5.4: Ein Babysitter für Karly

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Erschrocken sprintete ich nach vorne, schnappte mir den nun vollkommen verwirrten Freddie und hielt einige Meter Abstand. Mein Hund schien mir für diese Aktion ziemlich dankbar zu sein. Normalerweise tat er niemandem etwas, solange ich keinen Befehl dazu gab, aber Fremde, die noch dazu direkt auf ihn zukamen, versetzten ihn immer in Panik. Dann konnte es schon mal vorkommen, dass er um sich schnappte. Und dass das bei einem Dobermann kein Spaß war, sollte sich von selbst verstehen.

"Kind!", rief ich panisch aus und blickte in das nun schon verzerrte Gesicht von Louis' kleinem Sohn. Nein, bitte lasse ihn jetzt nicht weinen!

"Was machst du denn, Freddie?!", fuhr ich jedoch fort. "Haben dein Daddy und ich dir nicht gesagt, dass du dich von Karly fernhalten sollst?"

Okay, jetzt begann er wirklich zu weinen. Scheiße. Was sollte ich machen? Ich konnte doch nicht einfach Louis' Sohn weinen lassen!

Sein Vater tauchte jedoch kurz darauf an meiner Seite auf.

"Sag mal, wie hältst du eigentlich Kinder?", wollte er mit erhobener Augenbraue wissen.

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mir Freddie irgendwie halb unter den Arm geklemmt hatte, sodass er nun fast waagerecht in der Luft hing. Hoppela.

Hastig nahm mir Louis seinen Sohn ab und nahm diesen richtig auf den Arm, bevor er mich zu meiner Überraschung wütend anfunkelte.

"Kannst du deinen Hund bitte mal unter Kontrolle bringen?", fragte er sauer.

Nun ja, vielleicht konnte ich ihn ja irgendwie verstehen, immerhin hatte Freddie kurzzeitig in der Gefahr gestanden, von meinem Hund zerfleischt zu werden.

"Sorry", meinte ich also und presste die Zähne aufeinander, während ich mich Karly näherte, hastig die Leine von der Liege abmachte und mir um den Arm wickelte.

In diesem Moment kam die Mutter des kleinen Jungen um die Ecke. Sie sah ziemlich gehetzt aus.

"Was ist passiert?", fragte sie außer Atem. "Ich habe gehört, wie jemand Freddie gerufen hat!"

Einige Sekunden sagte keiner etwas, bevor Louis scheinheilig lächelte.

"Gar nichts", meinte er dann und zwinkerte mir hinter dem Rücken der Mutter seines Sohnes zu.

"Nicht wahr, Freddie?"

Dieser schien sich von seinem Schock erholt zu haben und kicherte. Anscheinend gefiel es ihm, ein Geheimnis vor seiner Mutter zu haben.

"Ja!", rief er dann begeistert aus.

Die Braunhaarige seufzte erleichtert, bevor sie auf die Uhr blickte.

"Du musst bald ins Bett, junger Mann", erklärte sie ihrem Sohn dann, was zu lautstarkem Protest führte.

"Ich bin aber noch gar nicht müde!", beschwerte sich der Kleine nämlich.

"Wir müssen aber noch nach Hause fahren", entgegnete seine Mutter, doch Freddie klammerte sich beharrlich an seinem Vater fest.

"Dann muss Daddy mitkommen!", stellte er trotzig seine Forderung.

"Daddy muss aber hier noch was regeln", erklärte seine Mutter und wollte ihn von Louis' Arm in ihren eigenen nehmen, doch dieser hielt seinen Sohn noch für einen Moment fest.

"Ich komme gleich zum Auto, okay? Ich bin sofort da!"

Als der Kleine schließlich nickte, wollte er jedoch selbst laufen und nicht getragen werden. Hand in Hand mit seiner Mutter verließen die beiden den Poolbereich.

Noch einmal sah Louis über seine Schulter.

"Hör mal, Mia. Briana und ich wollten ihn morgen überraschen und in den Zoo gehen. Kannst du es einrichten, um elf Uhr bereit zu sein? Wir holen dich dann am Haupteingang ab. Und bitte ohne Hund."

Er schielte zu Karly hinunter. Ich nickte.

"Klar", erklärte ich.

Erleichtert seufzte er.

"Danke Mia. Du bist die Beste!"

"Ich weiß doch", entgegnete ich grinsend, bevor ich ihn zum Abschied in eine kurze, freundschaftliche Umarmung zog.

"Und jetzt los, oder dein Sohn verursacht einen Aufstand!"

Er zog einen Mundwinkel zur Andeutung eines Lächelns nach oben, hob grüßend die Hand in Richtung Dave und Rick, drehte sich auf dem Absatz um und eilte in Richtung des Ausgangs.

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Der nächste Morgen begann entspannt. Dank meinem ach so wundervollen Frühaufsteher-Gen, war ich zwar schon um sechs Uhr wach, dafür aber auch wirklich wach und nicht in einem Zustand, der an Schlafwandlen grenzte. Die Frage war nun, was ich in der ganzen Zeit mit meinem Hund machen sollte. Das Hotelzimmer war zwar nicht außergewöhnlich ungemütlich oder schlecht, aber eben auch nur ein Hotelzimmer, demnach also nicht sehr groß. Karly dort mehrere Stunden alleine zu lassen, brach mir fast das Herz. Doch ich sah auch ein, dass es ihm nicht gerade sehr guttun würde, mit lauter kleinen Kindern auf engem Raum zu sein, die unbedingt mal einen Hund streicheln wollten. Bei genauerer Betrachtung wäre dies wohl eher ungünstig für die Kinder, jedoch glaubte ich nicht, dass die Versicherung zahlte, wenn mein Hund einem von ihnen versehentlich etwas abbiss. Theoretisch musste er in größeren Mengen einen Maulkorb tragen, doch daran hielt ich mich nur selten, da dieser Fall kaum jemals eintrat und er trotz allem noch ziemlich sicher auf meinen Befehl hörte. Außerdem hatte ich den dummen Maulkorb ... vergessen. Oder vielleicht auch beim Umzug versehentlich unter die Couch gekickt. Oder auch weniger versehentlich darunter gestoßen. Vielleicht sogar davor halb mit einer schweren Kiste zerquetscht. Alles nicht beabsichtigt, natürlich!

Im Nachhinein stellte ich fest, dass dies eine etwas dumme Aktion gewesen war, denn demnach konnte ich Karlchen nicht mehr zu Veranstaltungen mitnehmen, bei denen die Gefahr bestand, dass irgendjemand auf die intelligente Idee kam, ihn zu knuddeln. Doch plötzlich kam mir ein Geistesblitz und ich flitzte aus meinem Zimmer hinaus und zur Tür des Nachbarraums, um dort zu klopfen. Rick öffnete gähnend die Tür.

"Mia, was machst du so früh hier?", grummelte er verschlafen und rieb sich die Augen. Er trug eine Jogginghose und ein T-Shirt. Ein Glück, dass er nicht einer dieser Menschen war, die nackt schliefen!

"Kannst du auf meinen Hund aufpassen?", fragte ich in einem quengelndem Tonfall.

Er riss die Augen auf.

"Das verrückte Vieh?!", keuchte er. "Der zerfleischt mich doch sofort!"

"Nein!", protestierte ich und hoffte dabei, dass er es tatsächlich nicht tat. Aber eigentlich war er lieb, wenn es keine zu großen Mengen waren.

Kurzerhand umfasste ich das Handgelenk meines Kollegen und schleppte diesen unter Protest (der allerdings nicht ernst gemeint sein konnte, denn der Typ war mindestens zwanzig Zentimeter großer als ich und um einiges stärker) zu meinem Raum, wo besagter Hund auf uns wartete.

Mich freudig begrüßend sprang er auf und tappte auf mich zu, woraufhin er meinen Begleiter kritisch musterte und einmal argwöhnisch beschnupperte. Dieser sah eher weniger glücklich mit der Situation aus.

"Guck mal, das klappt doch prima!", freute ich mich, klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und drehte mich dann um.

"Du machst das schon! Und danke, Kumpel, das erleichtert mich echt. Man sieht sich!"

Hastig verließ ich das Zimmer und ignorierte dabei das klägliche 'Miaaa?', das aus diesem ertönte. Er würde das schon packen. Es war doch immer wieder nett, wenn man für neue Freundschaften sorgen konnte!


Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt