| 15. Kapitel |

871 38 1
                                    

Lucius Malfoy war schon längst wieder disappariert, während ich noch regungslos im Regen stand. Mein Gehirn schien noch nicht recht verarbeitet zu haben, was er mir mit seinem Angebot gerade hatte sagen wollen, und dennoch ratterten meine Gehirnzellen ununterbrochen. Ich schluckte schwer und drehte mich im Kreis. Niemand war zu sehen, selbst die Vorhänge in den Häusern waren noch zugezogen und auch kein Auto, Motorrad oder Fahrrad war in den vergangenen Minuten vorbei gefahren. Ein Kloß fing an sich in meinem Hals zu bilden, als ich entschlossen meinen Kopf schüttelte, meine Augen schloss und mir das Haus vom Grimmauldplatz vorstellte. Wenig später wurde ich durch den altbekannten dünnen Gartenschlauch gepresst und stand wenige Sekunden danach auf dem Gehweg gegenüber des Hauptquartiers. Gestern Abend hatte mir Remus während unseres langen Gesprächs das Kennwort erzählt, wie man wieder in das Haus kommen konnte, weshalb ich es dachte und keinen Augenblick später sich die Häuser auseinander schoben. Ich zog mir wieder die Kapuze über den Kopf, zog meine Nase hoch und blickte nach rechts und links. Lediglich ein Müllwagen war zu sehen, der sich jedoch am anderen Ende der Straße befand und langsam die Mülltonnen der Anwohner einsammelte um sie auszuleeren. Zügig überquerte ich die Straße, trat die Treppen hoch zu dem Anwesen und stand unter dem unsichtbaren Schutz des Hauses.

Unbemerkt wollte ich wieder in das Haus schleichen, als ich gerade den Türknauf herumdrehen wollte, wurde dieser schon aufgerissen und eine ziemlich wütend aussehende Mrs. Weasley stand vor mir. Sie hatte ihre Hände in ihre Hüfte gestützt, lange grüne Handschuhe an und in der Hand eine Spritzflasche voll Doxygift, dessen Rezept sie vermutlich aus einem ihrer Bücher von Lockhart hatte. Der Kloß in meinem Hals machte sich wieder bemerkbar und ich schluckte schwer. Wortlos starrten wir uns einander an, ehe jemand hinter Molly trat und sich zwischen uns stellte. Empört warf Molly Remus einen bösen Blick zu, doch dieser nahm mich nur in den Arm und drückte mich anschließend in das Haus zurück. Perplex, dass nicht auch er wie Molly ziemlich angefressen aussah, ließ ich mich von ihm in das Badezimmer drücken. "So, du duscht dich jetzt erst einmal warm. Ich möchte nicht, dass du dich erkältest. Und danach ziehst du dir etwas warmes an, und dann werde ich wohl ein ernstes Wörtchen mit dir sprechen müssen. Wenn ich das nicht mache, wird Molly mir vermutlich höchstpersönlich den Hals umdrehen. Du tust jetzt das, was ich dir gesagt habe, verstanden?", sagte Remus ruhig und ich nickte überrascht. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er nicht sauer auf mich war, und dennoch trat er mit einem kleinen Grinsen aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich. Langsam löste ich mich aus meiner Starre, stellte den Wasserstrahl an und ließ ausnahmsweise die Badewanne voll laufen. Mit einem Schwung meines Zauberstabes bildeten sich Schaumblasen auf der Oberfläche des Wassers und mit einem weiteren Schwung war die Tür abgeschlossen, und auch sonst niemand konnte in den Raum apparieren, was die Zwillinge schon den ganzen Sommer praktizierten. Ich wollte für diesen einen Moment allein sein, und meine Gedanken sortieren. Ich legte meine Kleidung ab und ließ mich langsam in das heiße Wasser gleiten.

Gedankenversunken fuhr ich mit meiner Handoberfläche über die Schaumkrone und dachte über den bis jetzt vergangenen Tag nach. Meine Mutter hatte sich kratzbürstig gegenüber von mir verhalten und wollte tatsächlich nichts mehr mit uns zutun haben. Meine Brüder jedoch, erinnerten mich von den wenigen Minuten, die ich sie sehen konnte, so stark an meine Lieblingszwillinge, dass man fast hätte meinen können, sie wären nochmals Weasleys nur mit einer anderen Haarfarbe. Ich hatte das ungute Gefühl, dass sie auch an ihrem elften Geburtstag einen Brief von Hogwarts bekommen würden, weshalb ich mit gemischten Gefühlen diesem Tag entgegenfieberte. Hoffentlich hatte ich bis dahin noch einen guten Draht zu McGonagall oder Dumbledore, sodass ich in Erfahrung bringen konnte, ob sie akzeptiert worden waren oder nicht. Meine Mutter machte mir jedoch große Sorgen. Mein Vater hatte sie abgöttisch geliebt, und sie tat seinen Tod mit einem Augenzucken nieder. Ich sank tiefer in das Wasser ein, sodass mein Mund bedeckt wurde und schloss meine Augen um ganz unterzutauchen. Dann war da noch die Begegnung mit Malfoy. Der Reinblüter wollte mich, ein Halbblut, noch dazu eine Ravenclaw und Tochter eines Blutsverräters, in seinen Reihen haben? Ich konnte mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem hatte sein Sohn Draco über mich gesprochen. Ich kannte ihn kaum, und wenn dann nur vom Quidditchfeld. Er war nicht der beste Sucher, dennoch hatte er das komplette Team von Slytherin mit neuen Besen ausgestattet, sodass diese nun besser und vor allem schneller flogen, als das Team von Ravenclaw, bei dem die meisten einen Besen von Madam Hooch ausgeliehen hatten, oder stolzer Besitzer eines alten Familienbesens oder eines langsamen Kometen waren. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese kleine Zusammenkunft nicht mit einem gewissen Hintergedanken gemacht war.

Ich tauchte wieder auf und schnappte nach Luft. Meine Glieder waren wieder aufgewärmt, und dennoch fröstelte es mich, als ich aus der Badewanne stieg und mich in ein Handtuch einwickelte. Ich packte meine nassen Kleidungsstücke und nahm den Zauber von dem Raum. Auf Zehenspitzen tapste ich in das Zimmer, das ich mir eigentlich mit Ginny teilte, ich jedoch kaum benutzte, weil ich jede Nacht bei Fred und George im Zimmer schlief. Ginny war nicht im Raum, weshalb ich zügig in einen warmen Strickpullover wechselte und mir eine bequeme Hose überstreifte. Mit einem kurzen Wärmezauber trocknete ich meine Haare und schüttelte das Wasser aus meinen Ohren. Ich streifte mir dicke Socken über und huschte anschließend in das Zimmer von Fred und George. Diese saßen am Boden und sahen ziemlich niedergeschlagen aus. Einer der Zwillinge saß an das Bett gelehnt und blickte stur auf den Holzboden vor sich, während der andere kleine Papierkügelchen aufschweben ließ und anschließend wieder auf den Boden fallen ließ. Letzterer sah auf, als ich die Tür hinter mir schloss und deutete mit einem schwachen lächeln auf seinen Bruder. Ich nickte George dankend zu und setzte mich anschließend neben Fred nieder. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und langsam drehte er seinen Kopf zu mir herüber. "Bei Merlin, da bist du ja endlich!", rief er aus und schloss mich erleichtert in eine Bärenumarmung. Ich erwiderte sie wortlos, blickte dann aber, als er mich wieder los gelassen hatte, fragend zwischen den Brüdern hin und her. "Was ist passiert? So lange war ich doch auch wieder nicht weg", sagte ich und verschränkte meine Finger in Freds. "Nicht lange? Du warst ganze fünf Stunden weg!", rief Fred aus und sah mich mit großen Augen an. Ich riss ebenfalls meine Augen auf und blickte fassungslos zwischen ihnen hin und her. "Fünf Stunden?", fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach und George nickte bestätigend. "Fred ist durch das ganze Haus gelaufen, und hat somit unsere Wette gebrochen. Hey, du schuldest mir noch drei Knuts", sagte George und hielt fordern seine Hand auf. Die Wette, dass sie keinen Schritt diesen Sommer machen würden, sondern alles apparieren würden, kam mir wieder in den Sinn. Fred überreichte George die drei Knuts. "Danke Bruder" - "Ja, ja sei bloß still", murrte Fred und ich sprang auf.

Fasziniert sah ich zwischen den Zwillingen hin und her und deutete mit meinem Finger auf die Beiden. "Nein, das kann nicht sein", meinte ich fassungslos und schüttelte meinen Kopf. Hatte ich gerade die Kleinigkeit herausgefunden, wie ich die Beiden unterscheiden konnte? "Was ist denn heute los mit dir? Erst fehlst du fünf Stunden und niemand weiß wo du bist, und jetzt springst du wie eine behinderte Eule rum", sagte George und runzelte seine Stirn. "Sei still George. Jeder verarbeitet einen Tod anders", murrte Fred hingegen und blickte kurz auf den Boden, dann zu mir auf. Mein triumphierendes Grinsen verschwand einen Moment und vor einem Inneren Auge tauchten wieder die grausamen Bilder von meinem sterbenden Vater auf. Doch dann lächelte ich tapfer, reckte mein Kinn in die Luft und sprach: "Kann es sein, dass du, George, eine tiefere Stimme hast, als Fred?" Auf den Gesichtern der Zwillinge breitete sich ein Grinsen aus. "Rück die Knuts wieder zurück George", sagte Fred und streckte seine Hand auffordern aus. "Ihr habt darüber gewettet? Also habe ich Recht?", fragte ich fassungslos und setzte mich wieder neben die Beiden. Sie zuckten mit den Schultern und gleichgültig meinte George: "Du hattest noch bis Weihnachten Zeit. Bis jetzt ist noch nicht einmal Lee dahinter gekommen. Er verwechselt uns manchmal immer noch" "Ja, aber ich habe darauf gewettet, dass du es noch vor Weihnachten herausfindest", sagte Fred, schlang seine Arme um mich und drückte mir einen fetten Schmatzer auf die Wange. Ich lachte, das erste mal seit dem Tod meines Vaters.

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt