5. Unser skurriles Theaterstück

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[F.]

Das Bürgerbüro der Stadt ist so klein, dass es nur zwei Mitarbeiter hat: Frau Venning und eine andere Mitarbeiterin, die in der Regel Auszubildende ist.

Heute ist Frau Venning krank.

Stattdessen ist da Charlotte, in einem Blazer und der hellblauen Bluse, die ihr ihr vermutlicher Freund am Samstag im Geschäft ausgesucht hat – anstelle des Oberteils, das ihr besser gestanden hätte.

Ich setze mich vor ihren Schreibtisch, lächle, um mir nicht anmerken zu lassen, wie überrascht ich bin, sie hier zu sehen. „Hey", ist alles, was ich sagen kann.

„Hey", kommt es zurück, ohne Lächeln, den Blick keine Sekunde von mir lösend. „Was machst du hier?", will Charlotte dann wissen.

„Ich wollte anmelden, dass Robin jetzt bei mir wohnt", erzähle ich ihr, abgelenkt von all den Erinnerungen, die mir einfallen, wenn sie da ist.

„Dafür muss Robin selber herkommen. Es muss ja auch auf seinem Personalausweis geändert werden und er muss das Formular unterschreiben", erklärt Lotte mir versucht professionell.

Es ist, als würden wir schauspielern, alles Erlebte überspielen. Es ist ein skurriles kleines Theaterstück, das wir nur für uns aufführen.

Wir sind allein in dem Büro.

Die Auszubildende ist gerade nicht da.

„Wie geht es dir?", fragt sie mich dann leise, beugt sich vor und sieht mir immer noch in die Augen.

Ganz kurz kann man in ihren Ausschnitt sehen und sofort denke ich an die Brüste, die sie unter der Bluse versteckt. Ich weiß immer noch ganz genau, wie sie sich zwischen meinen Händen anfühlen. Sie sind fest und weich zugleich, warm, perfekt.

Ich weiß ganz genau, wie sich ihr Körper anfühlt, wie zart ihr leises Stöhnen klingt und wie verdammt leicht ihre Lippen schmecken.

Charlotte fühlt sich an, als müsste man sie beschützen, vorsichtig mit ihr umgehen. Sie fühlt sich unberührt an.

Mein Blick geht über ihr Dekolleté und ihren Hals, zu ihren Lippen und dann zu ihren verdammt nordseeblauen Augen.

„Ich freu mich, dass Robin wieder da ist. Er war viel zu lange weg", murmle ich und bin mir gar nicht so sicher, ob ich wirklich Robin meine.

„Ja, das glaub ich dir. Es ist schwierig, wenn man sich so lang nicht gesehen hat." Sie versucht ein aufbauendes Lächeln und sieht dann zum Desktop ihres PCs.

„Okay, der nächste Termin ist in zehn Minuten und ich muss weiterarbeiten", erinnert sie sich selbst. Sie schauspielert immer noch.

Unser Theaterstück ist endlos.

Charlotte rauft sich durch die Haare, steht dann auf und geht am Schreibtisch und an mir vorbei zur Tür hin. Sie macht sie nicht auf, stattdessen sieht sie mich an, als warte sie darauf, dass ich den Raum verlasse.

Und gleichzeitig sieht man ihr an, dass sie eigentlich noch so viel sagen möchte, das Stück enden lassen möchte.

Ich gehe zu ihr, bleibe vor der Tür stehen und will nach der Klinke greifen.

„Du hast dich kaum verändert ..." sagt Charlotte leise und lächelt. Die Verlegenheit steigt ihr in die Porzellanwangen. Sie hört auf zu schauspielern.

Ich schmunzle. „Du dich auch nicht. Bist immer noch wunderschön", sage ich zu ihr.

Soll ich dich küssen?

„Ich muss dich jetzt rausschmeißen", flüstert sie, den Blick nicht von mir lösend.

Plötzlich ist es so, wie es war, als sie die Idee hatte, das Katzenfutter zu stehlen. Plötzlich will ich wissen, wie weit Charlotte gehen kann.

Der Club der WichserWhere stories live. Discover now