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Beverly

Ich weiß tatsächlich gar nicht mehr, wo genau ich gelandet bin. Denn sobald ich aus dem Portal gepurzelt war, hatte sich in meinem Gehirn derselbe Hebel umgelegt, den ich auch damals umgestoßen hatte, als ich aus dem Wald gelaufen war und befürchtet hatte, er würde mich verfolgen, obwohl ich ihn oft genug mit dem Messer abgestochen hatte. So ähnlich ging es mir, als mir bewusst wurde, dass Odilia mir genauso gut folgen konnte. Vielleicht machte es ihr Spaß, mich zu jagen wie einen Hasen.

Also war ich gerannt.

Ich weiß, dass es geregnet hatte und ich in einer dunklen, stinkenden Gasse in ein paar Müllsäcke gestolpert war. Dass ein Obdachloser Mitte sechzig etwas zu mir gesagt hatte. Entweder hatte er genuschelt, oder eine andere Sprache gesprochen.

Es war nicht kalt gewesen, aber stockdunkel und ich kann mich daran erinnern, dass ich in Mitten von riesigen Gebäuden umgeben war.

Und ich war einfach nur gerannt.

Die Haarsträhnen im Gesicht, die Klamotten an meiner Haut klebend, nass und kalt. All die Menschen mit ihren Schirmen und den normalen Leben hatten mich angesehen, als wäre ich wahnsinnig.

Was sollte ich tun? Wo sollte ich hin? Egal, erst Mal weg!

Als ich plötzlich um eine Hausecke gebogen war, war ich direkt in jemanden reingerannt, der auch in mich reingerannt war.

Erst hatte ich mich losreißen und weiterlaufen wollen, doch dann hatte ich sein Gesicht erkannt. Erin. Er hatte mich an beiden Schultern festgehalten und ungläubig angesehen. Beinahe, als wäre ich der Hauptgewinn einer Schnitzeljagd gewesen. Am ganzen Körper hatte ich zu zittern begonnen, so überstrapaziert waren meine Nerven.

Die Dinge, die Erin gesagt hatte, hatte ich nicht mitbekommen. Seine Lippen hatten sich bewegt, seine Augen waren vor Aufregung hin und her gewandert, aber nichts von dem, was er gesagt hatte, war bis in mein Bewusstsein vor gedrungen.

Nur die Antwort auf meine einzige Frage hatte ich mitbekommen.

„Ist Aidan tot?"

Erin hatte mich höchst irritiert angesehen, vielleicht, weil ich nicht auf das reagierte, was er sagte. „Nein... Wieso? Deine Freunde warten alle in Schottland auf dich."

Ab da hatte mein Gehirn ohnehin komplett dicht gemacht.

Ich hatte gerade noch mitbekommen, dass Erin mir seine Jacke um die Schultern gelegt hatte, die auch nicht unbedingt trocken war, aber ich zitterte nicht mehr so stark. Dann hatte er jemanden angerufen, irgendetwas von Amsterdam geredet und mich kurz darauf in eine andere Gasse geschoben. Und plötzlich waren wir wieder vor dem steinernen Ataria in Blackvalley gewesen und von dort aus auf der Insel in Schottland gelandet. Es war alles so schnell passiert, dass ich Stücke dieser Reise komplett vergessen habe.

Ich hatte absolut keine Zeit gehabt, irgendetwas von dem, was passiert war, zu verarbeiten und das resultierte in einer äußerst seltsamen Reaktion, als ich meine Freunde wieder sah.

Drei Monate war es her, seit ich sie nach Hause geschickt hatte und sie waren tatsächlich alle hier. Sorge und Erleichterung spiegelte sich in ihren Gesichtern.

Was macht Addie hier?

Aidan stürmte auf mich zu, sobald er mich sah und rannte mich fast um. Er drückte mich so fest an sich, dass ich beinahe glaubte, in der Mitte auseinander zu brechen wie ein frisch gebackenes Baguette.

Widererwarten brach ich nicht in Tränen aus. Ich begann auch nicht wie eine Irre zu lachen und zu tanzen.

Ich war einfach nur heillos überfordert, weil ein Teil von mir fest davon ausgegangen war, dass Odilia ihn umgebracht hatte. Ein Teil von mir war davon ausgegangen, er sei tot. Und wenn ich ehrlich war, dann wollte ich Aidan in diesem Moment einfach von mir wegstoßen, aber ich war wie gelähmt.

Wicked Game (Band 3)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon