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„Was?!"

Mir fiel alles aus dem Gesicht, meine Atmung stoppte, mein Kiefer klappte auf und meine Augen begannen sich zu weiten.

Hatte ich mich verhört?

Er konnte sich erinnern? Wie bitte? Was sollte das heißen? Und was in diesem Haus hatte das ausgelöst?

Mein Herzschlag trommelte wie verrückt in mir.

Ich hatte die Situation vollkommen falsch eingeschätzt. Ich hatte geglaubt, er wäre auf etwas, das ihn schuldig aussehen ließ, gestoßen, das ihn jetzt ins Gefängnis bringen würde.

Doch es schien ganz anders zu sein.

Er hatte auf einmal Erinnerungen. Erinnerungen an seine Vergangenheit. Zum ersten Mal seit ungefähr drei Wochen. Ich konnte es nicht fassen!

So oft und seit so langer Zeit hatten wir gehofft, dass es passieren würde, doch nichts hatte sich getan.
Zwar hatte er das ein oder andere Mal Gefühle oder Instinkte, die ihm etwas signalisierten, doch echte Erinnerungen kamen nicht in ihm auf.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt. Unglaublich!

Alle meine Organe schienen sich zusammenzuziehen.

„Ja", hauchte er dann. „Ich erinnere mich an dieses Haus."

Immer noch geschockt von seinen Äußerungen und nahezu bewegungsunfähig starrte ich ihm in seine schönen Augen.

Was kommt jetzt?, fragte ich mich.

Der Moment, auf den wir wochenlang gewartet hatten, war eingetreten. Er war da! Wir wussten es, wir spürten es.

Er fuhr fort, ohne meine Augen aus seinen zu lassen, oder seine Hand von meiner zu nehmen.

Flüssigkeit sammelte sich in seinem Blick.

„Das ist das Haus meiner Oma. Die Frau vom Foto, mit den lockigen Haaren - Katherine, Katherine Fox."

Ich schluckte.
Er wusste es! Er wusste es, denn er erinnerte sich wirklich an sie. Ich hörte es mit meinen eigenen Ohren und las es an seinen wässrigen Augen ab.

„Sie hat hier gelebt. Mit Connor und mir. Einige Jahre lang. Dort...", er zeigte auf einen kleinen Schreibtisch in der Wohnzimmerecke „...habe ich gesessen und meine Hausaufgaben gemacht und sie hat gekocht. Fast jeden Tag. Das sehe ich. Das sehe ich vor... vor... meinem inneren Auge."

Endlich etwas herausgefunden zu haben, war seit Wochen unser Ziel und jetzt war es zum Greifen nah. Wir waren angekommen.

Dies war nicht - wie ich befürchtet hatte - der Anfang vom Ende - sondern der Anfang vom Anfang.

Er zog seine Brauen zusammen, lächelte und rang wieder nach Luft.

Und dann ließ er blitzschnell meine Hände los und umfasste mit seinen mein Gesicht. Er zog es zu sich und presste seine Lippen auf meine.

Ich spürte seinen grinsenden Mund auf mir und ehe ich meine Augen schließen und mich dem Kuss hingeben konnte, hatte er auch schon wieder einige Zentimeter zwischen uns gebracht um Luft zu holen.

„Ich bin dir so so dankbar, dass du mich überredet hast herzukommen. Sonst hätte ich mich wahrscheinlich nie an etwas erinnern können. Du hast nicht aufgegeben Lynn. Danke, danke, danke", stieß er überschwänglich aus und umarmte mich im nächsten Moment mit all seiner Kraft.

Ich fühlte mich überrumpelt. Von allem. Doch gleichzeitig auch unglaublich gut. Mein Gesicht wurde warm und ich begann zu schmunzeln.

Meinen Patienten so zu sehen war unfassbar schön für mich.
Sein Lächeln wirkte noch nie so echt wie in den letzten Sekunden. Noch nie hatten seine Augen so sehr gefunkelt, noch nie hatte er so gelöst und positiv gestimmt gesprochen.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt