1.

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Dumpf schlagen die fallenden Rosen auf das helle Holz des Sarges im Grab.

Dumpf.

Allein.

Dumpf.

Ich bin allein.

Dumpf.

M. greift nach meiner Hand, drückt sie.

Ich würde gerne weinen, aber ich kann nicht mehr. Mein Vater war lange krank, gab mir Jahre Zeit, sich langsam von ihm zu verabschieden, und trotzdem, trotzdem ist es plötzlich. Obwohl es gewöhnlich ist, jede Sekunde Menschen sterben und jeder sein Verfallsdatum hat.

Wie aus dem Nichts war da der letzte Rest Familie, den ich gehabt hatte, einfach weg.

Zur Beerdigung kamen seine Freunde, Mitarbeiter aus der Kneipe und andere Menschen, die mich unterstützen wollten.

M. stand neben mir, als mir der Arzt sagte, dass mein Vater sterben würde.

M. stand neben mir, als der Bestatter mich fragte, welchen Sarg ich möchte.

Alles wurde so schrecklich schnell und nüchtern abgehandelt.

Welche Blumen? Die da.

Ein bestimmter Psalm aus der Bibel? Psalm 37,5

Wer soll wann was sagen? Keine Ahnung.

Welche Lieder sollen gesungen werden? Entscheiden Sie das.

Was passiert mit dem Haus und der Bar? Die werden auf mich überschrieben.

Die Schulden werden auch auf Sie übergehen. Ja, ich weiß.

Es gab in dieser Woche zwischen seinem letzten Herzschlag und der ersten Rose auf seinem Grab kaum Tränen, nur wenig Schlaf, viel Kaffee und Fragen, deren Antworten ich immer wusste, nur jetzt vergaß.

Es gibt nach dem formellen Teil der Beerdigung in der Kneipe ein anschließendes informelles Beisammensein, bei dem alle mir nochmal ihr Beileid aussprechen – mir Geschichten erzählen davon, wie sie meinen Vater erlebt, wie sie ihn gekannt haben.

Jürgen erzählt, wie ich auf den ranzigen Holzbrettern der Kneipe meine ersten Schritte machte. Matjes, der wie der Fisch heißt, erzählt die eine Geschichte von meinem Vater, als beide noch Mitte zwanzig waren und mit dem VW Golf voller Gras von Holland nach Deutschland gefahren sind.

All diese Geschichten bauen mich auf, anstatt mich wehmütig die Zapfanlage betrachten zu lassen.

Abschied ist nichts Schlechtes. Abschied ist Beginn und Ende zugleich.

Der Club der WichserWhere stories live. Discover now