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„Lynn, hey, könntest du mich mit nach Hause nehmen? Mein Bus ist gerade weggefahren", ertönte es auf einmal hinter mir.

Ich ließ ruckartig die Klinke los und drehte mich um.

„Sue! Na klar, kein Problem. Wir sind ja eh fast Nachbarinnen."

Die Entscheidung wurde mir also abgenommen.
Heute würde ich nicht mehr nach ihm sehen können.

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Als ich 15 Minuten später vor Sues Appartement anhielt, sah sie mich mit traurigen Augen an, nachdem sie sich abgeschnallt hatte.

„Das war vielleicht das letzte Mal, dass wir zusammen nach Hause gefahren sind.
Nächste Woche hast du schon deinen letzten Tag in der Klinik. Ich werde dich dort echt vermissen."

„Das stimmt. Ich dich auch Sue. Aber wir werden uns ja weiterhin sehen, das ist doch ganz klar", entgegnete ich lächelnd.

„Na das will ich doch hoffen, zukünftige Frau Doktor", lachte Sue, schlug die Autotür zu und winkte noch einmal, bevor sie nach ihrem Haustürschlüssel kramte und kurz darauf in ihrem Appartement verschwand.

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Nachdem ich bettfertig war und mich zähneputzend im Spiegel musterte, versuchte ich noch einmal die Ereignisse des Tages in meinem Kopf durchzugehen.

Es ließ mich nicht los, dass ich mitten in einer Operation plötzlich einen Blackout hatte und fragte mich noch immer, wie mir das passieren konnte - was der Auslöser dafür war.

Ich kam allerdings nicht zu einem Ergebnis.

Als ich mich vollkommen erschöpft in mein Bett geworfen und mir die Decke bis unter das Kinn gezogen hatte, beschloss ich auf meinem Handy die Lokalnachrichten zu durchforsten.

Es musste doch etwas über diese Nacht bekannt gegeben worden sein.

Und tatsächlich:

„Schießerei nach schwerem Raubüberfall"
las ich auf der ersten Seite.

Laut der Presse hatte eine kriminelle Bande - bestehend aus fünf Personen, von denen einige bereits wegen schwerster Strafdelikte gesucht wurden - versucht, einen Juwelier zu überfallen, nachdem sie ihn bedroht und gefesselt hatten.
Doch die Polizei war bereits kurze Zeit später vor Ort und es kam zu einer Schießerei auf offener Straße.

Dabei wurde eine Person getötet, sechs Personen schwer verletzt - mehrere weitere leicht.

Die Täter seien wohl mit einem Teil der Beute geflüchtet.

Einzelheiten dazu hatte die Polizei allerdings auch online noch nicht preisgegeben.

Meine Gedanken rasten.

So etwas passierte hier bei uns in Deer Lodge? Raubüberfall mit Mord? Das konnte ich kaum glauben.

Und dann lief es mir eiskalt über den Rücken.

War er etwa ein Mitglied dieser Gang? Hatte er jemanden bedroht, gefesselt und ausgeraubt und höchstwahrscheinlich in der Vergangenheit noch weitere Delikte begangen?
Oder war er nur ein unbeteiligter Passant der zwischen die Fronten geriet?
Aufgrund der Kleidung, die er bei seiner Einlieferung trug, war zumindest schonmal auszuschließen, dass er Polizist war.

Oder... oder war es sogar der Mörder der einen verstorbenen Person?

Mein Herz pumpte wild.

Nervös suchte ich im Internet nach weiteren Berichten über die Tat um noch detailliertere Informationen zu bekommen, doch überall stand mehr oder weniger das Gleiche.

Nach einer Stunde hatte ich entschlossen meine Recherche vorläufig zu beenden, da mir beinahe die Augen zufielen.

Doch schlafen konnte ich nicht wirklich. Ich wälzte mich immer wieder hin und her, seufzte und zerbrach mir weiterhin den Kopf.

_

Als mein Wecker einige Stunden später klingelte, war es fünf Uhr nachmittags.
Bald würde meine nächste Nachtschicht beginnen.
Ich fühlte mich wie von einem Laster überfahren.

Meine Katze Charly lief bereits schnurrend auf mein Bett zu und war im Begriff meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Jaja Kleine, gleich gibts was Leckeres für dich."

Ich ließ meinen Arm aus dem Bett hängen und streckte meine Hand nach Charly aus.

Mit einem Satz sprang sie auf mein Bett und kuschelte sich gemütlich an meine Brust.

Als ich sie vor zwei Jahren kaufte, beschloss ich, sie nicht in meinem Bett schlafen zu lassen.
Doch die Einhaltung meiner eigenen Regel fiel mir mehr als nur schwer und ja... ich erwischte mich immer öfter dabei, Charly nicht zu verscheuchen, wenn sie sich neben mich legte.

Ich liebte es einfach mit ihr zu schmusen.
Sie war so warm und ihr Fell herrlich weich und flauschig.

Ich zog Charly an mich, lächelte und seufzte.

Nach der Enttäuschung mit meinem Exfreund vor zweieinhalb Jahren sehnte ich mich nun wieder nach einer Beziehung.
Nach jemandem, mit dem ich alles teilen konnte, der mich verstand, respektvoll behandelte, ehrlich war und echte Gefühle für mich hatte.

Aber auch nach der körperlichen Nähe.
Nach der Wärme, die mich umschließen konnte, nach dem Duft, den ich einatmen und nach Berührungen, die ich spüren konnte.
Einmal wieder Gänsehaut zu bekommen.

Doch wo würde ich so jemanden finden?

Ich hatte absolut keine Ahnung.

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Hallo ihr Lieben,
Kapitel 3 ist fertig - eher nur ein Übergangskapitel.

Könnt ihr die Gedanken / Gefühle von Lynn nachvollziehen?

Welche Rolle hat er wohl bei dem Raubüberfall gespielt?

Ich drücke euch ☺️

- F.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt