Kapitel 45

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Es dauerte keine Stunde, bis wir am Metropolitan Correctional Center ankamen. Das Gebäude war groß und hoch, sodass ich das Gefühl hatte, es wäre endlos und würde bis über den Himmel hinausragen. Die Form des Gebäudes schien dreieckig zu sein. Das erkannte ich an den Schrägen und den spitz zulaufenden Wänden, die eine gelbliche Farbe hatten. Viele, schmale Fenster sahen in dem hohen Gebäude wie deplatzierte, dunkle Farbstriche aus. Nachts, wenn alles hell erleuchtet war, würde der Unterschied wohl deutlicher werden.

Ich war noch nie in Chicago gewesen. Die Häuser waren hoch, teils sehr modern. Menschen spiegelten sich in Glasfronten und es herrschte, besonders an Arbeitstagen wie diesem, reger Verkehr in den frühen Morgenstunden. Jeder schien beschäftigt zu sein und genau zu wissen, wohin er gehen musste. Dieser Gedanke erinnerte mich unwillkürlich an Morris, als wir noch alle zusammen gewesen waren. Mittlerweile befanden sich Jake und Miles in dem Range Rover hinter uns. Nacheinander wurden erst Noah und ich und anschließend die beiden in das Gebäude hineingeführt. Da ich noch niemals zuvor straffällig geworden war, war mir alles fremd. Nicht bloß der unbekannte Geruch, sondern jede kahle Wand, jeder Mensch, der mir entgegenkam, löste schiere Angst in mir aus.

Der FBI-Mann, der Noah am Arm festhielt, zeigte seinen Dienstausweis vor. Danach wurden wir von Miles und Jake getrennt und zu zweit am Eingang festgehalten, während man Miles und Jake an uns vorbeiführte. Jake guckte stur auf den Boden. Seine kurzen Haare sahen strähnig und struppig aus und ließen ihn wie einen Streuner wirken. Miles, in seinem kaputten schwarzen Shirt, das zwischenzeitlich einige Löcher bekommen hatte, warf uns einen fragenden Blick zu. Nacheinander brachte man unsere Freunde weg. Zuerst verloren wir Jake aus den Augen, kurz darauf Miles. Mein Herz bebte und ich spürte, wie meine Hände schweißnass wurden vor Furcht.

Zu unserem Erstaunen wurden Noah und ich nicht in dieselbe Richtung geführt wie Miles und Jake. Uns brachte man in einen abgelegenen Raum. Er war abgedunkelt mit Jalousien und es standen bloß ein Tisch und auf jeder Seite des Tisches ein Stuhl im Zimmer. Der FBI-Mann deutete seiner Kollegin mit zwei Fingern an, einen weiteren Stuhl zu besorgen. Daraufhin ließ sie mich los und eilte aus dem Raum.

»Setzten Sie sich.«, wies der Mann an und drückte auf den Lichtschalter. Sofort erhellte sich der Raum und das Licht der Neonröhren brannten in unseren Augen.

Ich setzte mich. Es verging keine Minute, da stellte die Kollegin des FBI-Mannes einen dritten Stuhl in den Raum, direkt neben meinen. Sie schloss die Tür und lehnte sich von innen an die Zarge, als wäre sie ein Hund auf seinem Wachposten.

»Schon gut.«, sagte der Mann, und seine Kollegin stieß sich von der Wand ab, um zu gehen. Kaum klappte die Tür hinter ihr zu, atmete der FBI-Mann aus und setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl. Er stützte seine Ellenbogen auf die weiße Tischplatte und beugte sich ein wenig vor. Seine Haare waren dunkelblond und kurz, vorne mit ein wenig Haargel gestylt.

»So, Noah Johnson und Juliette Moore.« Der Mann sah uns aus intelligenten, braunen Augen an. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie uns tatsächlich noch einmal entwischen würden, ehe wir Sie zu fassen kriegen.«

Über seine Lippen huschte ein Lächeln, bevor der Mann fortfuhr. »Mein Name ist Special Agent Andrew Roberts. Gegen Sie wurde ein Haftbefehl erlassen. Glücklicherweise sitzen Sie nun hier bei mir, weil ich ein Angebot für Sie habe, das Sie nicht ausschlagen können.«

Ich schielte zu Noah, der sich nun ebenfalls hinsetzte und dabei erstaunlich gelassen wirkte. Da ich mittlerweile wusste, wie gut er darin war, andere zu täuschen, beschloss ich, erst einmal nichts darauf zu geben. Wohl fühlte ich mich trotzdem nicht.

Special Agent Roberts streifte sich die schwarze FBI-Jacke von den Schultern. Zum Vorschein kam ein schwarzer Pullover aus feinstem Strick. Am Kragen guckten ein hellblaues Hemd und eine Krawatte in einem dunklen Lilaton heraus.

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