24. Weil das alles sagt

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[M.]

Die Kühlschranktür knallt zu, nachdem Lenny die Milch wieder hineingestellt hat. Sie nippt an ihrem Kaffee und verzieht das Gesicht – er ist noch zu heiß. „Sag, was du sagen willst", fordert sie gereizt.

Ich muss schmunzeln, weil sie so süß aussieht, verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich gegen den Türrahmen. „Tut mir leid, dass das Freitag nicht geklappt hat", entschuldige ich mich.

Sie reagiert nicht.

„Lenny." Ich suche den Blick in ihr Gesicht, aber sie sieht ihren Kaffee an.

Elena trägt eine karierte Schlafanzughose und ein weißes Top. Sie hat keine Socken an und steht barfuß auf ihren Küchenfliesen.

„Ich dachte, du vögelst dich durch die Gegend und nimmst das hier nicht ernst", murmelt sie kleinlaut.

Ich seufze. „Oh Lenny."

Dann löse ich mich von meinem Platz in der Tür und gehe auf sie zu, lege beide Hände um ihre Wangen, bringe sie so dazu, mir direkt in die Augen zu sehen.

„Ich würde es mit niemandem so ernst meinen wie mit dir", flüstere ich.

„Du hättest absagen können", erklärt sie unbeeindruckt von meiner Nähe, während mich die bloße Berührung von ihr schon dazu bringt, sie küssen zu wollen.

Sie will an mir vorbeigehen, doch ich halte sie ganz klischeehaft am Arm fest. „Es tut mir leid", wiederhole ich.

Es tut mir leid, dass ich meinem besten Freund helfen musste, ein Haus anzuzünden und eine Leiche zu vergraben, anstatt mit dir im Restaurant zu sitzen. Verdammt, ich wäre auch viel lieber bei dir gewesen!

„Möchtest du das Date noch?" Möchtest du mich noch?

„Jetzt?" Elena runzelt die Stirn.

Ich zucke mit den Schultern „Wieso nicht? Wir können was zu essen holen."

Sie lächelt, als hätte ich zur Abwechselung mal genau das Richtige gesagt. „Gibst du mir ein paar Minuten? Dann kann ich was Anderes anziehen."

Als ich nicke, lächelt sie erneut und lässt mich in der Küche allein.

Erleichterung macht sich breit, weil ich sie doch nicht verloren habe und es zwischen der ganzen Scheiße, die passiert ist, doch eine gute Sache gibt.

Es dauert nur knappe fünf Minuten, bis sie zurückkommt.

„Können wir los?", fragt sie, und obwohl Elena sich nur eine Jeans und einen Pullover angezogen hat, sieht sie aus wie das schönste Mädchen des gesamten Universums.

„Ja", meine ich lächelnd und geselle mich zu ihr in den Flur, um mir meine Schuhe wieder anzuziehen.

Die Uhr in meinem Auto zeigt 16:24 an, als ich den Motor auf dem Parkplatz zur Fußgängerzone abschalte.

Ich hatte es eigentlich anders geplant. Ich wollte ein Date wie in einem Film. Ich wollte, dass es das Romantischste wird, was sie jemals erlebt hatte.

Ich hatte einen Anzug an, stand vor dem Spiegel und hab meinen Hemdkragen gerichtet. Ich war so kurz davor, sie abzuholen. Und dann kam die Nachricht von F..

Und dann haben wir eine Leiche vergraben und ein Haus angezündet.

„Wohin gehen wir?", fragt Elena mich verwirrt.

„Hier ist die Dönerbude, bei der ich mal gearbeitet habe." Grinsend greife ich nach ihrer Hand und ziehe sie zuerst in eine kleine Seitenstraße und dann in das einzige Geschäft.

Es riecht nach Fritteuse und Knoblauch.

„M.!", ruft mir ein Syrer freudig entgegen.

„Hey Liran." Ich grinse.

Er kommt mit seiner von Fettflecken verschmierten Schürze hinterm Tresen hervor und umarmt mich. Dann sieht er zu Lenny. „Hi." Höflich, wie er ist, reicht er ihr die Hand. „Liran."

„Elena", stellt sie sich vor.

„Wie geht's dir? Wie läuft die Arbeit? Was kann ich für dich tun?", fragt er nach einem freudigen Lächeln in Richtung Lenny an mich gerichtet.

„Mir geht's ganz gut", lüge ich. „Arbeit muss halt." Ich lache und muss zugeben, dass auch das gelogen ist. Ich bin auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. „Und ich hätte gern zwei Döner, in die du nicht reinspuckst."

Liran lacht. „Das mach ich nur bei den Faschisten."

Ich nicke und sehe ihm zu, wie er wieder hinter den Tresen huscht und anfängt, das Dönerfleisch vom Spieß zu pellen. Dann stopft er es mit Soße und Grünzeug ins Fladenbrot und sieht verunsichert zu Elena.

„Scharf oder nicht scharf?"

„Scharf." Sie lächelt.

In ihren Döner steckt er Jalapeños, während er bei meinem genau weiß, dass ich keine möchte. „Wohl bekomm's", sagt er dann grinsend.

Liran winkt ab, als ich die Brieftasche aus meiner Jacketttasche kramen möchte. „Vergiss es. Ist für die unbezahlten Überstunden."

Ich schmunzle. „Man sieht sich."

Wir befinden uns wieder auf der Straße und lassen uns auf den Treppenstufen zu einem Hauseingang nieder. „Du hast in einer Dönerbude gearbeitet?", will Lenny wissen. Sie beißt herzhaft in ihren Döner.

„Während des Studiums. Überrascht?"

„Hätte dir eher zugetraut, dass du in irgendeiner großen Firma Kaffee geholt hast", antwortet sie, als sie den Bissen runtergeschluckt hast.

Ich zucke mit den Schultern.

„Hatte keinen Bock drauf. Themawechsel: Willst du das mit der Bar noch lange machen?"

„Vielleicht. Noch kann ich es bezahlen, aber wenn die alten Opas nicht mehr kommen, muss ich wohl dicht machen." Sie presst die Lippen aufeinander. „Wieso machen wir das hier?"

Ich runzle die Stirn.

„Ich meine, was genau soll das werden oder wo soll das enden?", fragt Lenny mich die eine Frage, auf die ich keine Antwort habe.

„Ich weiß es nicht", gestehe ich ihr.

Ich hab dich nur so schrecklich in meinem Leben vermisst, weil du allem Normalität gibst und mir Halt. Du gibst mir die Sicherheit zwischen der Verrücktheit. Du machst den Wahnsinn gar nicht mehr so wahnsinnig. Du nimmst mir den Druck, alles können zu müssen, und der Gedanke, dich zu verlieren, erneut zu verlieren, der ist unerträglich, will ich sagen.

„Aber es kann alles sein, was du willst", erkläre ich ihr, und dann schauen wir uns einfach nur in die Augen. Ihre grünen Augen sehen aus wie eine Wiese, auf der man bei Sonnenschein für den verdammten Rest seines Lebens liegen bleiben möchte.

Da sind ihre Sommersprossen, die aussehen wie unzählbare kleine Sterne, die man den verdammten Rest seines Lebens ansehen möchte.

Ihre rostroten Haare, die ihr immer ins Gesicht fallen, weil sie so unzähmbar sind wie Elena selbst.

Ich liebe dich, will ich sagen. Du bist das Beste in meinem Leben. Du bist das Beste, was mir je passiert ist.

Du bist die einzige gute Sache.

Du bist meine Hoffnung.

Du bist so verdammt perfekt.

Ich will so viel sagen, aber küsse sie stattdessen einfach nur, weil das alles sagt.

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