| 44. Kapitel |

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Mein Gehirn stellte sich das kleine Cottage an der irischen Westküste vor. Ich schloss meine Augen. Ich spürte einen kräftigen Ruck, ehe der Boden unter mir weggerissen wurde und ich auf Gras landete. Ein weiteres Mal landete ich der Länge nach im Matsch. Langsam stand ich auf und sah mich um. Niemand war in der Nähe. Das Cottage stand noch immer dort, wo es sein sollte. Die Eingangstür war aus den Angeln gerissen, und einige Fensterläden hingen schief ab. Nur die Ordensmitglieder und die Auroren waren seitdem Überfall an meinen Vater hier gewesen und hatten dabei sicherlich nicht die Zeit gehabt, das Haus aufzuräumen. Ich schluckte schwer und ging einige Meter den ausgetrampelten Weg entlang.

Ein Kreuz, gebaut aus Treibholz, nahm meine ganze Aufmerksamkeit. Meine Schritte wurden immer langsamer, ehe ich vor dem Grab meines Vaters stehen blieb. Bis jetzt hatte ich es noch nie geschafft, ihn zu besuchen. Meine Knie gaben unter mir nach und mit einem keuchen fiel ich vor ihm zu Boden. „Es tut mir leid, Papa", schluchzte ich und vergrub meinen Kopf in meinen Armen, „So unendlich leid." Salzige Tränen rannten mir über die Wangen hinunter und ich versuchte panisch nach Luft zu schnappen. Ich hatte das Gefühl zu ersticken, was mir Drückende, teils stechende, Kopfschmerzen bereitete. Es hatte zu Regnen angefangen. Erst hatte es nur genieselt, doch dann klatschten mir schwere Regentropfen in den Nacken und meine langen, schwarzen Haare klebten sich an mich an meine Haut. Ich bemitleidete mich selbst, da sonst niemand von meinem Leid wusste und mir auch sonst niemand helfen konnte. Ich war auf mich allein gestellt, und das würde sich auch in Naher Zukunft nicht ändern. Fred tat mir leid. Was, wenn ich tatsächlich vom dunklen Lord geschwängert worden war? Er würde sicherlich nicht ein Kind des wohl gefürchteten Zauberers der ganzen Geschichte großziehen. Das hätte er auch nicht verdient. Er war ein so herzensguter Mensch, und ich hatte ihn betrogen. Einfach so. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Die Sonne stand schon nahe dem Horizont, als ich aufsah. Ich zitterte am ganzen Körper, es hatte zu regnen aufgehört. Ich saß noch einen Moment vor dem Grab meines Vaters und blickte dem Sonnenaufgang entgegen. Er war wunderschön, und ich wollte noch länger dort sitzen bleiben, doch die eisige Kälte des Dezembers kroch in meine Knochen. Schwerfällig stand ich auf und ging mit kleinen Schritten auf das Cottage zu. Ich zückte meinen Zauberstab und entzündete diesen kurz darauf. Ich war geschwächt, keine Frage, und dennoch ging ich mit größter Vorsicht durch das Haus. Scannte jeden Raum nach Gefahren, ehe ich die Treppen hoch in mein altes Zimmer ging.

Dort hatte sich nichts verändert. Noch immer lagen meine Bücher quer durch den ganzen Raum verteilt auf kleinen Stapeln. Nur meine unachtsam in die Ecke geschleuderte Kleidung war weggeräumt worden, wieder gewaschen und zusammengelegt auf dem Bett wiederzufinden. Ein trauriges Grinsen huschte über mein Gesicht. Noch bevor mein Vater so kaltblütig ermordet worden war, hatte er die Zeit dazu gefunden, meine Sachen zu waschen. Ich strich mit meinen rauen Fingern über den weichen Stoff. Schwer atmete ich aus und entledigte mich meiner Kleidung und tauschte sie gegen meine Alte aus. Obwohl ich schon immer nicht gerade viel gewogen hatte, hing mir der Pullover wie ein Kartoffelsack hinunter. Doch dies war mir im Moment egal. Stattdessen schleuderte ich die dreckige und nasse Kleidung in das übliche Eck, ehe ich auf die Dachschräge zuging und die dort angebrachten Bilder betrachtete. Die meisten zeigten mich und meinen Vater und bewegten sich. Doch hin und wieder tauchte auch ein Bild meiner Brüder und meiner Mutter auf. Ein unangenehmer Schauer fuhr meinen Rücken hinunter, als ich an sie dachte. Obwohl meine Mutter nichts mehr mit mir zutun haben wollte, war ich gespannt, wie sich meine kleinen Brüder jetzt wohl machten. Vermutlich würden sie in zwei Jahren ebenfalls einen Brief bekommen, in dem sie nach Hogwarts eingeladen werden würden. Ich war mir nicht sicher, ob Elizabeth dieses Angebot annehmen würde. Vielleicht würde sie es sich noch überlegen, nachdem ich sie letztes Jahr so plötzlich besucht hatte. Ich lächelte traurig und strich über den Holzrahmen. Es wäre um einiges einfacher für uns alle gewesen, hätte sie sich nicht so angestellt. Doch ich hatte mit ihr abgeschlossen. Sie war keine Familie mehr für mich. Sie war für mich gestorben.

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt