10.2: Vielleicht ...?

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Verwirrt und mit einem Kopf, der wahrscheinlich der Farbe einer Tomate glich, starrte ich in Louis' unfassbar blaue, wunderschöne Augen und kam nicht ganz mit der Situation klar.

"Bitte was?", war alles, was ich herausbringen konnte, ein Satz, für den ich mich hätte ohrfeigen können. Oh Gott. Was war gerade passiert?

"Was was?", fragte Louis, noch verwirrter als ich und zu meiner Belustigung merkte ich, dass seine Wangen einen sanft rosafarbenen Ton angenommen hatten. Warum sah es bei ihm eher süß aus und bei mir, wie wenn ich gerade einen Marathon gelaufen wäre?! Das Leben war ja so unfair!

"Was was was?"

Perplex blinzelten wir uns an, bis wir kurz darauf in Gelächter ausbrachen. Es war höchst verwirrend!

Schließlich holte Louis doch noch einmal tief Luft und rang nach Fassung.

"Okay ... Mia, ich denke, es ist an der Zeit, dass ich dir endlich mal all das sage, was mir schon seit Längerem auf der Zunge liegt."

Abwartend, aber mit einem vorfreudigen Kribbeln im Bauch, sah ich ihn an.

"Ich bin nicht gut in solchen Sachen, also entschuldige mich, wenn das hier jetzt völlig unpassend und total komisch kommt ..."

Er brach kurz ab, biss sich auf die Lippe und blinzelte verwirrt, bis er seinen Faden wohl wieder gefunden hatte.

"Also." Unsicher wippte er auf den Fußballen hin und her.

"Mia, seit du bei mir bist, hat sich einfach so viel verändert ... du hast mir einfach einen völlig anderen Blick auf alles gegeben ... und dafür möchte ich dir zuerst einmal danken. Ohne dich hätte ich niemals wirklich den Mut gehabt, meine Freunde auf diese Weise zusammenzubringen. Natürlich, ich hätte sie auch so angesprochen, aber du gibst mir irgendwie Hoffnung, dass die Band wirklich wieder zurückkommen könnte ..."

Ich wusste zwar nicht wirklich, was ich getan hatte, um ihm diese Hoffnung zu schenken, denn ich konnte ehrlich gesagt nicht einmal sagen, ob ich bei der mangelnden Begeisterung seiner Freunde selbst an ein Comeback glaubte, aber ihn jetzt zu unterbrechen, wäre einfach nur unhöflich gewesen. Außerdem wusste ich nicht, ob meine Stimme das aushalten würde, denn der leere Flur drehte sich gerade bedenklich um mich herum und mein Bauch kribbelte immer stärker. Fiel ich gleich in Ohnmacht?!

"Und ... ich habe schon von Anfang an gedacht, dass wir Freunde werden könnten, aber Freundschaft reicht mir irgendwie nicht ...", fuhr er fort. "Ich weiß, das klingt jetzt einfach nur bescheuert, aber ich habe das Gefühl, dass du sozusagen meine andere Hälfte bist. Weißt du, du bist diejenige, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie suche, bis ich sie gefunden hatte. So ein Gefühl hatte ich vorher noch nie. Es ... ich weiß nicht, vielleicht habe ich auch noch nie vorher jemanden geliebt ..."

Mit geweiteten Augen sah ich ihn an.

"Du weißt, dass ich ein paar Zentimeter größer bin als du", wisperte ich leise.

"Du wirst niemals High Heels tragen können", flüsterte er zurück.

"Egal", murmelte ich, trat näher an ihn heran und verschränkte meine Finger mit seinen. "High Heels sind so oder so scheiße ungemütlich."

Und zum zweiten Mal berührten sich unsere Lippen, während die Welt um mich herum zu stoppen schien. Gleichzeitig drehte sie sich allerdings doppelt so schnell. Sehr merkwürdig.

Ich wusste jetzt, wie es sich anfühlte, Schmetterlinge im Bauch zu haben, aber momentan fühlte es sich wohl eher so an, wie wenn eine ganze Armee dieser Dinger in meiner Magengegend Unruhe stiften würde.

Noch während des Kusses wurde mir klar, dass ich in der Vergangenheit wohl so einige Dinge fehlinterpretiert hatte, denn vielleicht war es ja doch nicht nur ein Kribbeln der Genugtuung gewesen, als ich Louis auf der Party meiner Schwester den Finger auf die Lippen gelegt hatte, um ihn zum Schweigen zu bringen und vielleicht war es ja auch doch ein wenig mehr als bloße Beleidigung darüber, dass ich scheinbar einen schlechten Charakter hatte, gewesen, das mich dazu gebracht hatte, nach seiner Erklärung, dass niemals etwas zwischen uns laufen könnte, unglaublich wütend und verletzt zu sein. Vielleicht ... vielleicht bestand sogar die Möglichkeit, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch nicht einfach zum Spaß einen solchen Zirkus veranstalteten - sie waren schließlich vorher auch immer ruhig gewesen. Vielleicht war es ja wirklich so, dass ...

"Ich liebe dich", sagte ich leise und verwundert zugleich, da diese Erkenntnis mich selbst überraschte.

"Das ist gut", gab Louis zurück, "ich liebe dich nämlich auch, Mia Isabelle Gibson."

Plötzlich verwirrt runzelte ich die Stirn.

"Woher kennst du denn jetzt meinen Zweitnamen?", fragte ich perplex.

"Ich habe deine Bewerbung", gab er grinsend zurück.

Oh fuck, er hatte Recht.

"Das ist jetzt aber ungünstig. Ich habe deine Unterlagen nämlich nicht ..."

Er lachte leise. Ein entspanntes, ehrliches Lachen, das aus dem Herzen kam.

"Du hast das ganze Internet auf deiner Seite", neckte er mich, "aber weil du's bist, will ich mal nicht so sein ..."

"Jeff", riet ich munter drauf los.

"Sehe ich aus wie ein Jeff?", erwiderte er, gespielt beleidigt.

Überlegend zog ich die Stirn in Falten.

"Daniel? David? Dean? Ist es was mit D? Ich hab so ein Gefühl, dass es was mit D ist!"

"William", unterbrach er mich.

"Was?"

Er lachte erneut.

"Mein Zweitname ist William."

Oh. Doch kein D. Na ja, fast ...

"Ach halt doch die Klappe", grummelte ich und, einfach nur, weil es so schön war und ich es konnte, küsste ich ihn schon zum dritten Mal an diesem Tag.

Für mich schien es dabei jedes Mal, wie wenn die Zeit stehen bleiben würde, daher war ich entsprechend erschrocken, als ich plötzlich eine Stimme hörte.

"Louis? Wir warten alle schon. Wo bist du?"

Mit schwungvollen Schritten kam Harry um die Ecke gebraust und erwischte uns mitten beim Knutschen. Na ganz große Klasse! Eigentlich schämte ich mich für so etwas ja eher selten, doch wenn davor noch niemand etwas von der Beziehung gewusst hatte, (die in unserem Fall auch nur einige Minuten alt war) und der Auserwählte noch dazu mein Chef war, musste ich zugeben, dass die Situation doch ein wenig unangenehm war.

"Oh. Ich seh schon", meinte er, mit einem Mal doch sehr frostig und blickte von Louis zu mir.

"Hazza", murmelte der Braunhaarige, "es ... tut mir leid, okay?"

Warte ... was?

"Was soll das heißen, 'Es tut mir leid?'", fragte ich skeptisch. Sprach er immer noch von den Verkupplungsplänen? Waren sie für Harry doch etwas mehr als ein Scherz gewesen? Nein, dafür kannten wir uns nicht gut genug, wir hatten uns doch erst zwei oder drei Mal gesehen!

"Alles gut", sagte der Grünäugige, allerdings immer noch verdächtig kühl, "aber kommt jetzt. Wir haben ein Interview."

Schutzengel || l.t. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt