14.1: Obamas Ferienhäuschen

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England machte seinem berüchtigten Ruf letztendlich wohl doch noch alle Ehre, denn als wir einen Fuß vor die Tür setzten, begann es zu schütten. Na danke auch.

"Das kommt jetzt aber sehr passend", grummelte ich ironisch und zog den Kopf ein. Sinnlos, weil ich trotzdem nass wurde, jedoch fast schon ein Reflex, der einem irgendwie das Gefühl gab, etwas gegen die Nässe ausrichten zu können.

"Wir haben einen Zweisitzer", stellte ich fest, als ich vor Harrys Sportwagen hielt. "Na toll. Müssen wir jetzt auch noch mit zwei Autos fahren?"

Das wurde ja immer besser.

"Niall, kannst du dich in den Kofferraum quetschen? Oder auf Harrys Schoß?"

Er zog einen Mundwinkel nach oben.

"Ungern."

Es war verwirrend. Ich konnte nicht einordnen, ob er mich mochte, hasste, genervt von mir war oder mich vielleicht doch ganz okay fand. Wahrscheinlich war es ein Mix aus allem.

Grinsend zog er einen Schlüssel hervor und öffnete damit das Garagentor, um Blick auf ein schwarzes Monster von Auto zu gewähren.

"Ich kann alleine fahren, danke", meinte er lachend und machte sich auf den Weg, wobei jeder Schritt auf dem Boden ein patschendes Geräusch machte.

Wenn wir irgendwann mal zusammen Wahrheit oder Pflicht spielen würden, musste ich einem der Jungs auf jeden Fall einen Autotausch für einige Tage aufbrummen!

"Nächstes Mal nehmen wir mein Auto", brummte ich und der Ire zog eine Augenbraue hoch.

"Und das wäre ...?"

"Ein Polo", entgegnete ich trocken. "Klein, schrottig, voller Hundehaare und mit einer klemmenden Gangschaltung. Außerdem so lange nicht mehr gewaschen worden, dass man das dunkelblau kaum mehr erkennen kann."

"Ich verzichte, danke", winkte er ab, doch ich gab ein protestierendes Geräusch von mir.

"Ich bestehe darauf! Ihr braucht dringend mal Entwöhnung von diesen ganzen teuren Schlitten."

Ohne mir zu antworten, rettete er sich unter das Dach der Garage und klopfte seinem Auto auf die Motorhaube.

"Der hier ist mir wirklich lieber als dein Polo."

"Mir auch", erwiderte ich, "wir können ja tauschen. Du musst mal ein bisschen weniger Luxus haben!"

Er zog lediglich eine Augenbraue empor und stieg ein.

Ich dagegen hatte natürlich schon wieder viel zu lange im Regen gestanden und war klatschnass, als ich die Tür öffnete. Bevor ich jedoch einsteigen konnte, zerrte mich jemand am Kragen zurück und drängte sich selbst an meine Stelle.

"Nichts da!", rief Harry. "Ich sagte doch, dass du nicht mehr fahren wirst, solange ich mit im Auto sitze."

Enttäuscht sah ich ihn an.

"Aber ... aber ich fahre nur einen Polo! Ich bin so gute Autos nicht gewohnt, deshalb solltest du mir als wahrer Gentleman die Chance lassen, die Gelegenheit auszunutzen!"

Er funkelte mich belustigt an.

"Als wahrer Gentleman fahre ich die Lady. Und jetzt halt die Klappe und steig ein."

"Ein wahrer Gentleman, wirklich", sagte ich missmutig, aber da ich keine Lust hatte, im Regen zu stehen und mich zu streiten, gab ich schließlich nach und stapfte zur anderen Seite.

Harry war eindeutig ein vorsichtigerer Fahrer als ich. Und das wollte etwas heißen, da er ebenfalls nicht unbedingt langsam fuhr.

"Schneller!", quengelte ich trotzdem durchgängig. "Du hast schon so ein cooles Auto, also nutze es auch!"

"Ja ja", murmelte der Braunhaarige, machte sich jedoch keine Mühe, meinen Befehl auch zu befolgen.

"Komm schon!", bettelte ich. "Oder eine scharfe Kurve? Irgendwas?"

Er schnaubte.

"Ich fahre die ganze Zeit scharfe Kurven", hielt er mir vor.

"Scharf?", wiederholte ich. "Das ist doch nicht scharf, was du hier fährst! Zwischen dem Auto und dem nächsten Gegenstand sind mindestens fünfzig Zentimeter!"

Er verdrehte die Augen und ignorierte mich so gut es ging. Als er mit quietschenden Reifen vor dem Tor zum Stehen kam, sprang ich beleidigt hinaus. Normalerweise hatte ich nichts gegen vorsichtigeres Fahren, aber mit einem Sportwagen wie ein Rentner zum Einkaufen zu fahren, war eine Beleidigung des Autos!

Harry schien schon öfter hier gewesen zu sein, denn er ging zielstrebig zu einem kleinen Eingabefeld, tippte einige Nummern ein und öffnete uns damit das Tor.

"Und hier wohnt also Liam?", fragte ich skeptisch und musterte das hübsche Häuschen aus roten Ziegelsteinen. Ich hatte eher etwas wie eine riesige Villa erwartet.

"Natürlich sind wir den ganzen Weg gefahren, um zu Obamas Ferienhäuschen zu gelangen, Mia", schnaubte Harry.

"Auf rhetrorische Fragen erwartet man keine Antwort", erklärte ich ihm, während er sich wieder ins Auto setzte, einige Meter weit fuhr und seinen Wagen dann im lieblich angelegten Vorgarten parkte.

Als er erneut ausstieg, zog er eine Augenbraue hoch.

"Ich habe noch nie verstanden, warum Leute etwas fragen, wenn sie keine Antwort bekommen wollen."

"Wer will keine Antwort bekommen?", mischte Niall sich ein, der sein Auto nun ebenfalls geparkt hatte.

"Mia", klagte Harry, "sie will nicht wissen, dass wir uns auf Obamas privatem Gelände befinden!"

"Wie schade", lachte der Ire.

"Obamas Ferienhäuschen!", schnaubte ich genervt. "Ich geb euch gleich Obamas Ferienhäuschen! Wenn ich hier noch einmal was von Obama höre, drehe ich durch."

"Aber was hast du denn gegen Obama?", stichelte der Lockenschopf. "Obama, Obama, Obama ..."

"Harry!", meinte ich drohend, "Es reicht. Wir sind wegen einer ernsten Angelegenheit hier und nicht, um Witze über Präsidenten zu machen!"

"Sie hat Recht", pflichtete Niall mir bei und drückte die Klingel. "Auf ins Verderben!"

"Sei doch nicht immer so pessimistisch", murmelte ich und er zuckte mit den Achseln.

"Unser einziger Vorschlag ist keine unbedingt überzeugende Lösung und wir sind drei Idioten, die einen vierten Idioten davon überzeugen wollen, einen fünften Idioten zu überraschen. Außerdem hat er gute Argumente", listete der Ire auf. "Ich glaube also, ich bin wohl eher realistisch."

Schutzengel || l.t. ✓Onde histórias criam vida. Descubra agora