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Beverly

„Schwarze Rosen", sagte Iona und betrachtete die pechschwarzen Blätter und die spitzen Dornen. „Ein simpler Zauber, der über Jahrzehnte wirkt. Schade, dass Corona diesen Ort so verkommen lässt. Er war einer meiner Lieblingsplätze hier im Schloss, als ich so alt war wie du." So alt wie ich. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Stattdessen sah ich mich um. Dass der Ort verkommen aussah, fand ich nicht unbedingt. Überall standen die hohen, aber überschaubaren Rosensträucher herum, die kleine Durchgänge bildeten, welche in die Mitte des kleinen Rosengartens führten. Und wenn ich klein sage, dann meine ich: So klein, wie es in Relation eines Schlosses eben geht. Ich hatte nicht gedacht, jedes Fleckchen des Gebäudes, oder der kleinen Insel zu kennen, aber mit einem Rosengarten hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Auch hier wirkte der Wetterzauber und die Rosen dufteten so intensiv, dass ich beinahe Kopfschmerzen bekam. Außerdem fühlte es sich seltsam an, wieder draußen zu sein. Ich fühlte mich noch immer etwas schwummrig und wackelig auf den Beinen, weil ich noch nichts gegessen hatte und generell noch ziemlich erschöpft war. Gut, der Alkohol auf leeren Magen war dumm gewesen, aber ich konnte ihm nicht alle körperlichen Beschwerden zuschieben.

„Wieso schwarz?", fragte ich schließlich. Es waren die ersten Worte, die ich sprach, seit sie mein Zimmer betreten hatte und Iona sah nicht einmal auf, als sie antwortete.

„Theo's Mutter hat Schwarz geliebt. Die weißen und roten Rosen, die ihr Mann hier gezüchtet hatte, waren ihr zu schlicht und normal. Also hat Theo einen Zauberspruch entwickelt, der jede Blüte in ein tiefes, reines schwarz verwandelt hat."

„Du hast gesagt, es war dein Lieblingsort, als du so alt warst, wie ich", bemerkte ich, weil Theodoric, meines Wissens nach, knapp dreißig Jahre älter war als sie, und das für einen Zauberer noch ein Babyalter war. „Er war wohl ziemlich talentiert, was das Schreiben anging, wenn er damals schon Rosen verzaubern konnte." Ich konnte nicht verhindern, dass eine gewisse Menge Frust in meinen Worten mitschwang. Theodoric hatte mit seinem ersten, selbstgeschriebenen Zauberspruch bestimmt keinen Phönix umbringen müssen.

„Er war sehr gut, ja. Aber wie gesagt: Den Zauber, mit dem er die Blumen verfärbt hat, war nicht sonderlich anspruchsvoll." Einen Moment lang verweilte ihr Blick noch auf der Blüte, dann drehte sie sich zu mir und musterte mich. Ich stand einige Meter von ihr entfernt. „Es kommt mir fast wie gestern vor, als ich Arthur und Corona gebeten habe, den Transferzauber durchzuführen."

Ich war mir nicht sicher, ob das Zeitgefühl einer Person, die über dreihundert Jahre alt war, nicht ohnehin etwas verschroben war.

„Naja, zwanzig Jahre müssen dir wie ein Wimpernschlag vorkommen", meinte ich daher.

Sie lächelte. „Setz dich." Mit dem Kopf nickte sie zu einer der kreisförmig aufgestellten Steinbänke, in dessen Mitte natürlich ein riesiger Rosenstrauch aus dem Boden ragte. Ich schlang mir den kuscheligen, dunklen Schlafmantel noch enger um den Körper und folgte ihrer Einladung.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich wohl dabei fühlte, mit meiner Hexenmutter in einem schwarzen Rosengarten zu sitzen, während ich genau wusste, dass irgendjemand im Schloss versucht hatte, mich umzubringen. Ich glaubte zwar nicht, dass es meine eigene Mutter gewesen war, aber ich fühlte mich im Augenblick doch ziemlich verletzlich. Nicht zu vergessen wusste ich ganz genau, dass jetzt der Moment gekommen war, den ich so lange angestrebt hatte. Der Moment, in dem ich endlich all meine Fragen beantwortet bekommen würde. Der Moment, den ich plötzlich am liebsten noch etwas hinausgezögert hätte.

Wie auf Kommando gab mein Magen ein lautes Knurren von sich.

„Du hast noch nichts gegessen, oder?", fragte Iona, als ich mir peinlich berührt eine Hand auf den Bauch drückte.

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt