7. Gestrichene Häuser

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[F.]

Charlotte steht vor meiner Wohnungstür, nur Stunden nach unserem Fick im Bürgerbüro. „Ist Robin hier?", fragt sie, anstatt mich zu begrüßen.

„Ist bei meiner Ma", antworte ich, anstatt sie zu begrüßen. „Was machst du hier?", frage ich dann und lehne mich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen.

„Ich weiß es nicht", murmelt sie. „Ich kann auch wieder gehen, wenn du das möchtest", sagt sie dann aus Pflichtgefühl.

Weil sie ihren Mann zu Hause hat.

Weil ihr Mann gut für sie ist.

Ich muss schmunzeln. „Möchtest du das denn?"

Geh nach Hause, Charlotte, geh zu deinem Mann in euer hübsches Haus mit Vorgarten, mit beigem Teppich im Wohnzimmer und deinem gekauften Basilikum in der Küche, der irgendwo anders auf der Welt mit Pestiziden verunstaltet wurde.

Kuschle dich in die Arme deines Mannes, fühl dich, als wäre das der richtige Ort für dich – weil er das ist.

Oder?

Oder ist dein Platz eigentlich genau hier?

Weit weg von allem, was nett und freundlich ist. Weit weg von der Illusion, die du Leben nennst.

Willst du wirklich in deinem kleinen Traum bleiben, oder willst du in die Realität?

Ich bin die schwarz gestrichene Wand deines alten Zimmers. Mich aus deinem Leben zu streichen, fällt dir schwer.

Jetzt ist die Wand grau und wird mit jedem Tag heller, bis irgendwann jede Spur von mir in deinem Zimmer verblasst ist.

Und du stehst hier, mit dem Pinsel voller schwarzer Farbe in der Hand. Du willst nicht eine Wand streichen, sondern das gesamte Haus. Die Farbe tropft auf den Boden, riecht chemisch, ist nur schwer zu überdecken.

Sag mir, Charlotte – möchtest du das?

Ich bin nicht gut für dich, das weißt du, das weiß ich. Nur deine verdammt nordseeblauen Augen bemerken es nicht. Ich will dir nicht das Leben nehmen, das du lebst, aber ich kann mich nicht beherrschen, wenn du vor mir stehst.

Du erwartest Zurückhaltung?

Das ist nicht meine Haltung.

Vernunft oder Wahnsinn – entscheide dich.

Sonst entscheide ich.

„Ich habe nicht erwartet, dass wir uns wiedersehen." Charlotte stockt.

Entscheide dich – sonst entscheide ich.

„F., ich ..." Entscheide dich! „Ich ... ich liebe Ansgar", sagt sie dann, ihre Stimme wird brüchig – bricht an Schuldgefühlen.

Charlotte entscheidet sich.

Und trotzdem entscheide immer noch nur ich, weil ich sie küsse und sie sich küssen lässt.

Ihre Lippen sind warm, weich, und das ganze Haus ist schwarz.

Als meine Lippen sich wieder von ihren lösen, sieht sie mich an, sagt nichts, wägt innerlich ab, ob ich entscheiden darf, obwohl wir beide wissen, dass nur ich entscheide.

„Ich liebe Ansgar", sagt Charlotte zu mir, meint eigentlich, ich liebe nur dich. „Wir sind glücklich", erklärt sie, meint eigentlich, ich bin nur glücklich bei dir.

„Dann solltest du vielleicht besser bei ihm sein als bei mir", sage ich, meine eigentlich, du solltest vielleicht besser bei mir sein als bei ihm.

Der Club der WichserWhere stories live. Discover now