schon so eine Vermutung gehabt, dass es irgendwas mit der Band zu tun hatte, welche sich nun bestätigte.

"Du siehst so aus, als würde dir das echt am Herzen liegen", murmelte ich leise.

"Das tut es auch", entgegnete er, "aber den anderen anscheinend ja nicht."

Ratlos presste ich die Lippen zusammen und strich ihm mitfühlend über die Schulter. Zu gern hätte ich etwas gesagt, was ihn aufgemuntert hätte, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein. Es schien nämlich tatsächlich so, als wenn seine Bandkollegen eher mäßig Lust auf eine Wiedervereinigung hatten.

"Aber hey, Harry hat doch gesagt, dass er schauen will", unternahm ich einen Versuch, ihn aufzumuntern.

"Das Dumme ist: Niall hat ja Recht! Harry wird niemals eine Hauptrolle ablehnen, um wieder in One Direction sein zu können. Wir alle sind auf diese Band nicht mehr angewiesen, da wir uns unsere eigenen Existenzen aufgebaut haben."

Er seufzte. Jetzt, wo er angefangen hatte zu reden, schien er sehr gesprächig geworden zu sein.

"Und außerdem ist meine ganze Situation im Moment scheiße. Vermehrter Hate, weil die eine Hälfte meint, ich sei wirklich abgehoben, während die andere findet, dass ich zu lange keine Musik mehr rausgebracht habe und ich zwischendrin, völlig im Stress, da ich die Sache mit dem 1D-Comeback regeln will, gleichzeitig aber auch meine Familie nicht vernachlässigen kann. Ich bin momentan einfach ziemlich überlastet."

"Warum meinen sie denn, dass du abgehoben bist?", fragte ich vorsichtig, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte.

Louis zuckte nur mit den Achseln.

"Was weiß ich ... zu teure Klamotten vielleicht? Dabei zahle ich nur einen Bruchteil von ihnen."

"Was machst du sonst?", wollte ich nun ehrlich neugierig wissen.

"Na ja, viele Firmen schicken mir ein kostenloses Angebot an Kleidung. Es ist ja quasi Gratiswerbung für sie, wenn ich die Sachen trage."

"Aber du darfst sie danach behalten?", hakte ich nach, eine Idee machte sich in meinem Kopf breit und nahm langsam Gestalt an. Ich wusste zwar nicht, ob sie irgendetwas bringen würde, aber einen Versuch könnte es wert sein.

"Ja, wieso?", bestätigte Louis und ich machte eine triumphirende Geste mit meiner Hand.

"Mia, woran denkst du?", fragte er wachsam und mit zusammengezogenen Augenbrauen.

"Was meinst du, wie verrückte Fans hast du?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Aber was hast du vor?"

Verschwörerisch grinste ich.

"Verrückt genug, um sehr viel Geld für ... sagen wir mal ... deine Sachen auszugeben?"

Er begann wohl zu ahnen, worauf ich hinaus wollte, denn er schüttelte den Kopf.

"So werde ich meine Fans doch nicht abzocken!", protestiete er.

"Wer hat denn was von abzocken gesagt?", erwiderte ich und grinste noch breiter.

"Ich habe nämlich gerade eine ziemlich gute Idee bekommen, wie ich finde, und würde sie dir gerne präsentieren. Wenn wir Glück haben, ist das zwar nicht die Lösung für alle deine Probleme, allerdings könnten wir dieser damit einen erheblichen Schritt näher kommen."

Abwartend zog er eine Braue nach oben.

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now