Kapitel 34

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Nach einer dreißigminütigen Autofahrt, auf der Carlos kurz an einem Bäcker gehalten hat, um uns etwas zu essen zu kaufen, erreichen wir eine Parkanlage in einem etwas ruhigeren Viertel der Stadt. Stirnrunzelnd blicke ich aus dem Fenster.

Ist das die Überraschung, von der Carlos gesprochen hat?

„Ich dachte ein Spaziergang täte uns beiden gut", teilt Carlos mir mit, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt. Vermutlich hat er recht. Die frische Luft wird mir sicherlich helfen einen klaren Kopf zu bekommen, bevor ich Barbara und meiner Mutter wieder unter die Augen treten muss. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, wie ich ihnen begegnen soll.

Immerhin wissen die beiden noch nicht, dass ich ihr Gespräch in der Küche mitgehört habe. Sie halten mich für unwissend und tief in meinem Inneren wünsche ich mir, dass ich ebendies auch wäre. Zwar ändert es nichts an der Tatsache, dass Barbara und meine Eltern mir mein Leben lang nur etwas vorgemacht haben, aber wenigstens müsste ich dann nicht mit diesem Wissen leben.

„Du hast recht", stimme ich Carlos nach einem kurzen Schweigen schließlich zu.

Dieser ist gerade ganz vertieft auf das Display seines Handys. Er tippt eine kurze Nachricht ein und schiebt sein Handy schließlich in seine Hosentasche, ehe er mich wieder ansieht. „Ich hatte gehofft, dass du das sagst", sagt Carlos mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.

Wir schnallen uns ab und steigen aus dem Wagen.

Nachdem wir einige Runden um den See spaziert sind, setzen wir uns auf eine der vielen leeren Bänke, die um den See verteilt stehen. Mittlerweile neigt sich der heiße Sommer dem Ende zu und der Herbst steht vor der Tür. Dennoch ist das Wetter schön; die Sonne scheint und es weht eine leichte Brise, die mir durch das Haar fährt, während Carlos und ich schweigend nebeneinander sitzen und meine Augen auf den See gerichtet sind, auf dem einige Enten auf der Wasseroberfläche treiben.

„Danke, dass du mich hergebracht hast", sage ich und durchbreche damit die Stille, die zwischen Carlos und mir herrscht. Dabei wage ich einen kurzen Blick in seine Richtung um festzustellen, dass Carlos mich längst ansieht. Sofort spüre ich, wie mir das Blut in die Wangen schießt, doch ich behalte meine Augen auf seine gerichtet.

„Das ist eine tolle Überraschung, danke", füge ich noch hinzu. Zwar ist es nicht das, womit ich gerechnet hätte, als er von einer Überraschung gesprochen hat, aber ich freue mich dennoch darüber, dass er so aufmerksam ist. Die schöne Kulisse und die frische Luft reinigen meine Gedanken und ich kann für einen kurzen Moment all meine Sorgen vergessen.

„Das ist nicht deine Überraschung", erwidert Carlos sanft. Verwirrt sehe ich in seine grünen Augen, welche sich tief in meine bohren.

Das ist deine Überraschung", ertönt eine Stimme hinter uns. Das Herz in meiner Brust setzt einen Schlag aus und sämtliche Farbe weicht mir aus dem Gesicht. Sofort schieße ich von der Bank nach oben und drehe mich um.

Und da steht sie.

Mit Tränen in den Augen stürme ich auf Kat zu und wir fallen uns lachend und gleichzeitig weinend in die Arme.

„Kat", schluchze ich und nehme einen tiefen Atemzug, um den vertrauten Duft meiner besten Freundin einzuatmen. Das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, liegt über einen Monat zurück. Die vergangenen Wochen kamen mir wie eine Ewigkeit vor, es ist so viel passiert und ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so bald wiedersehen. Am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen.

Worte können nicht beschreiben, wie dankbar ich Carlos dafür bin, dass er dieses Treffen arrangiert hat.

„Ich habe dich so sehr vermisst, Em", weint Kat und schlingt ihre Arme noch ein wenig fester um mich, als hätte sie Angst sich sofort wieder von mir verabschieden zu müssen.

„Ich lasse euch alleine", teilt Carlos uns mit, der sich mittlerweile ebenfalls von der Bank erhoben hat. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen steht er neben uns und sieht uns zufrieden darüber, dass seine Überraschung gelungen ist, an.

Kat und ich setzen uns auf die Bank, auf der ich zuvor mit Carlos gesessen habe und wir sehen uns mit verweinten Augen und einem breiten Lächeln auf den Lippen an.

„Ich habe Nick eine richtige Standpauke gehalten dafür, dass er dich so verletzt hat", berichtet Kat mir stolz und ich muss lächeln. Kat hat keine Ahnung, dass die Sache mit Nick mein geringstes Problem ist und trotzdem tut es mir gut. Doch obwohl Kat meine beste Freundin ist, entscheide ich mich dazu, ihr nicht die ganze Wahrheit zu erzählen, als sie mich danach fragt. Trotzdem erzähle ihr von meinem gewalttätigen Vater und davon, dass wir nun bei Carlos leben.

„Nick hat irgendwas geschwafelt, dass du und dieser Carlos verlobt seid.. aber das hättest du mir doch erzählt, oder nicht?", will Kat wissen.

„Wir sind verlobt", erwidere ich. Verwirrt sucht Kat nach einem Verlobungsring an meinem Finger und hebt die Augenbrauen, als diese Suche vergebens ist.

„Noch nicht offiziell", füge ich schnell hinzu.

„Emilia", setzt Kat mit ernstem Unterton in ihrer Stimme an und wirft einen Blick über ihre Schulter, um sicherzustellen, dass Carlos außer Hörweite ist. „Falls du zu irgendetwas gezwungen wirst, kannst du es mir jetzt sagen.. tut dieser Mann dir weh oder bedroht er dich?"

„Nein", erwidere ich sofort und schüttele heftig mit dem Kopf. „Carlos tut mir nicht weh.. und ich.. ich liebe ihn", lüge ich, um Kat zu beruhigen, doch das Kribbeln, welches sich daraufhin in meinem Magen ausbreitet, verwirrt mich.

Ich empfinde nichts für Carlos.

Oder doch?

Sofort schlage ich mir diesen lächerlichen Gedanken aus dem Kopf. Es wäre töricht von mir etwas für einen Mann zu empfinden, der ganz sicherlich nichts für mich empfindet und mich nur aufgrund eigener Schuldgefühle und Mitleid beschützen möchte.

„Wenn du ihn wirklich liebst und er dich gut behandelt, stehe ich natürlich hinter dir", erwidert Kat schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen. Doch etwas in ihren Augen verrät mir, dass sie mir misstraut. Ich fühle mich schlecht meiner besten Freundin all diese Dinge vorzuenthalten, doch ich möchte es nicht komplizierter machen als es ohnehin schon ist, indem ich sie mit ins Boot hole.

Stundenlang sitzen Kat und ich auf dieser Parkbank und unterhalten uns. Die letzten Wochen scheinen nicht nur für mich besonders ereignisreich gewesen zu sein, denn auch bei Kat ist einiges passiert. Es ist schön, endlich wieder mit ihr zu reden. Es fühlt sich so an, als wären wir nie voneinander getrennt gewesen.

Doch die Realität holt mich schon bald ein, als der Tag seinen Lauf nimmt und es Zeit für den Abschied ist. Kat zieht mich zum Abschied in eine feste Umarmung. „Meld dich mal, damit ich mir keine Sorgen machen muss", bittet Kat mich und löst sich aus der Umarmung. An dem Klang ihrer Stimme erkenne ich, dass sie sich noch nicht verabschieden möchte, doch Kat hat noch etwas vor und außerdem möchte ich Carlos nicht länger warten lassen.

„Mache ich", versichere ich ihr. Nach dem heutigen Tag denke ich nicht mehr, dass Carlos etwas dagegen haben wird. Und mein Vater ist nicht da, um es mir zu verbieten.

Unsere Wege trennen sich und ich begebe mich zu Carlos schwarzen Mercedes, welcher noch immer dort steht, wo er ihn heute Vormittag geparkt hat. Ich öffne die Beifahrertür und setze mich in den Wagen.

„Können wir fahren?", möchte Carlos wissen, der offensichtlich die ganze Zeit über, in der ich mit Kat im Park saß und geredet hat hier auf mich gewartet hat.

„Ja", sage ich, wobei meine Stimme nicht mehr als ein leises Flüstern ist. Mit Tränen in den Augen richte ich meinen Blick auf Carlos. Doch es sind keine Tränen der Trauer, sondern der Freude und Dankbarkeit, die ich empfinde.

Mit einem kurzen Lächeln auf den Lippen startet Carlos den Motor seines schwarzen Mercedes und wir machen uns auf den Weg zurück zu ihm nach Hause.

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Was haltet ihr von dieser Überraschung? :)

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