Kapitel 60

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Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es bereits mitten in der Nacht ist, als das laute Zufallen der Haustür mich aus meinem leichten, unruhigen Schlaf reißt. Ich befinde mich noch immer im Wohnzimmer, wo ich wartend auf Carlos, eingeschlafen bin.

Ich weiß nicht, wie ich mich fühlen soll. Der Streit mit Carlos hat mich traurig aber vor allem wütend gemacht. Ich kann einfach nicht fassen, dass er mir unterstellt ich würde etwas für Nick empfinden, obwohl ich ihn heiraten möchte und ein Kind mit ihm bekomme.

Neben der Wut, die ich Carlos gegenüber empfinde, ist da allerdings auch die Besorgnis über sein Verschwinden. Ich habe ihn mindestens zwanzig Mal angerufen und ihm unzähligen Nachrichten geschrieben, die er alle unbeantwortet gelassen hat.

Ein leises Poltern ertönt aus dem Flur.

„Shh", höre ich jemanden machen. Verwirrt setze ich mich auf dem Sofa auf und blicke auf die angelehnte Wohnzimmertür.

„Ich kann nicht hier sein..", höre ich Carlos lallen. Es ist offensichtlich, dass er getrunken hat.

„Reiß dich zusammen, man", seufzt Lucian genervt. Ich bin erleichtert, dass er scheinbar bei seinem langjährigen Freund gewesen ist und nicht alleine durch irgendwelche Bars gestreift ist. So muss ich mir keine Sorgen machen, dass er irgendwelche Dummheiten begangen hat oder betrunken Auto gefahren ist.

„Sie hasst mich", lallt Carlos. Ich höre es erneut Poltern.

„Steh auf jetzt", fordert Lucian seinen besten Freund mit gedämpfter Stimme auf, vermutlich, um mich nicht zu wecken. Schließlich kann er nicht wissen, dass ich längst wach bin und mich im Wohnzimmer befinde.

„Ich habe sie überhaupt nicht verdient", redet Carlos weiter.

Langsam gehe ich auf die angelehnte Tür zu und spähe durch den kleinen Spalt. Carlos sitzt mit angezogenen Beinen auf dem Boden und hat das Gesicht in seinen Händen vergraben.

Lucian, der kopfschüttelnd neben ihm steht, seufzt laut. „Schlaf deinen verdammten Rausch aus und morgen redest du mit ihr", fordert Lucian Carlos auf und verschränkt seine Arme vor der Brust.

„Ich glaube nicht, dass sie mit mir reden will", erwidert Carlos und klingt dabei beinahe wie ein quakendes Kind.

„Du bist unfassbar nervig, wenn du betrunken bist", merkt Lucian an und hilft Carlos auf die wackeligen Beine. „Du gehst dir jetzt die Zähne putzen und dann schlafen. Und morgen redest du mit ihr und entschuldigst dich bei der Armen.."

„Das werde ich.. danke", seufzt Carlos und zieht seinen besten Freund zum Abschied in eine Umarmung. Lucian klopft Carlos brüderlich auf den Rücken, ehe er das Haus verlässt.

Soll ich zu ihm rausgehen? Oder soll ich darauf warten, dass er mich morgen anspricht?

Bevor ich es genauer überdenken kann, greife ich auch schon nach dem Türgriff und ziehe die Wohnzimmertür auf. „Carlos", sage ich mit fester Stimme. Mein Verlobter, der bereits auf halbem Weg nach oben ist, bleibt sofort stehen und dreht sich erschrocken zu mir um, wobei er sich am Geländer festhält. Er wankt ein wenig.

„Belleza", sagt er, wobei er versucht so gefasst wie möglich zu klingen. Natürlich entgeht mir trotzdem nicht, dass er total dicht ist.

„Wo warst du?", will ich wissen, obwohl ich die Antwort natürlich längst weiß.

„Bei Lucian", antwortet Carlos sofort. Er macht auf dem Absatz kehrt und setzt einen Fuß nach dem anderen auf die Treppenstufen, wobei er sich konzentriert annähernd unfallfrei und gerade zu laufen.

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