| 11. Kapitel |

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Meine Atmung setzte für einen Moment aus. Augenblicklich zog ich meinen Zauberstab aus meinem Ärmel und hob ihn abwehrend vor mich. Ich lauschte nach irgendwelchen Geräuschen, doch das einzige das ich wahrnahm, war die Brandung des Atlantiks. Ich schluckte schwer und sah mich im Wohnzimmer um. Überall lagen Bücher, und herausgerissene Seiten auf dem Boden. Die Bilder meiner kleinen Brüder, meiner Großeltern und Bilder von meinem Vater und mir, hingen nicht mehr sauber aufgereiht an der Wand, sondern lagen mit zerbrochenen Gläsern auf dem Fußboden herum, und hin und wieder konnte man einen matschigen Fußabdruck darauf erkennen. Die Tür war aus den Angeln gerissen worden und die Fensterscheiben waren angekokelt, so als hätte jemand mit Bombarda Maxima erst die Tür aufgebrochen und mit der anschließenden Druckwelle das ganze Zimmer verwüstet.

Ich hörte ein Stöhnen und zuckte erschrocken zusammen. Dennoch hielt ich zitternd meinen Zauberstab vor mich. Eine Welle der Panik erfasste mich, als ich in meinem Gehirn hektisch nach dem passenden Abwehrzauberspruch suchte. Ich vernahm, wie jemand meinen Namen aussprach, so vertraut und familiär wie es nur mein Vater hätte sagen können. Ich scannte den Raum, und erkannte einen schwarzen Schuh, der unter einigen Trümmern hervorstach. "Dad!", rief ich aus und stürzte sofort auf den am Boden liegenden Mann zu. Ich stolperte über einige Trümmerteile, und kam direkt neben dem zerkratzten Gesicht meines Vaters zu Boden. Ängstlich musterte ich ihn, überall erkannte ich blutende Wunden, während das meiste Blut von einer Wunde im Bauch herausströmte. Schmerzerfüllt verzog mein Vater sein Gesicht, als ich geistesabwesend den Vorhang neben mir ergriff und diesen auf die klaffende Wunde drückte.

"Du musst sofort gehen. Geh zu deiner Mutter!", flüsterte er und umklammerte flehend und mit letzter Kraft meine Hände, die auf seinen Bauch drückten. "Ich lasse dich nicht zurück. Wir können es noch ins St. Mungos schaffen", murmelte ich und presste weiterhin seine Organe zurück in seinen Körper. "Sieh mich doch an Kate. Wir wissen beide, dass ich es bis dahin nicht mehr schaffen werde", meinte der Braunhaarige schwach und legte erschöpft seinen Kopf auf das Parkett zurück. "Ich spüre schon gar keine Schmerzen mehr. Es geht mit mir zu Ende Kate", murmelte er und hustete. Blut spuckte mir entgegen, und obwohl alles in mir sagte, dass er es tatsächlich nicht schaffen würde, wollte ich die Hoffnung noch nicht aufgeben. "Wenn du wirklich Heilerin werden möchtest, musst du lernen, Patienten los zu lassen", flüsterte er und schenkte mir ein schwaches Lächeln. "Lass mich gehen", stöhnte er und hustete ein weiteres Mal. "Nein, wir können es noch schaffen", widersprach ich ihm mit zitteriger Stimme und legte meine Hand hinter seinen Kopf, sodass wir einfacher disapparieren konnten. Patrick O'Callaghan hingegen stöhnte auf, und umfasste mit seiner Blutigen Hand mein Gesicht. "Ich liebe dich. Ich bitte dich, setze dich für das Richtige ein. Stehe auf Potters Seite und kämpfe gegen ihn! Du musst fliehen, geh zu deiner Mutter, mach die Schule fertig und trete dann dem Orden des Phönix bei", wisperte er. Ich spürte, wie viel Energie es ihn kostete mit mir zu sprechen, weshalb ich die aufkommenden, verzweifelten Tränen unterdrückte und mein Kiefer so fest aufeinander biss, dass sich drückende Kopfschmerzen in mir breit machten. "Mach mich Stolz", sagte er und streichelte mir über meine Wange. Ich schluchzte auf. "Nein Dad, du kannst mich jetzt nicht alleine lassen. Bitte nicht", murmelte ich mit erstickter Stimme und konnte ein lautes aufschluchzten nicht unterdrücken. Doch er hatte mir ein letztes mal einen liebevollen Blick zu geworfen, mich kurz angelächelt und dann seinen letzten Atemzug gemacht. Seine Brust hob und senkte sich nicht mehr, das Blut quoll nicht mehr aus seiner Wunde und nichts gab mehr den Anschein, als würde er noch Leben. Er war in meinen Armen gestorben, und ich hatte nichts dagegen tun können. Wie versteinert saß ich so da, und blickte auf das so friedlich aussehende Gesicht meines Vaters hinunter. Meine Hände pressten noch immer gegen die Wunde, doch langsam lehnte ich mich zurück und legte meine blutigen Hände auf meine Oberschenkel. Ich merkte, wie es mir auch schon bei Cedrics Tod erging, dass mir alles Blut aus dem Körper gezogen wurde und es sich so anfühlte, als hätte ich keinen einzigen Tropfen mehr in mir. Langsam stand ich auf, und bevor ich überhaupt selbst realisieren konnte, was ich tat, stellte ich mich wieder in den Kamin, nahm eine Handvoll Pulver und sagte: "Zaubereiministerium!"

Voll mit Ruß und Blut bekleckert, stand ich nun im Eingang des Ministeriums. Ich erblickte die vielen Menschen, die hektisch zu den Aufzügen gingen, oder sich an den wenigen Schaltern ihre Zeit vertrieben. Ich registrierte mich nicht als Besucher, gab nicht meine Zauberstabdaten an, sondern ging gleich auf einen Aufzug zu und nannte den Namen zu der Person, zu der ich wollte. Nur wenige der andere Hexen und Zauberer hatten bemerkt, wie ich aussah, und musterten mich schockiert, beziehungsweise blickten mich abschätzig an, als hätten sie noch nie in ihrem Leben Blut gesehen. Stumme Tränen flossen in Bächen über meine Wangen, und die Kopfschmerzen breiteten sich pulsierend in meinem ganzen Körper aus.

Nach wenigen Stationen kam ich in der richtigen Abteilung an, und öffnete, ohne anzuklopfen, die Tür. Arthur Weasley sah von einem Verlängerungskabel auf und blickte mich verwirrt an. "Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte er routinemäßig und erkannte erst dann, dass ich voller Blut war. Seine Augen weiteten sich, als er mich erkannte: "Catherine?" Fred hatte Molly und Arthur mal ein Bild von uns zusammen geschickt, als er ihnen stolz verkündet hatte, dass er nun mit mir zusammen war. Arthur ging um den Schreibtisch herum, stolperte dabei über einige Kabel und fasste mich an meinen Schultern, um mich genauer unter die Lupe zu nehmen. Nur schwer konnte ich mich dazu zwingen mit fester Stimme zu sprechen: "Mein Vater ... Ermordet." Der rothaarige Mann sah mich verständnislos an. Doch schnell erfasste er die Situation und sagte: "Komm mit mir. Wir müssen sofort zu Kingsley!"

Wie betäubt lief ich dem Familienvater hinterher. Arthur schubste einige Ministeriumsangestellten aus dem Weg, die ihn nur verständnislos ansahen, ihm sogar Beleidigungen hinterher warfen. Nach wenigen Gängen kamen wir an einer Tür an, die Arthur, ohne zu zögern, öffnete und augenblicklich das Wort an sich riss. Ich schenkte seinen Worte keine Bedeutung, stattdessen konzentrierte ich mich auf das Bild vor meinem Inneren Auge. Mein Vater sah so friedlich aus, als er seinen letzten Atemzug genommen hatte, so als hätte er seinen Tod wie einen alten Freund begrüßt. Ich starrte auf Arthurs Rücken und versuchte nicht allzu sehr hin und her zu schwanken. Doch seine letzten Worte ließen mich aufsehen: "Bei Merlin, Molly und die Kinder!" Sofort brüllte Kingsley, den ich von Erzählungen von meinem Vater leicht identifizieren konnte, Befehle umher und wenige Sekunden später waren auch schon fast alle Zauberer verschwunden. Allein Arthur und eine Frau mit rosaroten Haaren blieben zurück. Arthur drehte sich zu mir um, und fasste mir an die Schultern. "Das hier ist Tonks. Sie wird dich in Sicherheit bringen. Wir werden später ebenfalls zu euch stoßen", sagte er, lächelte mich liebevoll an und verschwand ebenfalls.

Mit einem freundlichen Lächeln ging die junge Frau auf mich zu und sagte: "Wie gesagt, ich bin Tonks. Hier nimm meine Hand." Sie stellte sich neben mich und ich klammerte mich unsicher an ihren Arm. Kurz darauf wurden wir durch einen dünnen Schlauch gepresst und auf der anderen Seite davon aus gespuckt. Wir stolperten, als wir ankamen, und das Gefühl der Übelkeit erfasste mich. Ich konnte zwar apparieren, dennoch war ich nie ein großer Fan davon gewesen. Ich sah mich besorgt um, und konnte auf dem fast unleserlichen Straßenschild erkennen, dass wir an einem Grimmauldplatz angekommen waren. Plötzlich machte sich zwischen zwei Häusern noch ein drittes Breit, und groß prangte dort die Nummer Zwölf. "Willkommen im Hauptquartier des Orden des Phönix", sagte Tonks mit einem breiten Grinsen und deutete mir ihr zu folgen.

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt