52. Kapitel

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Blind vor Wut boxe ich mit meiner ganzen Kraft immer wieder auf den boxsack vor mir. Doch meine Aggression wird nicht weniger. Dafür fließt mir der Schweiß schon von der Stirn runter zu meinem Hals. Mein Körper am Beben. Meine Hände am Zucken. Wild schlage ich weiterhin gegen den mit Stoffresten gefüllten boxsack. Den Schmerz an beiden meiner Handrücken ignoriere ich dabei gekonnt. Viel zu groß ist mein momentaner Zorn.

Wie kann sie mir nur die Scheidungspapiere schicken? Wie kann sie von mir verlangen, so einen scheiß zu unterschreiben?

Ich hätte niemals gedacht, dass es Sahra so weit mit der Scheidung durchzieht. Doch sie macht das alles nur umsonst. So eine Scheidung wird es nämlich nicht geben. Ich kann nicht zulassen sie damit zu verlieren. Sie wird mich nicht los.

Sie hat dafür gesorgt, dass ich mich an sie gewöhne und bis heute wollte ich mir das selbst nicht eingestehen. Viel zu sehr war ich damit beschäftigt Rache an ihrem Vater zu nehmen. Doch jetzt ist mir bewusst geworden, dass ich sie nicht mehr wegen der Rache an ihrem Vater bei mir haben möchte sondern weil ich mich zu ihr hingezogen fühle. Sie tut mir unfassbar gut. Ihre Liebe, ihre Nähe, ihre Reinheit und ihre Schönheit. Alles an ihr entfacht in mir bislang fremde Gefühle. Jetzt, wo sie nicht mehr bei mir ist, fühle ich mich wie der letze Hund. Ich stecke wieder in einem tiefen, dunklen Loch und brauche Licht um wieder die Welt aus einer anderen erhellten Sicht zu sehen. Dafür fehlt mir ihr Licht.

Diese Frau hat sich mir ohne zu zweifeln hingegeben nach all dem was ich ihr angetan habe. Sie hat mir den Schmerz nehmen können, der mich mein Leben lang bis jetzt begleitet hat. Ich hingegen konnte sie nicht bei mir halten und sie glücklich machen. Meine Wut ist nicht nur ihr gegenüber. Wütend bin ich auch auf mich selbst. Dafür könnte ich mich boxen.

„Abi!", höre ich ihre besorgte und spüre gleich danach eine kalte Hand an meiner Schulter.

Doch ich ignoriere sie und boxe weiterhin wild und schnell drauf ein.

„Ömer Abi hör auf! deine Hände...sie bluten schon!!"

„öykü verpiss dich!", knurre ich beängstigend.

„nein, ich flehe dich an, beruhig dich! Ich kann dich so nicht mehr sehen...", kommt kleinlich mit zittriger Stimme von ihr. Plötzlich umarmt sich mich von hinten und schluchzt laut auf.

Ein letzter brutaler Kick folgt ehe ich stoppe. Außer Puste, gefolgt von lauten Atemzügen stehe ich da wie versteinert und spüre den bebenden Körper meiner kleinen Schwester an meinem Rücken.

Öykü klammert sich förmlich an mich und weint leise vor sich hin. Mir zerreißt ihr Zustand das Herz aber ich bin gerade nicht in der Lage sie zu trösten. Meine Wut lässt das nicht zu. Mehr als so dastehen kann ich nicht.

„kämpf um sie Abi. Sie gibt dir Licht ins Leben. Ich kann es nicht ertragen, dass du wieder in dieses tiefe schwarze Loch fährst und nur um dich herum mit Hass und Wut schießt. Sie tut dir gut und auch du tust ihr gut!"

„ich tue ihr alles andere als gut, sonst wären diese verfickten Scheidungsunterlagen nicht auf meinem Tisch gelandet!", mein Körper fängt erneut an zu Beben. Fest beiße ich mir dabei auf die Zähne. Öykü lässt von mir ab, und stellt sich vor mich. Ihre großen rehaugen blicken mich traurig an.

„sie will, dass du um sie kämpfst und ihr seine Gefühle gestehst. Denkst du sie ist glücklich damit? Weißt du wie verdammt schwer ihr es gefallen ist einen Anwalt zu kontaktieren? Sie hat Wochen gebraucht um einen Termin bei ihm zu vereinbaren!", presst sie mit erhöhter Stimme.

„öykü geh und lass mich alleine.", ich drehe ihr ausdruckslos den Rücken.

Ich ziehe mir mein verschwitztes T-Shirt über mein Kopf. Damit wische ich mein Schweiß an meinem etwas weg. Unbekümmert werfe ich es dann in eine Ecke und gehe duschen.

ÖMRAWhere stories live. Discover now