Make me love you

Kapitel 6

Wie sich herausstellt ist der Inhaber der Kunstgalerie ein guter Freund von Carlos, der uns außerhalb der regulären Öffnungszeit Zutritt zu der Kunstgalerie ermöglicht. Er stellt sich mir als Matteo vor.

Absolut hingerissen von all den unterschiedlichen Gemälden laufe ich durch die Galerie. Carlos ist dabei unentwegt an meiner Seite und sieht sich die Gemälde schweigend an.

Erstaunt bleibe ich an einem abstrakten Acrylgemälde stehen. Es wurde in prächtigen Blau- und Gelbtönen gemalt. Es sieht aus, als hätte der Künstler oder die Künstlerin versucht zwei unterschiedliche Gemälde miteinander zu verbinden, die auf dem ersten Blick nicht zueinander passen, sich dennoch wunderbar ergänzen. Die Farben gehen ineinander über und vermischen sich zu einem angenehmen Grün, welches wie das Band zwischen den beiden Gemälden wirkt und sie zu einem Gemälde verschmelzen lassen.

„Wow", flüstere ich erstaunt und lasse meinen Finger in der Luft über die Stelle der Leinwand wandern, wo sich das Blau und Gelb zu einem prächtigen Grün vermischen.

„Gefällt es dir?", will Carlos wissen. Es klingt so, als würde er nicht wirklich nachvollziehen können, wieso mir dieses Bild so gut gefällt. Dennoch nicke ich. „Es sieht langweilig aus, findest du nicht?", merkt Carlos an.

Empört sehe ich den jungen Mann an, der heute nur ein schlichtes weißes Hemd ohne Krawatte trägt und es in seine schwarze Hose gesteckt hat. „Du siehst langweilig aus", sage ich beleidigt und verschränke meine Arme. Getroffen von seinen abwertenden Worten will ich weitergehen, doch Carlos greift nach meinem Oberarm und zieht mich wieder zurück.

„Ich kenne mich nicht mit Kunst aus und bin nicht daran interessiert", gesteht Carlos mir und deutet auf das Acrylgemälde, welches mir auf dem zweiten Blick fast noch besser gefällt. „Erzähl mir, was dir daran gefällt. Vielleicht kannst du meine Meinung ändern"

„Sieh es dir doch an", sage ich und bestaune das Gemälde erneut. „Es erinnert mich an zwei Dinge, die zusammengefügt wurden, obwohl sie nicht unterschiedlicher sein könnten. Aber wenn du dir den Übergang ansiehst.." Erneut lasse ich die Finger in der Luft über den Übergang, an dem die beiden Farben aufeinander treffen, wandern. „..wie das Gelb und Blau gemeinsam ein strahlendes Grün ergeben.. passen sie doch zusammen"

„Kennst du dich mit den Bedeutungen der Farben aus?", möchte Carlos wissen und sieht mich von der Seite aus an. Zwar habe ich mich irgendwann mal mit der Bedeutung der ein oder anderen Farbe auseinandergesetzt, doch merken konnte ich mir all das nicht. Also schüttele ich mit dem Kopf.

„Die Farbe Gelb", beginnt Carlos und streicht über die gelbe Farbe. Dass er das Gemälde dabei berührt, rückt in diesem Moment für mich in den Hintergrund. „Verbindet man auf dem ersten Blick mit Optimismus, Fröhlichkeit.. doch andererseits steht sie auch für Gier und Egoismus"

Carlos wandert mit seinen Fingern über die Leinwand auf die blaue Seite. „Blau.. wirkt kalt. Doch sie steht auch für die Sehnsucht, dem Streben nach Harmonie, Zufriedenheit und Beständigkeit" Wie gebannt lausche ich Carlos Worten, während er mit den Fingern zu dem Übergang wandert.

„Grün", flüstert er direkt an meinem Ohr und löst damit ein angenehmes Kribbeln in meinem Nacken aus, von dem aus sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper ausbreitet. „Steht für das Gleichgewicht. Es kann nur durch ein Zusammenspiel von Blau und Gelb zustande kommen und somit hast du recht" Carlos legt seine Hand an meinen Rücken und ich bleibe wie erstarrt stehen, während die Gänsehaut auf meinem Körper sich weiter verstärkt. „Auf dem ersten Blick passen sie nicht zueinander und doch ergänzen sie einander gegenseitig"

Ich schlucke schwer, als Carlos seine Hand von meinem Rücken nimmt und einen Schritt von mir wegtritt. Nach seiner Erklärung sehe ich das Bild mit anderen Augen. Es gefällt mir nun noch besser als zuvor. „Du kennst dich also doch mit Kunst aus", stelle ich fest und sehe Carlos an. Ein schiefes Lächeln schleicht sich auf seine Lippen und seine Augen bohren sich tief in meine. Seine Augen ähneln der grünen Farbe auf dem Gemälde und doch haben sie mehr die kalte Eigenschaft der blauen Farbe.