5.6: Heimreise

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"Kommst du bald wieder, Daddy?", fragte der kleine Freddie. Für einen Vierjährigen war er außergewöhnlich tapfer - oder aber an solche Abschiede gewöhnt.

"Sobald es geht", versprach sein Vater ihm, hob den Kleinen hoch und drückte ihn fest an sich. "Ich hab dich lieb, Freddie."

"Ich dich auch, Dad", nuschelte dieser und schlang seine Arme um den Hals seines Vaters. "Ich will nicht, dass du gehst."

Traurig sah Louis ihn an.

"Ich muss aber", meinte er und ich hörte den Kloß in seinem Hals. "Ich muss arbeiten."

"Was arbeitest du denn?", fragte sein Kind zurück. "Kannst du das nicht hier machen?"

Er schüttelte mit dem Kopf.

"Nein. Ich muss mit ein paar Freunden sprechen. Aber dann komme ich wieder, okay?"

Sein Sohn nickte beklommen und kuschelte sich dichter an ihn. Ich wollte die Situation nicht zerstören, daher hielt ich mich etwas abseits und meinen Hund eng bei mir. Rick und er schienen den Tag wohl irgendwie hinbekommen zu haben, jedenfalls hatte es so ausgesehen, als ich nach Hause gekommen war. Während mein Hund auf meinem Bett gelegen und friedlich geschlummert hatte, hatte Rick am Fußende gekauert und ferngesehen.

Nachdem sich Louis nun auch noch von Briana verabschiedet hatte, wandte er sich schweren Herzens ab.

"Bis bald!", rief er ihnen noch zu, bevor er energisch seinen Koffer packte und diesen - vielleicht ein bisschen zu stark - hinter sich her zog. Seine Augen zielstrebig nach vorne gerichtet, sah er sich kein zweites Mal um, damit er seiner kleinen Familie noch einen letzten Blick zuwerfen konnte.

Auch im Flieger wirkte er zurückgezogen. Vielleicht gingen ihm Liams Worte ja erneut durch den Kopf und er tat mir leid. Da ich aber nicht wusste, wie ich ihn trösten sollte, hielt ich einfach die Klappe und beschäftige mich mit meinem Handy. Mein Vater hatte mir geschrieben, anscheinend hatte er ein Bild von mir und Louis in einer Zeitschrift entdeckt und verlangte nach Erklärung. Ich hatte nicht allzu viel Lust, die ganze Geschichte zu erzählen und wusste zudem immer noch nicht, ob ich ihm überhaupt etwas von meinem Job berichten durfte, ich wollte Louis jetzt jedoch auch nicht mit solch unwichtigen Sachen stören. Daher antwortete ich eher einsilbig und erklärte ihm kurz, dass ich mit dem berühmten Sänger befreundet sei. Dass man während eines Flugs eigentlich kein Internet anschalten durfte, kümmerte hier so oder so keinen. Binnen weniger Minuten hatte er uns eingelanden, zusammen auf dem Hof vorbeizuschauen. Ich vermutete, dass dahinter eine meiner beiden Stiefschwestern steckte, da diese die Gelegenheit, durch mich einen Star kennenzulernen, garantiert nicht versäumen wollten.

Schließlich willigte ich ein, ihn zu fragen, ob er zu Leahs Geburtstag, am 24.06, also in weniger als zwei Wochen, kommen wollte, ermahnte sie aber, nicht allzu viel Hoffnung zu haben. Ich glaubte nämlich kaum, dass Louis Lust darauf hatte, einem siebzehnjährigen Mädchen aus der Familie seines Bodyguards zum Geburtstag zu gratulieren.

"Scheiße", hörte ich da ein Fluchen vom Sofa aus und fuhr herum. Es stammte von Louis und ich sah ihn fragend an, während ich flehte, dass er nichts vergessen hatte.

"Was ist?", wollte ich, neugierig wie ich war, wissen.

"Treffen verpeilt", murmelte er nur. "Ich hatte ganz vergessen, dass ich heute ja noch gar nicht wieder da bin."

"Wofür hast du denn 'nen Manager?", grummelte ich. Meines Wissens war dieser doch genau dafür zuständig, dass so etwas nicht passierte!

"Privates Treffen", erklärte er mir knapp.

Date?, war das Erste, was mir durch den Kopf ging. Wenn es das war, dann hätte er wirklich jeden Grund zum Fluchen gehabt. Er schien ziemlich aufgelöst deswegen zu sein, weshalb ich ihn irgendwie zu beruhigen versuchte.

"Das lässt sich doch nachholen", meinte ich sanft.

"Eben nicht", jammerte er, "es hat schon lange genug gedauert, ihn hierzu zu überreden! Was für eine verdammte Scheiße."

Moment mal, ihn? Entweder war da doch etwas an den ganzen Gerüchten, dass Louis schwul war oder es ging hier möglicherweise doch um etwas anderes.

"Vielleicht ... kannst du dich mit ihm direkt am Flughafen treffen?'', überlegte ich laut. "Und du musst schließlich noch die acht Stunden Zeitverschiebung mit einberechnen."

Hoffnungsvoll nickte er.

"Ja, das wäre vielleicht eine Möglichkeit", stimmte er mir zu.

Aufmunternd lächelte ich dem jungen Mann zu, der mit einem Mal wieder ein wenig glücklicher zu sein schien. Natürlich konnte ich auch nachvollziehen, dass er seinen Sohn schon jetzt vermisste, aber es würde ja keine Trennung für immer sein.

"Worum geht es denn?", wollte ich wissen. Er winkte ab.

"Unwichtig", murmelte er nur. Da es ihn jedoch so sehr beunruhigt hatte, dass er es beinahe vergessen hatte, glaubte ich ihm nicht. Aber vielleicht war es ja auch etwas, was mich nun wirklich nichts anging, daher hielt ich lieber mal meine Klappe und widmete mich erneut meinem Handy.

"Hast du zufälligerweise Lust, am Vierundzwanzigsten mit zu der Geburtstagsparty meiner Schwester zu kommen?", fragte ich irgendwann seufzend, ich hatte schließlich versprochen, dass ich es tat.

"Hmmm?", machte er nur, da ich ihn scheinbar aus den Gedanken gerissen hatte. "Jaja, klar, kann ich machen."

Er sah mir abwesend aus.

"Cool. Aber jetzt ernsthaft?", entgegnete ich.

"Sonst hätte ich es ja wohl kaum gesagt", brummte er und wandte sich wieder ab.

Leah würde ausrasten. Ich konnte ihren vorfreudigen Blick schon genau vor meinem inneren Auge sehen. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob er es wirklich ehrlich gemeint hatte. Es schien so, wie als wenn er mir gerade in allem Möglichen zugestimmt hätte, wenn ich ihn dafür in Ruhe ließ. Daher stellte sich mir die Frage: Lag seine miese Stimmung wirklich nur am Abschied von seinem Sohn oder gab es da noch irgendeine Verbindung zu dem mysteriösen Treffen?

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now