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Aidan

Das Schloss war noch nie so düster gewesen, aber vielleicht bildete ich mir das auch einfach nur ein. Am unheimlichsten war, dass sich außer mir niemand auf den Gängen befand. Soweit ich wusste, waren sich die meisten im unteren Bereich des Schlosses, um Eindringlinge sofort abfangen zu können. Also würde ich dort am ehesten Glück haben, auf jemanden zu stoßen, der selbst schon acht Kinder zur Welt gebracht hatte.

Gott, wieso war dieses riesige, leere, stille Schloss bloß so unheimlich? Draußen waren Wolken aufgezogen, und die hohen Gräser peitschten hin und her. Ein Sturm zog auf.

Perfekte Weltuntergangsstimmung.

Warum hatte ich noch mal geglaubt, es wäre eine gute Idee gewesen, hier bei Beverly zu bleiben? Diese Entscheidung musste ein Kobold in meinem Kopf getroffen haben.

Als ich im Erdgeschoss ankam beschlich mich ein ungutes Gefühl. Es war absolut niemand hier. Es war, als hätten uns alle im Schloss alleine gelassen, um uns den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Ich schluckte diesen Gedanken hinunter. Mit pochendem Herzen und einem festgezogenem Knoten im Magen schlich ich auf den Thronsaal zu, warf immer mal wieder einen Blick über meine Schulter, aber es war wie ausgeflogen.

Ein dicker Wassertropfen schlug auf die Fensterscheibe ein und ich blieb stehen. Ein zweiter Tropfen folgte, dann ein dritter und plötzlich prasselte der Regen wie Geschosse gegen die Scheiben.

Langsam bewegte ich mich weiter. Der Steinboden fing den Schatten, des abrinnenden Wassers auf den Scheiben auf, und es sah beinahe hübsch aus.

Natürlich war ich nicht so dämlich, einfach in den Thronsaal reinzuspazieren. Wer wusste schon, was da drinnen gerade vor sich ging?

Aber ich hatte eine coole neue Fähigkeit erlernt, die mir erlaubte zu hören, was in anderen Räumen passierte, ohne tatsächlich drinnen zu sein. Warum nicht anwenden?

Zu meiner Überraschung klappte es sogar und ich durchbrach die Wand schneller als je zu vor. Das einzige, das ich jedoch hören konnte, war ein langsames, rhythmisches Klacken, das vielleicht von Schuhen stammte. Ich hörte gedämpftes Gemurmel, konnte aber nichts verstehen, was ganz und gar untypisch war.

Und dann hörte ich jemanden sprechen. „Wo hat sich eigentlich unsere Mutter versteckt?" Schritte hallten durch den Saal. „Hatte sie Angst vor mir?"

Zwei Sätze. Ich hatte genug gehört.

Ich würde Beverly, Addie, Trish und Chase schnappen und wir würden verschwinden. Auf der Stelle drehte ich mich um und rannte direkt in die Arme zweier schwarzer Gestalten.

Du bist sowas von erledigt.

~~ ~~

Mir wäre wirklich nichts eingefallen, was diese Situation beschissener hätte machen können. Das bewies, dass ich auch noch nie in einer beschisseneren Situation gewesen war. Vielleicht, als Jo Addie entführt hatte und Beverly und ich in der Kirche gelandet waren. Das war schon ziemlich unheimlich gewesen. Oder als ich Fabiana's zerfetzten Körper gefunden hatte. Oder als Trev im Sterben gelegen hatte. Oder als Trish ihre Mutter umgebracht hatte. Oder als Addie sich die Pulsadern aufgeschlitzt hatte. Oder als Beverly sich das Leben genommen hatte. Oder als Beverly von Cillian und Odilia entführt worden war.

Das war schon alles ziemlich krank, verdreht und abgefahren gewesen. Aber kein einziges Mal war mein Leben dabei in Gefahr gewesen. Kein Mal.

Jetzt sah das ein bisschen anders aus. Denn als die Gestalten die riesigen Flügeltüren zum Thronsaal aufstießen und mich hineinschoben, wusste ich, dass der Plan, Odilia heute Nacht einzufangen gewaltig nach hinten losgegangen war, und überarbeitungsbedürftig war.

Wicked Game (Band 3)Where stories live. Discover now