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Beverly

„Maeve!" Ich zuckte zusammen, als Corona mit den Händen auf den Tisch schlug. „Hörst du uns überhaupt noch zu?"

„Ja. Klar." Ich rieb mir übers Gesicht.

Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, hatte ich in dieser Nacht kein Auge zu tun können. Ich fiel in keinen Sekundenschlaf, aber ich starrte seit einer Stunde regelmäßig in die Luft und schaltete mein Gehirn aus. Schlafmangel war scheiße.

„Und ich heiße immer noch Beverly", sagte ich dann. Vermutlich war es nur meine gereizte Müdigkeit, die mir den Mut gab, so mit Corona zu sprechen. Sie war das dritte Mean-Girl.

„Ich werde dich trotzdem Maeve nennen", erwiderte sie. „Unser Vater und unsere Mutter wollten das Schreiberkind Maeve nennen, wenn es ein Mädchen wird, und du bist ein Mädchen. Du kannst es ruhig zu schätzen wissen, dass sich unsere Eltern so viele Gedanken um dich gemacht habe." Sie zog die Augenbrauen zusammen, kehrte mir den Rücken zu und gab den Blick auf Arthur frei, der gegenüber von mir hinter seinem Schreibtisch saß.

Seit knappen zwei Stunden befand ich mich nun schon in seinem Arbeitszimmer. Zusammen mit Corona versuchten wir einen vernünftigen Plan zu erstellen, der darauf hinauslaufen sollte, dass ich Zaubersprüche schreiben konnte. Dass ich die beiden heute Nacht belauscht hatte, versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen.

Ich warf einen weiteren Blick auf die drei dicken Bücher, und die fünf etwas dünneren, die vor mir auf Arthur's Schreibtisch lagen. Die sollte ich durcharbeiten. Ich hasse lesen ohnehin schon, aber dann auch noch staubtrockenen Lernstoff in solchen Mengen... Fast fühlte ich mich in meine Schulzeit zurück versetzt.

„Die Bücher alleine werden dir nicht helfen", sagte Arthur. „Theorie ist nutzlos, wenn du die Praxis nicht beherrschst. Also werden wir in einer Woche, wenn du die Bücher gelesen hast, damit anfangen."

„Eine Woche?", hakte ich ungläubig nach. „Du willst, dass ich in einer Woche..." Ich deutete hektisch auf den Bücherturm. „An die viertausend Seiten durcharbeite?"

„Oh, tut uns leid", meinte Corona vom Fenster aus. „Hattest du schon was vor?"

Ich verkniff mir jegliche bissige Antwort. „Kein Mensch kann in sieben Tagen so viel lesen. Nicht nur lesen, sondern verstehen, verarbeiten, lernen." Nicht mal Addie hätte das geschafft.

„Wir befinden uns mitten im Krieg", meinte Corona und sah mich sauer an.

„Ja, ich kann die Bomben hören, die über uns abgeworfen werden", erwiderte ich, und sie kniff die Augen zusammen.

„Denkst du, es gibt nur eine Form von Krieg? Den Krieg, den jeder mitbekommt? Es gibt auch stille Kriege. Diejenigen, die keiner mitbekommt, der nicht direkt davon betroffen ist."

Ich hätte ihr am liebsten ins Gesicht gesagt, dass es mir am Arsch vorbei ging, ob Cillian sie alle abschlachtete oder nicht. Solange er nicht vorhatte, die Weltherrschaft an sich zu reißen (wonach es ehrlich gesagt nicht aussah) war es mir völlig egal, was mit diesen Menschen passierte. So brutal und grauenhaft es auch klingen mag, aber sie bedrohten meine Freunde, und ich hatte bei Gott genug durchgemacht, um mich noch darum zu scheren, in was für einem Dilemma meine „Familie" steckte. Das und vieles mehr hätte ich Corona und Arthur gerne ins Gesicht gesagt, aber ich schluckte alles hinunter.

Und zwar, weil ich wusste, dass sie mich nicht gehen lassen würden. Dass ich ihnen helfen musste, weil sie andernfalls meinen Freunden etwas antun würden. Meiner richtigen Familie.

Also stieß ich den Atem aus und spielte die kompromissbereite Untergebene. „Gut, ich werde mein Bestes tun."

„Davon gehe ich aus", erwiderte Corona, kehrte mir wieder den Rücken zu und richtete ihren Blick aus dem Fenster. „Du kannst gehen."

Wicked Game (Band 3)Where stories live. Discover now