65. Kapitel

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„Wo ist meine einzige und liebste Schwägerin?", höre ich plötzlich Öykü von unten rufen als ich das Badezimmer gerade verlasse. Angesprochen schreite ich runter zu ihr. Vor mir steht sie an der Treppe mit einem breiten Grinsen.

„Ich werde wirklich Tante?", fragt sie aufgeregt, woraufhin ich nur warm nicke. Sofort werde ich von ihr in eine feste Umarmung gezogen.

„Oh mein Gott!! Ich freue mich sooo!", zerdrückt sie mich förmlich, weshalb ich kurz tief nach Luft schnappe.

„Ich dachte Azad verarscht mich damit ich früher aus der Orientierungsphase von der Uni komme aber er hatte echt recht!", Öykü war für eine Woche in einer Art Camp von der Uni aus. Sie wird nämlich dieses Semester mit dem Medizinstudium beginnen, weswegen ich total stolz auf sie bin.

„Wie gehts dir so? Läuft die Schwangerschaft anstrengend? Wie weit bist du schon?", sprudelt sie mit mehreren Fragen hintereinander als sie sich von mir löst. Neugierige Augen treffen auf meine.

„Naja, so leicht vergeht sie nicht. Kämpfe mit den typischen Schwangerschaftssymptomen wie Übelkeit, Müdigkeit, Schwindel und so weiter. Ich bin in der neunten Woche erst. Kann es selbst noch gar nicht glauben, ehrlich!"

„Oh wie süß, ya!", piepst Öykü mit einem dauergrinsen und streicht leicht über meinen noch flachen, unbemerkbaren Bauch. Direkt bekomme ich Gänsehaut, da ich solche Berührungen noch nicht wirklich gewohnt bin.

„Wie hat eigentlich Ömer Abi reagiert?", sieht sie mich gespannt an und entfernt dabei ihre Hand von meinem Bauch.

„Komm lass uns ins Wohnzimmer setzen, dann erzähle ich dir alles in Ruhe!", nach einem Nicken gehen wir gemeinsam ins Wohnzimmer.

[...]

„Du warst in einer hilflosen Lage, Sahra abla! Mach dir bitte keine Vorwürfe! Letztenendes hast du das Baby nicht abgetrieben und alles ist geklärt zwischen euch.", versucht mir Öykü mein schlechtes Gewissen zu nehmen.

Auch wenn ich nicht abgetrieben habe, fühle ich mich trotzdem unheimlich schlecht, dass ich überhaupt daran gedacht und es letztlich sogar durchziehen wollte. Ich weiß nicht wie und wann diese Vorwürfe verschwinden werden aber bei einem bin ich mir sicher. Ich werde dieses Kind egal was ist auf die Welt bringen, niemand kann mich dabei davon abhalten. Nicht einmal Azize!

„Ja, nur werde ich dieses schlechte Gewissen einfach nicht los! Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es ohne mit der Wimper zu zucken direkt machen und es nicht mal bis zu einer Abtreibung kommen lassen, Öykü!"

„Ich weiß das doch! Dein Verhalten in dieser schwierigen Zeit war nur ein Affekt. Sonst hättest du sowas bei klarem Verstand nichtmal angedacht. Jetzt zählt nur noch mein Neffe oder meine Nichte, der bzw. die inşallah gesund und munter auf die Welt kommen wird! Denk nicht mehr daran, okay?", ich nicke nur leicht.

„Uff ich kann immernoch nicht glauben, dass Ömer Abi eiskalt Vater wird! Vor paar Jahren war sowas unvorstellbar und jetzt wird es einfach wahr! Du hast diesen Mann echt gut getan, Sahra abla!", ein Schmunzeln schmückt ihre Lippen und ihre Augenbrauen bewegen sich hoch und runter.

„Naja, er wollte jetzt an sich nicht freiwillig Vater werden aber ist zum Glück nicht dagegen!", kommt etwas zurückhaltend von mir.

„Tief im Inneren freut er sich über sein Kind. Er kann's halt nur nicht zeigen, typisch für ihn!"

„Ja...", gebe ich nur knapp und lehne mich prustend nach hinten auf der Couch.

Plötzlich geht die Haustür auf und Ömer erscheint aus der Tür. Als er uns im Wohnzimmer entdeckt kommt er auf uns zu. Öykü steht sofort auf und wirft sich in die Arme ihres Bruders. Auch Ömer umarmt sie fest.

ÖMRAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt