Caden

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»Because the dawn right before the sun rises is the darkest«

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Während mein Gehirn zu verarbeiten versuchte, was gerade passiert war, bemerkte ich kaum, dass Jane meine Hand nun wesentlich fester drückte und mir eindringlich ins blasse Gesicht blickte. 
Ich wusste, dass Henry die gesamte Situation unmöglich verstehen konnte und aufgrund dessen nicht wagte, den Mund zu öffnen, um eine seiner unschuldigen Fragen zu stellen. 

“Caden.” 

Die Reaktion meines Vaters fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, welcher mich aus Raum und Zeit geworfen hatte. Und es tat unfassbar weh, der Schmerz brannte höllisch. Nicht zwar auf meiner Wange, doch in meinem Herzen. 

“Es ist nicht-” Janes Stimme war sanft, konnte den Sturm in mir jedoch nicht besänftigen. Ihre Worte zwangen mich dazu, sie anzuschauen, doch ich fühlte mich von all den Gefühlen - insbesondere von Angst und Scham - überwältigt, sodass mich allein dieser winzige Schritt einiges an Überwindung kostete. 

Halte die Tränen zurück, Caden, bleib stark. 

Janes Augen glänzten und ihre Lippen formten sich langsam zu einem traurigen Lächeln, als sie mit ihrem Kopf in die Richtung deutete, in welche mein Vater so eilig verschwunden war. 
“Geh ihm hinterher, Caden. Ich bin mir sicher, es ist nicht, wie es scheint.” 

Wortlos erhob ich mich von meinem Stuhl, was mir bloß mit Mühe gelang, da mein Körper wie gelähmt und meine Sicht vernebelt war. Das letzte Mal in meinem Leben, als ich so stark gegen meine Tränen hatte ankämpfen müssen, war in der Zeit, in der meine Mutter gestorben ist. Doch jetzt wollte ich meine Schwäche nicht zeigen. Nicht, nachdem ich bloß wenige Minuten zuvor meine Stärke bewiesen hatte. Augenblicklich vermisste ich die Wärme und mit ihr das Gefühl der Sicherheit, welches mir Janes behütende Hand geschenkt hatte. Während ich das Esszimmer mit weichen Knien verließ, schienen meine Beine von selbst zu wissen, wohin sie mich führen mussten. 

Es war schon immer so gewesen. Wenn mein Vater alleine sein wollte und Zeit für sich brauchte, verschwand er heimlich auf die Veranda, um dort in Ruhe eine Zigarette rauchen zu können. Allein der Gedanke daran, der Grund für seine Flucht zu sein, ließ mir unmittelbar übel werden. 

Mein Herz schien mir vor Angst aus der Brust springen zu wollen, als ich die Veranda so leise wie möglich betrat, um seine mögliche Wut nicht noch weiter zu schüren. Mir schossen tausende Gedanken durch den schmerzenden Kopf, doch kein einziger von ihnen trug dazu bei, dass ich mich auch nur im Entferntesten beruhigte. 
Ich wusste nicht, ob mein Vater meine Anwesenheit wahrgenommen hatte, denn er blieb wie erstarrt am Geländer stehen, egal, wie weit ich mich ihm näherte. 

Unzählige Szenarien spielten sich vor meinem Auge ab und beim Gedanken daran, wie Jamies Eltern auf sein Outing reagiert hatten, lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Nie hatte ich mich besser in ihn hineinversetzen können, als in diesem Augenblick. Es war hart für mich, abermals zu realisieren, welch große Schmerzen und Qualen er hatte durchstehen müssen. Mein Herz zerbrach in seine Einzelteile und fiel als Trümmerhaufen auf meine Füße, welche unter dem plötzlichen Gewicht keinen weiteren Schritt mehr zu tun vermochten.

Wie angewurzelt stand ich meinem Vater gegenüber und glaubte, in wenigen Sekunden entweder ohnmächtig zu werden oder an meinen eigenen Tränen, welche ich noch immer gewaltsam hinunterschluckte, zu ersticken. 
Er hatte mir zwar seinen Rücken zugekehrt, doch ich konnte mit Gewissheit feststellen, dass mein Vater nicht wie gewöhnlich rauchte. Ich wollte ihn fragen, weshalb er keine Zigarette in der Hand hielt, aus welchem Grund er so plötzlich aus dem Esszimmer verschwunden ist und wieso er sich nicht einmal zu mir umdrehte, doch mein Hals war wie zugeschnürt und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. 

Unexpected Love (boyxboy) Where stories live. Discover now