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Als wir eine Stunde später wieder an der Lagerhalle ankamen, waren wir beide nervlich fix und fertig. Während der Fahrt hatten wir kaum miteinander gesprochen, sondern bloß stumm auf die Straßen vor uns gestarrt.

Ich hatte mich pausenlos gefragt, wie es nun weitergehen würde.


Ich war mir sicher, dass Jade und Henry Fox seine Eltern sein mussten und Katherine seine Großmutter. Die Daten auf dem Grabstein passten dazu. Auch Connors Satz „Oma würde sich im Grabe umdrehen...", machte in diesem Zusammenhang Sinn.

Sie waren also tot. Seine Eltern und seine Großmutter waren nicht mehr am Leben...
und sein Bruder hasste ihn.

Seufzend parkte ich den Wagen auf dem Schotterplatz, stellte den Motor ab, zog den Schlüssel und fuhr dann das Metall nachdenklich mit meinen Fingerspitzen ab, während ich den Kopf gesenkt hielt.

Ich war einfach sprachlos, denn ich hatte keine Ahnung mehr, was ich noch hätte sagen können, um meinen Beifahrer dabei zu unterstützen, die Ereignisse des Tages zu verarbeiten.
Es war einfach zu viel. Zu viel, zu traurig, zu nervenaufreibend, zu niederschmetternd.


Irgendwann stieg ich einfach aus, lief um das Auto herum, öffnete die Beifahrertür und forderte meinen Patienten auf, mich in die Halle zu begleiten.

Stumm und mit stark verlangsamten Bewegungen kam er meiner Aufforderung nach und schlurfte über die feinen Steine hinter mir her.

-

Mein Patient hatte sich wortlos ins Bett gelegt, nachdem er sich die Zähne geputzt und seine Medikamente genommen hatte, während ich in der kleinen Küche etwas Schnelles zu essen zubereitete und mir große Mühe dabei gab, meine Gedanken auf die Zukunft zu lenken und sie nicht in der Vergangenheit hängen zu lassen.

Egal was vorgefallen war, wir mussten uns darauf konzentrieren den Fall zu lösen und zu klären, wer die Gangster waren, was es mit der korrupten Polizei auf sich hatte und was bei dem Überfall wirklich passiert war, doch das fiel mir schwerer als ich zugeben wollte.

Während ich umrührte und das brodelnde Wasser im Kochtopf beobachtete, schoss mir immer wieder dieser eine Gedanke durch den Kopf, den ich nicht stoppen konnte.

Was hatte es mit Connors vermeintlicher Warnung an mich auf sich?

Seine Bemerkung ließ mich einfach nicht los.

Das Überkochen des Nudelwassers riss mich aus meiner Trance und ich nahm den Topf hastig vom Herd, bevor ich die Nässe aufwischte.

Gedankenversunken goss ich die Pasta ab, verteilte sie auf zwei Schüsseln, gab jeweils einen Klecks Tomatensoße dazu, suchte zwei Gabeln heraus und verstaute alles in einer Plastikbox, die ich mir unter den Arm klemmte und dann mit ihr die Strickleiter hinunterkletterte.

Nervosität raste durch meinen Körper, als ich die Tür zu dem Zimmer öffnete, in dem er lag.

Durch das Knarzen der Dielen unter meinen Füßen wachte er auf.

Der Anblick seiner traurigen Augen, der Blässe seines Gesichts und der Eingefallenheit seiner Wangen jagte mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken und ließ mich kurz zusammenzucken. Es machte mich einfach fertig ihn so zu sehen und vollkommen machtlos dagegen zu sein.
Ich hoffte, dass ein warmes Abendessen ihm zumindest ein bisschen guttun würde.

Ich schloss die Tür hinter mir und lächelte ihn zaghaft an. Ich gab mein Bestes.

„Ich habe... Nudeln gekocht."

Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante am Fußende der Matratze, bevor ich eine Schale aus der Box holte, eine Gabel hineinsteckte und sie ihm reichte.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt