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Aidan

Ich hatte nie an Seelen geglaubt. Nur an ein funktionierendes Nervensystem. Neuronen, Synapsen, elektrische Impulse. Seelen hatten mich nie sonderlich interessiert, aber die Komplexität unseres Gehirns, das eine unvorstellbar hohe Leistung in jeder Millisekunde erbringt, hatte mich immer fasziniert. Die nahezu unendliche Speicherkapazität. Die Lernfähigkeit. Das Phänomen von Träumen. Muskelgedächtnis. Dass man nach Nahtoderfahrungen immer noch dieselbe Person sein kann, obwohl das Gehirn schon fast den Geist aufgegeben hat. Wie Alzheimer eine so faszinierende und schreckliche Krankheit zugleich sein konnte. Wie ein Gehirn mehrere Persönlichkeiten getrennt voneinander kreieren konnte. Für all das hatte ich mich schon immer interessiert.

Meine Schwester war da anders. Addie glaubte immer noch an Seelen. Seelenverwandtschaft. Ein Leben nach dem Tod. Alte Seelen, Reinkarnation. All den Blödsinn. Sie glaubte auch an einen Lebenszweck. Dass es einen Grund gab, warum wir alle hier waren.

Ich glaubte, dass wir grundlos hier waren und der Lebenssinn ein von Menschen geschaffenes Konstrukt war, um nicht den Verstand zu verlieren. Es hatte bestimmt keinen tieferen Sinn, warum es uns gab. Wir waren ein natürliches Produkt der Evolution. Unsere Leben hatten keinen Sinn, aber das hieß nicht, dass man sein Leben nicht genießen konnte, wenn man denn schon die Chance geboten bekam. Im Gegensatz zu Addie, glaubte ich nur an dieses eine Leben.

Seit ich jedoch wusste, dass es Dämonen gab, und meine Freundin von Hexen wieder zum Leben erweckt worden war, hatte sich meine Weltanschauung ein bisschen verschoben. Jetzt musste ich wohl oder übel an Seelen glauben. An ein Leben nach dem Tod. Daran, dass der körperliche Tod nicht endgültig war. Immerhin konnte mein bester Freund jetzt die Geister von Hexen und Zauberern sehen.

Aber was ich in den letzten Tagen über Hybride zu lesen bekommen hatte, war noch mal ein Eckchen anders.

Die Sache mit der Seelenfarbe hatte ich immer suspekt gefunden. Jeder Mensch hatte sie, aber sie zeigte sich nur durch einen Dämon. Ein Dämon spiegelte sie quasi wieder. Er öffnete das Tor zu Seele und ließ die Außenwelt in den Augen einer Person die Farbe der Seele erkennen, wenn man den Dämon bewusst in seinen Körper gezwungen hat.

Blau steht für Unschuld, vermutlich die Seelenfarbe, mit der jeder Mensch geboren wird. Grün steht für Mord an einer Person. Dabei spielt es keine Rolle, ob man den Mord bloß nicht verhindert, oder eigenhändig ausgeführt hat. Trish hatte eine grüne Seele gehabt, nachdem Addie ihr Kind abgetrieben hatte. Trish hatte davon gewusst, aber es nicht verhindert. Seit sie ihre Mutter umgebracht hatte, hatte sie -wie Beverly und Addie früher- eine rote Seele. Addie's Seele war eine Zeit lang goldfarben gewesen, die Farbe einer gebrochenen Seele. Erst dann kann sich ein Dämon mit Einwilligung des Menschen mit ihm verbinden. Und genau das hatte Addie zugelassen, als Trev im Sterben gelegen hatte. Jetzt war ihre Seele schwarz. So schwarz, wie die Seelen von Dämonen. Warum sie schwarz waren, wusste ich nicht, aber mir ging die absurde Vorstellung nicht aus dem Kopf, dass es am Höllenfeuer lag, das die Seelen verkohlte und schwarz werden ließ.

Ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht, welche Farbe meine Seele hatte. Eigentlich hatte ich angenommen, dass sie schwarz ist, da ich ein Hybrid bin. Meine leibliche Mutter war während der Schwangerschaft von Vaya besessen gewesen. Aber dann hatte ich in der Kirche, kurz bevor Addie Jo umgebracht hatte, angeblich silberne Augen gehabt. Bezeugen konnte ich es nicht -ich hatte keinen Spiegel dabei gehabt-, aber ich glaubte Addie und Beverly.

Nur hatte ich nie so recht darüber nachgedacht, ob sich die Seele eines geborenen Hybrides nun so sehr von der eines Menschen, der mit einem Dämon verbunden war, unterschied. Sprich, ob sich meine Seele von Addie's unterscheid. Von der Farbe mal abgesehen.

Wicked Game (Band 3)Where stories live. Discover now