| 70. Kapitel |

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Nur schwer konnte ich meine Augen öffnen. Es fühlte sich so an, als wäre ich gerade eben aufgestanden, und das Licht war noch zu hell, um die Augen richtig zu öffnen. Als ich imstande war, sie zu öffnen, blickte ich dem strahlend blauen Himmel entgegen. Vereinzelt hatten sich ein paar Wolken verwirrt, zogen jedoch mit dem Wind in Richtung Osten. Ich hörte die Vögel zwitschern, und selbst das Rauschen des verbotenen Waldes konnte ich vernehmen. Ansonsten war es still. Niemand sprach ein Wort, und ich und die Natur waren allein. Der Wind rauschte durch die Zinnen der Türme von Hogwarts, während die Vögel ihre altbekannten Lieder zwitscherten. Eine Eule flog lautlos durch die Lüfte und machte sich sicherlich auf den Weg in ihr Quartier im Eulenturm. Ich sah wieder in den Himmel. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Diese Wolke sah aus, wie der Hut, den Fred und George Molly voriges Jahr zu Weihnachten geschenkt hatten. Eine Krähe schrie. Der Wind rauschte weiterhin.

Ich versuchte, mich aufzurichten, doch als mir der Duft von frisch gefallenem Schnee, Zimt und Tannennadeln in die Nase stieg, blieb ich reglos liegen. Meine Augen suchten den Himmel ab, konnten noch einen kleinen Einblick auf Gesteinsbrocken zu meiner rechten und linken erhaschen, doch sonst erkannte ich nichts. Ich öffnete meinen Mund, doch nichts als ein erstickter Laut und ein krächzten entfuhr mir. Mein Amorentia roch genauso, und genauso roch auch Fred. Er musste also hier irgendwo sein. Ich musste ihn sehen. Ich musste ihm doch sagen, dass wir eine gesunde Tochter hatten, die noch unbedingt einen Namen brauchte.

„Ich habe sie gefunden Professor!", plötzlich die laute Stimme von George. Es rutschten einige Steine neben mir weg und plötzlich das Gesicht von George vor mir. Ihm fehlte noch immer sein Ohr, während ihm einige Bahnen an Blut das Gesicht hinunterliefen. Diese waren aber schon längst getrocknet. Er war staubig, und es sah fast so aus, als hätte er geweint. „George", murmelte ich erleichtert und wollte meine Hand zu ihm ausstrecken, doch sie gehorchte mir nicht. Ein stechender Schmerz machte sich plötzlich in meiner Bauchgegend breit. Ein Schmerz, den ich das letzte Mal in ähnlicher Weise bei der Geburt erfahren hatte. Ich verzog mein Gesicht, doch dann hörten die Schmerzen auch schon wieder auf, und alles war so friedlich wie zuvor.

„Oh Kate. Bringen wir dich mal aus diesem Schlamassel raus", murmelte George und schob einige Steine von meinen Beinen. Ich schluckte schwer, als ich dieses Geräusch nur hörte, jedoch nicht spürte. Ich spürte Georges Berührungen nicht, und selbst dann nicht, als er mich vom Boden kratzte und hochhob. Ich hatte gerade noch so die Kraft, um mich an ihn zu klammern, doch dann wurde mir bewusst, was geschehen war. Antonin hatte eine Explosion ausgelöst und ich wurde unter den umherfliegenden Gesteinsbrocken begraben. Ich hatte keine Schmerzen, da ich viel zu schwer verletzt war, und mein Amorentia hatte ich wohl nur gerochen, weil ich dem Tod schon eine Hand gegeben hatte. „Werde ich sterben?", fragte ich George leise, doch dieser presste nur die Lippen aufeinander. Das war mir Antwort genug. „Fred ist auch gestorben, oder?", fragte ich ihn leise, und als George nun noch mehr die Lippen aufeinanderpresste und die Augen schloss, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, war mir auch diese Geste Antwort genug.

Er trug mich durch das Portal und anschließend in die große Halle. Auch hier war der Himmel strahlend blau. Doch hier war keine Ruhe mehr, kein Vogelgezwitscher. Menschen redeten wirr durcheinander, einige schluchzten, andere stöhnten, schrieen. Ich fragte mich, auf welcher Orgie ich hier gelandet war. Plötzlich konnte ich Mollys herzzerreißenden Schrei hören. Kurz darauf eilige Schritte und jemand fasste mir an die Schulter. Ich erblickte Molly, wie sie mit geröteten Wagen auf mich sah und erkannte, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel, als sie erkannte, dass ich noch lebte. „Alles wird gut Molly", murmelte ich hustete jedoch. Ich hielt mir die Hand vor, und als ich sie wegzog, erkannte ich, dass ich Blut gehustet hatte. „Ach Kate", murmelte Molly und ließ von mir ab, als George langsamer wurde und sich nach links wandte.

Königsblau | Fred WeasleyWhere stories live. Discover now