12.3: Das Besitzrecht von Problemen

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Verdammt. Das war sein wunder Punkt, so wie ich wusste. Und ich erkannte, dass es ihn getroffen hatte. Dass es ihn wirklich schmerzhaft getroffen hatte. Ich sah es an seiner ernsten, nachdenklichen Miene, mit der er das Auto steuerte. An der eher abwesenden Verabschiedung seines Sohnes, den er bei Briana ablieferte, bevor wir zu seinem Haus, das er in LA besaß, fuhren.

"Ich glaube nicht, dass sie es ernst meinte", versuchte ich ihn zu beruhigen. "Dieser Fan war einfach nur aufgebracht und hat irgendetwas gesagt. Nichts, worüber wir uns Sorgen machen sollten."

Das wenig überzeugte Brummen bestätigte meine Angst. Diese rundheraus gesagten Worte verletzten erstens den Falschen und zweitens mehr, als höchstwahrscheinlich beabsichtigt.

"Es wird nicht noch einmal das Gleiche wie bei Briana passieren", meinte ich eindringlich. "Ich habe nicht vor, in nächster Zeit schwanger zu werden und ..."

"Willst du damit sagen, dass es Freddies Schuld ist?", fuhr er mich plötzlich an und ich zuckte erschrocken zusammen.

Hektisch schüttelte ich den Kopf, sodass meine blonden Haare hin und her flogen.

"Auf keinen Fall!", beteuerte ich, "Ich denke, dass wir uns beide darin einig sein können, dass ein Kind niemals Schuld an etwas ist, was vor seiner Geburt geschehen ist. Und dass Freddie absolut nichts ist, was du oder Briana bereuen solltet, brauche ich dir ja gar nicht erst zu sagen. Was ich nur sagen wollte: Es wird nichts passieren. Ich bin mir sicher, dass dieser Fan nur aufgebracht war, weil ich sie daran gehindert habe, mit dir zu reden oder ein Foto zu schießen. Genauso gut hätte sie es zu einem deiner Freunde sagen können!"

Er seufzte müde.

"Tut mir echt leid, Mia, aber ich glaube nicht, dass man meine Angst wirklich nachvollziehen kann, wenn man nicht schon einmal in einer solchen Situation war."

Schweigend sah ich aus dem Fenster, obwohl ich ihm eigentlich widersprechen wollte. Ich konnte sehr gut verstehen, was es in einem auslösen musste, zu sehen, wie sein eigener Ruf und dazu noch das gesamte Leben einer anderen Person durch eine kleine, veröffentliche Information zerstört werden konnte. Doch selbst wenn es soweit käme, ich würde mich von anderen nicht verunsichern lassen! Es war kein Vergehen, jemand anderen zu lieben. Allerdings sprach ich all diese Gedanken nicht aus, denn gerade jetzt war nicht der richtige Moment dafür.

"Weißt du, Louis", sagte ich daher irgendwann, "sie werden immer etwas an dir zu meckern haben. Wenn es nicht deine Freundin ist, dann ist es deine neue Frisur oder die Tatsache, dass die Leute auf das neuste Album warten, das nicht erscheinen will. Es ist eben die Frage, wie sehr du dir diese Vorwürfe zu Herzen nimmst. Wenn sich zwei Liebende finden, dann ist das jedes Mal aufs Neue ein kleines Wunder. Manche treffen sich in der Schule, beim Studieren, durch Freunde oder einfach zufällig auf der Straße. Und wir haben uns eben bei der Arbeit kennengelernt. Weißt du, wie viele Leute sich bei ihrem Job kennenlernen? Nur, weil du keinen so normalen Beruf wie Verkäufer oder Ingenieur hast, heißt es doch nicht, dass es einen Unterschied macht."

Er sah mich so lange an, dass ich Angst hatte, er würde gegen irgendein anderes Auto oder wenigstens einen Baum fahren.

"Sie werden nicht nur an mir etwas zu meckern haben. Sie werden vor allem dich nicht akzeptieren", wandte er dann ein. "Und auch unsere Kinder nicht. Stell dir doch mal vor, wie es sein muss, wenn du nicht einmal alleine zur Schule gehen kannst, nur, weil es alle anderen lieber gesehen hätten, wenn dein Vater mit jemand anderem zusammengekommen wäre. Wenn du siehst, wie die Leute eine Abnegung gegenüber deiner Mutter hegen. Dieses Schicksal hat schon Freddie von mir mit auf den Weg bekommen, wie könnte ich jemals verantworten, noch mehr Kindern mit dieser schrecklichen Aussicht ein Leben zu schenken? Und wie könnte ich es verantworten, eine andere, unschuldige Person zum Pol der Eifersucht zu machen?"

Langsam bekam ich wirklich Panik, weil er so redete.

"Das sind nur ein Bruchteil deiner Fans, Lou", versuchte ich ihn mit der ruhigsten Stimme, die ich aufbringen konnte, zu beschwichtigen. "Vergiss nicht die etlichen Leute, die sich einfach für dich freuen. Die dich und deine Musik lieben und dir nur das Beste wünschen. Und wäre ich Freddie, wäre ich stolz auf meinen Vater."

Er schluckte schwer, richtete seine Aufmerksamkeit endlich wieder vollends auf die Fahrbahn und bog in die Straße, in der sein Haus stand, ab.

"Das sind wunderschöne Worte", antwortete er mir schließlich. "Ich wünschte nur, ich könnte mir sicher sein, dass du gleicher Meinung wärst, hättest du dich schon einmal in dieser Situation befunden."

Nervös wippte ich auf dem Sitz auf und ab und konnte es plötzlich gar nicht mehr abwarten, endlich angekommen zu sein. Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte und das jagte mir einen riesigen Schrecken ein. Die Richtung, in die unser Gespräch abgedriftet war, gefiel mir ganz und gar nicht.

"Natürlich hoffe ich, dass ich niemals in diese Lage kommen werde", erklärte ich ihm, "aber selbst wenn es einmal soweit sein sollte ..."

Ich griff nach meinem Handy und schaltete es aus.

"Siehst du, so einfach geht es. Ich mache mein Handy einfach aus und ignoriere, was die Fans über alle möglichen Social Media Programme über mich sagen. Solange ich es nicht gesehen habe, kann es mich auch nicht verletzen."

Er gab ein trockenes Lachen von sich.

"Wenn man seine Probleme so einfach lösen könnte, hätte ich das auf jeden Fall schon getan."

"Aber Louis, du musst doch einsehen ..."

Ich kam nicht weiter, da er energisch seine Autotür öffnete und mich mit einem strengen, so gar nicht Louis-artigen Blick bedachte.

"Wir sind da, Mia."

Ohne noch einmal nach mir zu sehen, schwang er sich aus dem Auto und lief zu seinem Haus.

Betrübt sah ich ihm hinterher. Warum ließ er meine Probleme nicht einfach meine Probleme sein? Es brauchte ihn doch nicht zu kümmern, ob ich dem Druck durch die Fans und den Medien gewachsen war oder nicht. Er selbst würde damit ohnehin klarkommen, so gut kannte ich ihn. Er würde es sich zu Herzen nehmen, natürlich, aber wenn er erst einmal eingesehen hatte, wie unbegründet dieser Hass doch war, würde er es ignorieren können. Und ich würde es auch ignorieren können!

Schutzengel || l.t. ✓Where stories live. Discover now