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Aidan

Man sagt, wenn man dem Tod ins Auge blickt, dann sieht man das Leben an sich vorbei ziehen. Oder war das, wenn man stirbt? Egal.

Ich konnte jedenfalls nicht mein Leben an mir vorbei ziehen sehen, sondern lediglich an die Dinge denken, die ich nicht mehr erleben würde.

Addie's Babies, die Hochzeit von Trev und meiner Schwester, ein glückliches Leben mit Beverly, Grillabende im Garten, Besuche bei ihrer Tante, vielleicht selbst ein oder zwei Kinder. Ich wollte nicht sterben, denn ich wollte wissen, wie es weiter gehen würde.

Ich wusste natürlich nicht, wann der Zauber aufhören würde zu wirken, aber sollte er es in diese Sekunde tun, würde ich sterben. Würde er es nicht, würde Beverly sterben.

Natürlich würde es trotzdem irgendwie weitergehen. Bestimmt. Die Erde würde sich weiterdrehen, nur würden sie oder ich einfach nicht mehr Teil davon sein und dieser Gedanken machte mir plötzlich so große Angst, dass ich Odilia beinahe verraten hätte, wo Brikeena war. Warum sollte Brikeena das Recht haben, mir und Beverly die Zukunft zu nehmen? Unsere Zukunft?

Ich hatte sogar schon den Mund geöffnet, aber dann stieß jemand die Türen zum Thronsaal auf und die feuerroten Locken, die ich aus dem Augenwinkel wahrnehmen konnte, verrieten Acacia.

Odilia sog aufgeregt die Luft ein, als würde sie in Acacia eine alte Freundin erkennen, die sie lange nicht mehr gesehen hatte. Augenblicklich verschwand das Messer von meiner Kehle und Odilia hüpfte aufgeregt zu Acacia.

Ich stieß den Atem aus und erinnerte mich daran, dass ich die Klappe halten musste, sollte ein Messer nochmal in die Nähe meiner Kehle geraten. Ob ich es wirklich schaffen würde, war eine andere Sache.

„Acacia!" Odilia fiel dem rothaarigen Mädchen um den Hals, aber sie reagierte nicht, sondern schloss angestrengt die Augen. Wie viel Kraft es ihr wohl kostete, überhaupt noch aufrecht zu stehen? „Es ist so schön, dass du auch dazu stößt!"

„Was tust du?", fragte Acacia kühl. Odilia ließ sie los und schwang den Dolch aus Dämonenglas hin und her.

„Nur ein kleines Familientreffen", meinte sie. „Ich will wissen, wo Brikeena ist, aber sie sind alle Spaßbremsen und wollen es mir nicht verraten."

„Warum ist dir Brikeena so wichtig?"

Odilia begann zu strahlen. „Weil sie meine Familie ist, Dummerchen." Sie tippte Acacia auf die Nase. Dann atmete sie erschrocken auf, als hätte sie eben einen schrecklichen Fauxpas begangen. „Ach, wie taktlos von mir! Das Wort Familie bedeutet in dieser Familie ja nicht viel."

Sie drehte sich wieder um und sprang wie eine Elfe durch den Saal, während Acacia sie nicht aus den Augen ließ. Es war ein absurdes Bild und ich hätte lachen können, wenn mir der Schreck nicht noch immer in den Knochen gesessen hätte.

„Du weißt, dass du das alles nicht tun musst, oder?" fragte Acacia sanft und Odilia blieb stehen.

„Du irrst dich."

„Wir waren mal Freundinnen. Familie. Und du weißt, dass ich nie für deinen Tod gestimmt habe."

„Du nicht." Odilia sah über ihre Schulter und zeigte anklagend auf Corona, Arthur und alle anderen. „Aber sie schon."

„Das alles hätte niemals so eskalieren müssen." Traurig schüttelte Acacia den Kopf. „Du hast einige falsche Entscheidungen getroffen. Iona hat falsche Entscheidungen getroffen. Wir sind alle menschlich." Sie machte einen Schritt nach vorne. „Aber was du hier tust ist nur Show und das wissen wir beide. Es ist nicht, was du wirklich willst. Du willst nicht Brikeena, sondern Irland und Frankreich."

Wicked Game (Band 3)Where stories live. Discover now