Kapitel 41

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„Wo bleibt Carlos?"

Nachdem er heute morgen Hals über Kopf das Haus verlassen hat, um in die Firma zu fahren, ist Carlos noch immer nicht zurückgekehrt und allmählich beginne ich, mir wirklich Sorgen zu machen.

Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?

Unruhig tigere ich im Eingangsbereich des Hauses auf und ab, wobei mein Blick immer wieder auf die Haustür fällt, die sich nicht zu öffnen vermag.

Carlos hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Doch ich kann nicht anders, als den Teufel an die Wand zu malen.

„Er wird sicherlich bald kommen", versichert Barbara mir, die nur wenige Meter von mir entfernt am Treppenabsatz steht und mich dabei beobachtet, wie mir sämtliche Nerven durchbrennen.

„Das hast du vor einer Stunde schon gesagt", erwidere ich beunruhigt und bleibe mit zusammengezogenen Augenbrauen unmittelbar vor ihr stehen.

Plötzlich höre ich das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss dreht. Sofort wirbele ich herum und beobachte, wie sich die Tür öffnet und Carlos gemeinsam mit dem Mann von heute Morgen das Haus betritt. Er drückt ihm eine Waffe in die Hand, welche der Mann in seine hintere Hosentasche schiebt.

Als sein Blick auf mich trifft, hält er inne. Ertappt fasst er sich an die Stirn und seufzt.

„Carlos", sage ich besorgt und greife nach seinem Arm. „Was ist passiert?!"

„Geh nach oben", fordert dieser mich auf, wobei er mich keines Blickes würdigt und seine Augen stattdessen auf den Boden gerichtet hält.

„Sag mir, was passiert ist", verlange ich und hebe sein Gesicht, damit er mich ansieht. Ich denke gar nicht daran seiner Aufforderung nachzukommen, bis er mir nicht die Wahrheit sagt.

Wozu braucht er eine Waffe, wenn er in seine Firma geht? Und warum war er so lange weg?

„Ich habe gesagt, du sollst nach oben gehen!", wiederholt Carlos seine Aufforderung. Diesmal erhebt er dabei sogar die Stimme und funkelt mich aus seinen grünen Augen heraus, die sich tief in meine bohren, wütend an. Dabei schlägt er grob meine Hände weg, die noch immer sein Gesicht festhalten.

Erschrocken von seiner Reaktion weiche ich zurück. Ungläubig sehe ich den jungen Mann an, der sich nicht mehr zu dem Mann unterscheiden könnte, in dessen Armen ich heute morgen aufgewacht bin. Ich kann nicht fassen, dass Carlos so aggressiv reagiert.

Auch Barbara, die das Geschehen aus nächster Nähe mitbekommt, wirkt überrascht. „Emilia, komm", sagt sie und greift nach meinem Arm, um mich von Carlos wegzuziehen, der seinen Blick längst wieder von mir abgewendet hat und dessen Brust sich unregelmäßig hebt und senkt, wobei seine Nasenflügel sichtlich flattern.

Das ist der Carlos, den ich kennengelernt habe. Kalt und unantastbar. Dennoch wirkt etwas an ihm verletzlich und klein; seine gekrümmte Haltung und die Art, wie er es meidet mir länger als nötig in die Augen zu sehen. Er schämt sich für sich selbst.

Carlos hat eine schreckliche Vergangenheit, der ich mir durchaus bewusst bin. Sein Vater ist ein genauso großes Arschloch gewesen, wie mein Vater. Seine Mutter hat sich selbst das Leben genommen und nun falle ich ihm neben seinen eigenen Problemen auch noch zusätzlich zur Last.

Barbara zieht mich die Treppe hinauf nach oben, wo ich mich in mein Gästezimmer zurückziehen möchte.

Sie folgt mir.

„Ich wäre wirklich gerne alleine", teile ich der Frau mittleren Alters mit und setze mich auf das große Himmelbett. Meinen Blick behalte ich dabei gesenkt.

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