39

159 16 4
                                    

Beverly

Ich fragte mich wirklich, wie Trish daran glauben konnte, dass Gott uns nie mehr gab, als wir ertragen konnten.

Ich fragte mich, ob da oben überhaupt jemand war.

Ob jemand auf mich herunter sah, den Kopf schüttelte und sich wünschte, mir ein stärkeres Rückgrat gegeben zu haben.

Gott hatte einen Fehler gemacht, ganz einfach. Soll vorkommen. Er hätte dieses beschissene Leben jemandem geben sollen, der damit auch umgehen konnte.

Wahrscheinlich hatte Gott ein riesiges Glücksrad in seiner weißen Halle stehen und drehte es für jeden Menschen ein paar Mal.

Hochzeit, Schulabschluss, Haustier, Kinder...

Bei mir war das Rad bei Entführung, an-Dämon-gebunden, stirbt-ach-nein-doch-nicht und muss-Hexenfamilie-und-Freunde-nach-Wiederauferstehung-vor-bösem-Phönix-Zauberer-beschützen stehen geblieben. Und auf Katze. Auf Katze war das Rad auch stehen geblieben.

Ich wollte mich wirklich nicht selbst bemitleiden, aber meine Frustrationsgrenze war erreicht.

Ich konnte nicht zaubern.

Ich wusste nicht, wer mich angegriffen hatte.

Ich wusste nicht, wer auf meiner Seite stand und wem ich vertrauen konnte.

Ich wusste nicht, wer mir gefährlich werden würde.

Ich wusste nicht, wie ich Addie's Vision aufhalten sollte.

Ich wusste nicht, wie ich aus dieser ganzen Sache herauskommen sollte. Lebend. Was ich, je länger ich darüber nachdachte, vermutlich auch nicht schaffen würde.

Ich saß irgendwo im Ostflügel des Schlosses auf den Wendeltreppen in einem kleinen Türmchen und starrte aus dem Fenster. Es war eine klare Nacht. Die Sterne bedeckten den schwarzen Himmel wie tausende kleine Edelsteinchen. Der Mond schien hell und warf meinen Schatten auf die Steinstufen. In der Ferne konnte ich das Meer glitzern sehen. Die Kälte kroch mir die Wirbelsäule hoch, aber ich wollte nicht zurück in mein Zimmer. Wie hätte ich bei allem, was los war, schlafen sollen?

„Du bist wohl auch eine Nachteule."

Ich fuhr erschrocken herum und sprang auf, bereit mich zu verteidigen. Mit... meinen Händen, schätze ich, denn eine Waffe hatte ich nicht bei mir.

Ich konnte nicht erkennen, wer der Mann war, der sich im Schatten von oben an mich herangeschlichen hatte, aber als er ans Fenster trat, erhellte der Mond sein Gesicht.

„Du hast mich zu Tode erschreckt!", fauchte ich Lorcan an.

„Entschuldige", grinste er und schwang sich die restlichen Treppen zu mir herunter. „Kannst du nicht schlafen?"

„Wie sollte ich?"

„Du weißt nicht wie das geht?" Er zog die Augenbrauen zusammen. „Also, ich lege mich meistens auf die Couch oder mein Bett, schließe meine Augen und dann-"

„Du bist ein Klugscheißer."

Er lachte. „Liegt in der Familie. Noch nicht bemerkt?"

Ich ließ mich wieder auf die eiskalten Treppen fallen und lehnte meinen Kopf gegen den rauen Stein, während ich die gelben Lichter zu zählen begann, die am Hafen in der Dunkelheit brannten. Lorcan ließ sich neben mir nieder.

„Was ist los?"

„Was soll los sein?"

„Ich kenne dich nicht, aber ich hab von meinen Geschwistern gehört, dass du dich nicht unbedingt gut an die neue Situation anpasst."

Wicked Game (Band 3)Where stories live. Discover now