Kapitel 20

15.1K 409 57
                                    

Nervös streiche ich den Stoff meines Kleides glatt, als ich am darauffolgenden Tag auf den schwarzen Wagen zugehe, der vor der Tür auf mich wartet. Carlos und ich haben heute einen Termin im Brautmodegeschäft, damit ich das mittlerweile gekürzte Kleid erneut anprobieren kann.

In weniger als drei Wochen werden Carlos und ich heiraten. Dann wird mein Vater das Geld erhalten, das seine Firma vor dem Aus und unsere Familie vor der Insolvenz bewahren wird. Je dichter der Tag rückt, desto schlechter fühle ich mich. Ich bin nach wie vor nicht bereit Carlos zu heiraten. Daran hat auch unser kleiner Wochenendtrip nichts geändert.

Für mich ist und bleibt Carlos der Geschäftspartner meines Vaters, für den ich bloß ein Mittel zum Zweck bin, während Carlos mich bloß als seine Versicherung vor den betrügerischen Machenschaften meines Vaters benutzt.

„Guten Tag, Herr Machwitz", begrüßt Carlos meinen Vater mit einem kurzen Handschlag, ehe er sich mir zuwendet. Seine Gesichtszüge werden weicher, als er mich mit seinen grünen Augen mustert. „Hallo Emilia" Da er nicht wirklich zu wissen scheint, wie er mich begrüßen soll, nickt er mir bloß zu.

„Carlos", erwidere ich kurz angebunden. Mein Vater räuspert sich hörbar. Offensichtlich ist ihm meine wortkarge Begrüßung nicht genug. „Schön dich zu sehen", füge ich also hinzu und ziehe Carlos in eine Umarmung, um in erster Linie meinen Vater damit zufriedenzustellen. Doch als Carlos meine Umarmung entgegen meiner Erwartungen erwidert, indem er seine Hände sanft an meinem Rücken platziert und sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt, stockt mir der Atem. Von meinem Hals aus beginnend breitet sich unwillkürlich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus. Ich genieße seine Nähe eindeutig mehr, als mir selbst lieb ist.

Die Umarmung ist jedoch nicht von langer Dauer, denn nur wenige Augenblicke später löst Carlos sich aus dieser, um sich meinem Vater zuzuwenden, der uns aus nächster Entfernung mit prüfendem Blick beobachtet.

„Warten Sie heute Abend nicht mit dem Essen, ich habe noch etwas für Emilia geplant, was ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird", teilt er meinem Vater mit.

„Was haben Sie denn geplant?", erkundigt mein Vater sich und blickt neugierig zwischen Carlos und mir hin und her.

„Das ist eine Überraschung", erwidert Carlos bloß. „Aber keine Sorge, ich bringe Emilia im Laufe des Abends sicher nach Hause"

Als würde es meinen Vater interessieren, ob ich sicher zu Hause ankomme oder nicht. Ihm ist all das egal, solange er das versprochene Geld bekommt, das Carlos ihm zugesichert hat.

***

„Du hast etwas geplant?", erkundige ich mich wenige Minuten später bei Carlos, dessen Augen konzentriert auf die vor uns liegende Straße gerichtet sind. Er nickt stumm, wobei er mich keines Blickes würdigt. „Was hast du geplant?" Neugierig sehe ich den jungen Mann mit den braunen Locken an.

„Das wirst du dann sehen", erwidert er. Seine Stimme klingt kühl und sofort spüre ich, wie mein Magen sich zusammenzieht. Wo kommt dieser Stimmungsumschwung plötzlich wieder her?

„Hab ich etwas falsch gemacht?", frage ich mit zittriger Stimme. Carlos Finger schlingen sich fester um das Lenkrad, sodass seine Knöchel weiß hervorstechen. Doch statt etwas zu sagen, schweigt er bloß und lässt mich damit im Glauben, dass ich irgendwas falsch gemacht habe.

Auch den Rest der Fahrt herrscht zwischen uns eine nervenzerreißende Stille, die erst dann durchbrochen wird, als Carlos und ich im Brautmodegeschäft stehen und die Verkäuferin vom letzten Mal uns fröhlich empfängt.

„Das Kleid hängt bereits zur Anprobe bereit, folgen Sie mir", fordert sie uns mit einer einladenden Handbewegung auf. Sie ist so voller Energie und Freude, dass ich fast schon eifersüchtig auf sie bin. Ich wette ihr Leben ist perfekt. Vielleicht hat sie keine Milliarden auf ihrem Konto, aber dafür Eltern, von denen sie bedingungslos geliebt wird und einen Freund, der eines Tages kniend um ihre Hand anhält. Sie hat alles, von dem ich nur träumen kann. Alles, was ich niemals haben werde.

Make me love you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt