Kapitel 10

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Schweigend sitze ich neben Carlos auf dem Beifahrersitz seines schwarzen Mercedes. Mein Blick ist aus dem Fenster gerichtet und haftet auf dem großen See, an dem wir vorbeifahren und an dem sich die Leute auf dem Rasenstück verteilt ausgebreitet haben, um das schöne Wetter zu genießen.

Die Sonne scheint und es sind fast 30 Grad.

Das perfekte Juli-Wetter für einen Ausflug an den See.

Ich denke an die alten Tage zurück, an denen ich fast jeden heißen Sommertag mit Kat am See verbracht habe. Letzten Sommer sind wir sogar für ein paar Tage ans Meer gefahren, wo wir mit ihrem Cousin campen waren. Damals schien alles so perfekt. Und heute denke ich daran zurück und muss akzeptieren, dass es Tage wie diese nie wieder geben wird.

„Du bist heute so schweigsam", stellt Carlos fest, der sein Hemd heute gegen ein einfaches weißes T-Shirt ausgetauscht hat und eine Sonnenbrille trägt, über dessen Gläser hinweg er mir einen kurzen Blick zuwirft, ehe er seine Augen wieder auf die Straße richtet.

„Du solltest es genießen", erwidere ich und zucke mit den Schultern. Nervös streiche ich den Stoff meines leichten Sommerkleides glatt und sehe Carlos an.

„Ich möchte deine schöne Stimme aber hören", sagt Carlos.

„Du hast unzählige Jahre vor dir, in denen du meine Stimme öfter ertragen musst, als dir lieb ist..", flüstere ich und senke meinen Blick. War das unangemessen? Sofort bereue ich es, überhaupt etwas gesagt zu haben. Doch keine Antwort zu geben, obwohl er offensichtlich eine Unterhaltung führen möchte, wäre wohl noch unangemessener.

„Das stimmt wohl", stimmt Carlos mir plötzlich kühl zu.

***

Nach einer weiteren Viertelstunde Autofahrt erreichen wir das Brautmodegeschäft, in dem Carlos den Termin zur Anprobe und Beratung ausgemacht hat. Nebenan befindet sich auch ein Juwelier, der seinen Fokus speziell auf Trauringe richtet.

Da alle Parkplätze belegt sind, parkt Carlos seinen Wagen in einem kleinen Parkhaus, welches eigentlich zu einem Möbelgeschäft gehört und ein Stück die Straße runter liegt. „Meinst du, den kann ich hier so stehen lassen?", will er von mir wissen, als wir aussteigen. Besorgt sieht er seinen Wagen an.

„Ich denke schon", erwidere ich bedacht darauf die richtigen Worte zu wählen und bloß nichts zu sagen, dass sich negativ auf das Gemüt meines Vaters auswirken könnte, wenn er von Carlos erfährt, dass ich mich nicht angemessen verhalten habe.

„Es sieht hier nicht gerade nach einer guten Gegend aus", seufzt Carlos und verriegelt den Wagen.

„Wir sind in einem Parkhaus", erwidere ich und hebe eine Augenbraue. Ich weiß nicht, was Carlos Erwartungen an ein Parkhaus sind, aber dieses Parkhaus sieht von allen Parkhäusern, in denen ich bisher gewesen bin, mit am besten aus.

Carlos sieht mich über die Gläser seiner teuren Sonnenbrille hinweg an. „Du hast es erfasst", erwidert er kühl, woraufhin ich meinen Blick senke. Auf einmal greift er nach meinem Gesicht und hebt es, sodass ich gezwungen bin, ihn weiterhin anzusehen. „Wende deinen Blick niemals ab, wenn ich mit dir rede. Okay?", sagt er ruhig. Ich schlucke hart.

Obwohl es mir wirklich schwer fällt, halte ich seinem Blick stand. „Okay", erwidere ich mit zittriger Stimme. Sein Daumen berührt meine Wange, genau dort, wo es schmerzt. Doch ich verziehe keine Miene, woraufhin er von meinem Gesicht ablässt.

„Komm", fordert Carlos mich dazu auf, ihm zu folgen.

Gemeinsam verlassen wir das Parkhaus und laufen die Straße entlang, um zu dem Brautmodegeschäft zu gelangen. Obwohl ich ohnehin nicht weit käme, erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich nach dem perfekten Fluchtweg umsehe.

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